Bundeskanzler Olaf Scholz ist im Ringen um einen Abbau der Spannungen in der Ukraine-Krise mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammengetroffen. Zu Beginn seines ersten ausführlichen Gesprächs mit dem Kremlchef wies Scholz auf die "schwierige Situation" für Frieden und Sicherheit in Europa hin. Kurz zuvor hatte Moskau erklärt, mit dem Abzug erster Truppen im Süden und Westen des Landes beginnen zu wollen.
Olaf Scholz beschwört den Dialog
In einem direkten Gespräch hat Scholz zu einem umfangreichen Dialog über den Ukraine-Konflikt aufgerufen. "Lassen Sie uns diese Dinge im Wege des Dialogs weiter bereden. Wir dürfen nicht in einer Sackgasse enden, die wäre ein Unglück", sagte Scholz. "Die diplomatischen Möglichkeiten sind bei weitem nicht ausgeschöpft. Und weiter: Er sehe keinen vernünftigen Grund für den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Deswegen sei nun Deeskalation gefragt. Scholz begrüßte Berichte über einen ersten Truppenabzug. "Unsere beiden Länder sind historisch und kulturell eng miteinander verflochten", sagte Scholz weiter. Es gebe vielfältige Beziehungen und auch großes Potenzial für die Wirtschaftsbeziehungen.
"Dass wir jetzt hören, dass einzelne Truppen abgezogen werden, ist jedenfalls ein gutes Zeichen", so Scholz. Er hoffe, dass ein weiterer Truppenabzug folge. "Wir sind bereit, gemeinsam mit allen Partnern und Verbündeten in der EU und der Nato und mit Russland über ganz konkrete Schritte zur Verbesserung der gegenseitigen oder noch besser der gemeinsamen Sicherheit zu reden." Ungewohnt deutlich wurde der Bundeskanzler am Ende seines Statements: "Unsere verdammte Pflicht, eine kriegerische Eskalation zu verhindern", so Scholz.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat bestritten, dass Russland in der Ukraine-Krise einen Krieg anstrebt. "Wollen wir das oder nicht? Nein, natürlich nicht", sagte er. "Genau deshalb haben wir Vorschläge für einen Verhandlungsprozess unterbreitet." Er bekundete seine Bereitschaft, mit dem Westen weiter in Fragen der europäischen Sicherheit zusammenzuarbeiten.
"Wir sind bereit, den Weg der Verhandlungen zu gehen"
"Wir sind bereit zu dieser gemeinsamen Arbeit auch in der Zukunft", sagte der Kreml-Chef. "Wir sind auch bereit, den Weg der Verhandlungen zu gehen." Die beiden Politiker berieten in Moskau mehrere Stunden über den Ukraine-Konflikt. Der Westen fürchtet angesichts des massiven russischen Truppenaufmarschs an der Grenze einen russischen Angriff auf die Ukraine. Moskau bestreitet Angriffsabsichten und verlangt von der Nato Sicherheitsgarantien.
Putin hat zudem für eine Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream 2 geworben. Das Infrastrukturprojekt festige die Energiesicherheit in Europa, sagte er im Kreml. Es handele sich um ein rein wirtschaftliches und umweltfreundliches Projekt ohne "politische Färbung", so Putin. Die Leitung durch die Ostsee von Russland nach Deutschland sei seit Dezember betriebsbereit.
Scholz hat auch das Vorgehen Moskaus gegen die Deutsche Welle bemängelt. "Ich habe in unseren Gesprächen auch die Erwartung geäußert, dass die Deutsche Welle in Russland weiter journalistisch tätig sein kann", sagte er. Scholz wurde auf seiner Reise von einer Journalistin der Deutschen Welle begleitet, der Moskau kürzlich ein Sendeverbot erteilt hatte.
Zu dem Sendeverbot der Deutschen Welle hat sich Präsident Putin gesprächsbereit gezeigt. Mit Scholz sei vereinbart worden, "dass wir uns Gedanken machen, wie das Problem gelöst werden kann". Das Sendeverbot für die Deutsche Welle wurde verhängt, nachdem die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) die Verbreitung des russischen Fernsehkanals RT DE in Deutschland verboten hatte, weil dieser nie eine Zulassung beantragt hatte.
Kritik am Verfahren gegen Nawlany
Kritisch äußerte sich der Bundeskanzler auch über das Verfahren gegen den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny und das Verbot der Menschenrechtsorganisation Memorial. Bei Nawalny sei seine Haltung "sehr klar", sagte Scholz: "Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen ist seine Verurteilung nicht vereinbar." Auch sehe Deutschland "mit Sorge", dass in Russland "die Räume für die Zivilgesellschaft schwieriger werden". Das gelte insbesondere im Hinblick auf solche Partner, "mit denen wir lange und wichtig zusammengearbeitet haben".