Rede zur Lage der Nation "Wir werden uns dem Bösen nicht geschlagen geben"

Von einer "Achse des Bösen" sprach er diesmal nicht. Dennoch hat sich US-Präsident Bush in seiner mit Spannung erwarteten Rede auf die Außen- und Sicherheitspolitik konzentriert - mit einer klaren Botschaft an den Iran.

Die Rede war mit Spannung erwartet worden. Wie würde sich der angeschlagene Präsident schlagen? Was würde George W. Bush sagen, zur Lage der Nation, zu den Fortschritten im Irak, zur Position der USA im Anti-Terror-Kampf, zu den innenpolitischen Schwierigkeiten nach den eigenwilligen Abhöraktionen und dem vermeintlichen Bestechungs-Skandal um den schillernden Lobbyisten Jack Abramoff? Die jährliche Rede zur Lage der Nation ist eine Show, eine riesige Chance zur Selbstdarstellung. Wie würde Bush diese Bühne nutzen? Wie würde er versuchen, sich selbst aus dem Umfrage-Tief zu ziehen?

"Wir werden uns dem Bösen nie geschlagen geben"

In seiner rund 51-minütigen Rede vor beiden Kammern des US-Parlaments in Washington hat sich Bush vor allem auf die Außen- und Sicherheitspolitik seiner Regierung konzentriert. Er erteilte jeder Form des Isolationismus eine Absage und verteidigte das amerikanische Engagement im Irak. "Amerika lehnt den falschen Komfort des Isolationismus ab", sagte Bush. "Auch wenn wir die Terroristen zufrieden ließen, würden sie uns nie in Ruhe lassen", sagte Bush. Deshalb gelte: "Die Vereinigten Staaten werden sich nicht aus der Welt zurückziehen, und wir werden uns dem Bösen nie geschlagen geben ... Die einzige Alternative zu amerikanischer Führung ist eine dramatische gefährlichere und ängstlichere Welt." Die iranische Führung warnte Bush ausdrücklich vor dem Versuch Atomwaffen zu erlangen. "Die Regierung in diesem Land unterstützt Terrorismus in den palästinensischen Autonomiegebieten und im Libanon. Das muss beendet werden. Die iranische Regierung demonstriert seine Geringschätzung für die Welt durch seine nuklearen Zielsetzungen – und die Nationen der Welt dürfen der iranischen Regierung nicht erlauben, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen." Weniger Raum ließ Bush in seiner Rede für innenpolitische Vorhaben. Dort konzentrierte er sich auf einige wenige Einzelprojekte, die dem übergeordneten Ziel dienen sollen, Amerika in der Welt weiterhin wettbewerbsfähig zu halten.

Beschützer oder "lame duck"?

Die Rede Bushs hat gezeigt, dass das politische Schicksal dieses Präsidenten unweigerlich mit der Bewertung seiner Außen- und Sicherheitspolitik verwoben ist. Zweifeln die Amerikaner an seiner Glaubwürdigkeit und seiner Verlässlichkeit im Anti-Terror-Kampf, ist er gescheitert. Deshalb bemühte sich Bush am Dienstagabend auch, das Selbstbildnis des obersten Beschützers der Vereinigten Staaten zu zeichnen, wenn auch ohne die martialische Rhetorik der Vorjahre. Dabei hat Bush Erfolge derzeit dringend nötig. Seine Regierung befindet sich in einer Krise. Die zermürbende Situation im Irak, der Streit um die Abhör-Aktionen ohne richterliche Verfügung, der Abramoff-Strudel, der vor allem die republikanische Partei erfasst hat, die Kritik an den mangelhaften Rettungsaktionen der Regierung in Washington im überfluteten New Orleans. Das alles hat ihn politisches Kapital gekostet. Für ihn geht es in diesem Jahr nun schlicht darum, die verbleibenden knapp drei Jahre seiner Amtszeit zu retten. Im November finden in den USA Kongresswahlen statt. Hier könnte die Mehrheit der Republikaner in einem der beiden Häuser des Parlaments kippen – dem Abgeordnetenhaus oder dem Senat. Die Demokraten hätten dann die Möglichkeit, die Gesetzesvorhaben des Präsidenten auszubremsen. Bush wäre eine "lame duck", eine lahme Ente. Ein erstes Signal für eine Trendwende zu seinen Gunsten hatte Bush schon am Dienstagmorgen verzeichnen können. Der Senat hatte die Nominierung Samuel Alitos bestätigt, seines Kandidaten für den obersten Gerichtshof.

Absage an übereilten Truppenanzug aus dem Irak

Bush stellte eine Reduzierung der US-Truppen im Irak in Aussicht, sobald der Demokratisierungsprozess im Irak weiter voranschreite. Dieses, sagte er, sei allerdings eine Entscheidung der Militärs und nicht der Politiker in Washington. In den vergangenen Wochen war nicht nur Kritik an der militärischen Strategie zur Befriedung des Irak lauter geworden, auch hinsichtlich der Dauer der Truppenstationierung war der Präsident zunehmend unter Druck geraten. Allerdings machte der Präsident auch deutlich, dass mit einem schnellen Rückzug nicht zu rechnen sei. "Ein plötzlicher Abzug unserer Streitkräfte aus dem Irak würde bedeuten, dass wir unsere Verbündeten Tod und Gefängnis aussetzen, dass Menschen wie Bin Laden und al-Sarkawi in diesem strategisch wichtigen Land das Sagen haben und er würde zeigen, dass ein Versprechen Amerikas wenig bedeutet." Um die Bedeutung des Einsatzes zu verdeutlichen, zitierte Bush aus einem der letzten Briefe eines gefallenen Soldaten. Dessen Angehörige saßen im Publikum auf der Empore des Plenums des Repräsentantenhauses.

"Amerika respektiert sie" In seiner Rede lobte Bush die Fortschritte bei der Demokratisierung in Staaten des Nahen Ostens, in Saudi Arabien und in Ägypten. "Demokratien im Nahen Osten werden nicht aussehen wie unsere eigene, weil sie die Traditionen ihrer eigenen Bürger widerspiegeln", sagte er. Aber Freiheit ist die Zukunft jeder Nation im Nahen Osten, weil Freiheit ist das Recht und die Hoffnung der gesamten Menschheit." Das treffe auch für den Iran zu, dessen Führung das Land isoliere und dessen Bürger unterdrücke. Der Präsident wandte sich direkt an die Bürger Irans. "Amerika respektiert sie und wir respektieren ihr Land. Wir respektieren ihr Recht, ihre Zukunft zu bestimmen und ihre eigene Freiheit zu erringen. Unsere Nation hofft, eines Tages einer der engsten Freunde eines freien und demokratischen Iran zu sein."

Bush verteidigt Abhör-Aktionen

In der innenpolitisch heiß geführten Debatte um das Abhören von Telefonaten ohne richterliche Verfügung ging Bush in die Offensive. In den vergangenen Wochen war er in die Kritik geraten, weil er das Abhören von Gesprächen zwischen im Ausland befindlichen Personen und den USA abgesegnet hatte. Seitdem diese Praxis bekannt ist, tobt eine Debatte über ihre Rechtmäßigkeit. Bush stellt sich dabei auf den Standpunkt, dass die Verfassung ihm diese Macht gibt, Kritiker bezweifeln dies. "Wir wissen jetzt, dass zwei der Flugzeug-Entführer (des 11. September, Red.) Al-Kaida-Aktivisten in Übersee anriefen. Wir wussten aber nichts von ihren Plänen, bis es zu spät war." Nun habe er, Bush, Maßnahmen gestattet, um die internationale Kommunikation von Terroristen zu überwachen. Dies sei durchaus im Einklang mit seinen Rechten als Präsident. "Vorhergehende Präsidenten haben die gleiche verfassungsmäßigen Rechte gehabt", sagte Bush. Bundesgerichte hätten dieses Recht bestätigt. "Wenn es Leute in unserem Land gibt, die mit al-Kaida sprechen, wollen wir das wissen," sage Bush. In diesem Kontext bat Bush Abgeordnetenhaus und Senat auch um die anstehende Verlängerung des Patriot Acts, jenes Gesetzes-Pakets, das viele Anti-Terror-Maßnahmen enthält, die der Präsident nach den Anschlägen des 11. September angestoßen hat.

Der Präsident will weg vom Öl

Auffallend war zudem, dass Bush Wert darauf legte, Amerikas Abhängigkeit vom Rohstoff Öl mittelfristig erheblich zu vermindern. Deshalb müsse in alternative Energiequellen, von der Atomkraft bis hin zu Windrädern investiert werden, sagte der Präsident. Er nannte sogar eine Zielmarke: Bis 2025 sollen siebzig Prozent der Öl-Importe der USA aus dem USA durch alternative Ressourcen ersetzt werden. Dadurch werde Amerikas Abhängigkeit von Öl aus dem Nahen Osten der Vergangenheit angehören, sagte Bush.

Steuererleichterungen sollen festgeschrieben werden

Im innenpolitischen Teil seiner Rede legte Bush keinen großen Wurf vor. Er konzentrierte sich auf einige wenige Initiativen. So schlug er vor, die bislang zeitlich begrenzten Steuererleichterungen als dauerhaft festzuschreiben, regte die Einsetzung einer Sonderkommission zur Reform des Sozial- und Gesundheitssystems und drang auf eine bessere Förderung der mathematischen und naturwissenschaftlichen Ausbildung von Schülern. Hinsichtlich des Abramoff-Skandals schlug er eine verbesserte Gesetzgebung zum Umgang mit Spendengeldern vor. Nicht zuhören durfte dem Präsidenten übrigens die Anti-Kriegs-Aktivistin Cindy Sheeham. Zwar war sie von einer demokratischen Abgeordneten des Repräsentantehauses nach Washington eingeladen worden. Aber kaum hatte sie das Plenum des Parlaments betreten, entfaltete sie nach Berichten von CNN ein Protest-Plakat und wurde kurz darauf abgeführt.