Sarkozy verpasst Geburt seiner Tochter Darf der Euro wichtiger als das eigene Kind sein?

Carla Bruni bekommt ein Mädchen – doch statt der Geburt beizuwohnen, flog Nicolas Sarkozy nach Frankfurt. Recht so, meint Florian Güßgen. Ein Skandal, kontert eltern.de-Kollegin Rosa Wetscher.

Sarkos Date mit Angela war wichtiger

Gibt es Wichtigeres als die Geburt des eigenen Kindes? Ja, gibt es, wenn auch wenig. Die Rettung des Euro, des Weltfriedens oder auch nur eines Menschenlebens gehört dazu. Und deshalb war es richtig, dass der Staatsmann Nicolas Sarkozy nach Frankfurt geflogen ist und seine Frau Carla Bruni alleine gebären ließ. Dieser Mittwoch wäre der falsche Zeitpunkt gewesen, um den modernen Vater zu spielen - und verlogen noch dazu.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Bei der Geburt eines Kindes dabei zu sein, ist für viele Männer ein großer, ein existenzieller, ein berührender Moment. Und Männer sollten dieses Miterleben tatsächlich nicht lediglich als Geste des guten Willens begreifen, sondern als Pflicht. Im Interesse des Kindes, der Mutter, der Beziehung, der Familie, vor allem aber aus Eigeninteresse: Wer will schon große Momente verpassen? Für die meisten Männer ist die Debatte ohnehin müßig: Sie sind selbstverständlich dabei. Das Klischee des vor dem Kreißsaal rauchenden, nervösen Papis scheint passé. Wenn man ehrlich ist, ist das Fernbleiben auch längst nicht mehr Norm.

Allein: Nicht nur viele Vorwände einiger Dinosaurier, sich vor einer potenziell recht eindrucksvollen Geburt zu drücken, sind unsinnig bis sexistisch ("Du Schatz, wenn ich dich so sehe, killt das später die Erotik"). Mindestens ebenso absurd ist es, die Anwesenheit bei der Geburt zum Dogma zu erklären. Manche Männer kippen tatsächlich um, wenn sie Blut sehen. Andere haben - ja, echt - zum Zeitpunkt der Geburt Wichtigeres zu tun. Was ist denn zum Beispiel mit dem Chirurgen, dessen Frau just in dem Moment niederkommt, in dem er als Spezialist am OP-Tisch stehen muss? Was ist mit dem Feuerwehrmann, der zum Einsatz gerufen wird? Bisweilen gibt es Situationen, in denen es auf einen Mann ankommt, in denen kein Ersatz bereit steht. Es ist eindeutig, wie die Entscheidung ausfallen muss.

Womit wir wieder bei Sarkozy wären. Klar, der frühere Bling-Bling-Präsident wird sein staatsmännisches Verhalten vor der Wahl im nächsten Jahr sicher auch Polit-PR-technisch ausnutzen, sich als wackeren Helden inszenieren, der in der Not das Wohl Frankreichs höher einschätzt als persönliche Glücksmomente. Aber selbst diese erwartbare Nummer macht Sarkozys Verhalten nicht automatisch falsch. Er ist für Wohl und Wehe seiner Wähler verantwortlich. Und derzeit befindet sich die wirtschaftliche Wohlfahrt genau dieser Wähler in existenzieller Gefahr. Am Wochenende wird entscheidend gegipfelt, Sarkozy ist eine zentrale Figur bei der Verabschiedung eines Rettungspakets. Hätte er jetzt auf Privatmann gemacht und einen Vertreter nach Frankfurt geschickt: Es wäre das falsche Signal gewesen. Ein verlogenes zudem: Denn dass Sarkozy als Spitzenpolitiker viel Zeit hat oder je gehabt hätte, sich seinen Kindern zu widmen, glaubt eh kein Mensch.

Man sollte sich nichts vormachen: Selbst für die modernsten aller Männer wird es weiter gute Gründe geben, den Geburten ihrer Kinder fern zu bleiben. Neu und richtig ist nur, dass moralisch beleuchtet werden darf und muss, wie triftig diese Gründe sind. Sarkozy kann eine überzeugende Entschuldigung vorlegen: Sein Frankfurter Date mit Angela Merkel war wichtiger. Absolution erteilt.

Merkel statt Kreißsaal ist feige Flucht

Wehen alle zwei Minuten. Brummender Blackberry auch alle zwei Minuten. Und dann: "Tut mir leid, mein Schatz, aber ich muss jetzt zu Angela." Wenn es so war, hatte Carla Bruni hoffentlich noch die Kraft, ihrem Gatten hinterher zu fluchen.

Mann, Sarkozy, die hat dein Kind gekriegt! Das ist einmalig und unwiederbringlich. Der Euro kann noch oft gerettet werden und ein weiterer Abend mit Angela ist sicher drin vor der möglichen Abwahl.

Was ist denn mit Männern los, die nicht erkennen, wo sie wirklich gebraucht werden? In Frankfurt war der Präsident durchaus abkömmlich, was die Zeitgeschichte schon einen Tag später weiß. Und dafür hat er sich um ein Erlebnis gebracht, das er nie nachholen kann. Was nicht nur lieblos ist, sondern dumm.

Gilt für den französischen Präsidenten und alle anderen bedeutenden Männer. Aus dem Kreißsaal ins Büro abhauen, weil ein ach so wichtiges Meeting ansteht, ist nur ein Zeichen für falsche Prioritäten. Oder - und auch das würde den Mann ja nicht unbedingt schmücken - für Feigheit. Oder - noch schlimmer - für mangelnde Verlässlichkeit. Erst mitgehen, mitschnaufen, bis die erste Wehenphase geschafft ist, Händchen halten, Schweiß abtupfen. Und dann auf die Uhr schielen: Hilfe, wenn sie es bis 15 Uhr nicht schafft, muss ich leider los. Wer so drauf ist, sollte lieber ganz wegbleiben aus dem Kreißsaal. Wäre ehrlicher. Und hätte der Frau früher die Augen dafür geöffnet, was für ein Weichei sie sich zum Kinderkriegen ausgesucht hat.

Es ist auch keine Ausrede, dass gestern in Paris nicht das erste Kind des Präsidenten geboren wurde, sondern sein viertes. Kennt er also schon, wie das ist. Vielleicht ist es ihm ja früher mal gelungen, nicht kurz vor dem Schlüpfen des Babys eine Vorstadt säubern zu müssen. Schon richtig: Das erste Mal Geburt ist besonders aufregend für Mütter und für Väter. Beim zweiten, dritten, vierten Kind ist die Angst vielleicht ein bisschen kleiner. Routine wird es nie, mit dabei zu sein, wenn ein Kind geboren wird. Und Wehen tun immer verdammt weh. Hebammen und Ärzte können helfen, aber den echten, richtigen Beistand wünschen sich Frauen von ihrem Mann. Er ist es schließlich, der das alles angerichtet hat. Echt, Presswehen kann man eigentlich nur aushalten, wenn man den dafür verantwortlichen Scheißkerl um sich hat und beschimpfen kann.

Hach, und wenn dann alles vorbei ist. Nichts mehr weh tut. Und so ein warmes, neues, nach einer anderen Welt riechendes Zappelwesen mit Quäkstimme da ist: Dieses Glück MUSS man teilen!

Zu spät, Monsieur le Président.

Rosemarie Wetscher ist Redaktionsleiterin bei eltern.de