Die heftige Debatte nach ihren kritischen Worten zum Afghanistan-Einsatz hat Margot Käßmann nach eigenen Worten vollkommen überrascht. "Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass meine Predigt solche Reaktionen auslöst", sagte Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in der neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe des stern. Gleichzeitig erneuerte Käßmann eine Woche vor der Londoner Afghanistan-Konferenz ihre Ablehnung des deutschen Engagements. Natürlich würde sie ihre Predigt "nochmals so halten", denn: "Wir brauchen Menschen, die gegen Gewalt und Krieg aufbegehren." Es sei, so die Bischöfin zum stern, "ganz klar die Aufgabe der Kirche zum Frieden aufzurufen. Als Christen können wir nicht vom gerechten Krieg reden".
Die 51-Jährige hatte in ihrem Neujahrsgottesdienst in der Dresdener Frauenkirche den deutschen Einsatz kritisiert ("Nichts ist gut in Afghanistan") und wird seitdem von Berliner Politikern und Kommentatoren heftig attackiert. Sie sei erstaunt, wie "dünnhäutig" ihre Kritiker reagieren und mit was für einer Heftigkeit, nun "die Worte auf mich einprallen". Sie selbst ließen diese Angriffe indes ziemlich kalt: "Ich lege mich abends nicht ins Bett und schluchze in Kissen, weil mich wegen dieser Predigt manche angreifen."
Kritiker hatten der EKD-Vorsitzenden in den vergangenen Tagen vorgeworfen, "naiv" zu sein. "Also, den Ton", so die Bischöfin im Gespräch mit dem stern, "den kenn ich, der ist nicht neu für mich!" Das funktioniere alles nach dem Motto: "Mädchen, halte dich da raus!" Eines allerdings wundert die 51-Jährige: "Wenn ich so blauäugig bin, wie mir unterstellt wird, dann könnten sie mich ja ignorieren."
Die EKD-Vorsitzende kann sich die überparteiliche Ablehnung ihrer Position nur so erklären: Die Verantwortlichen hätten "keine klare Strategie für den Frieden in Afghanistan" und wüssten dabei genau, "dass die große Mehrheit der Bevölkerung den Einsatz dort ablehnt". Denn spätestens nach dem vom deutschen Oberst Klein befohlenen Luftangriff von Kundus sei den Bürgern klar geworden, "dass deutsche Soldaten nicht nur Brunnen bohren, sondern sich in einer militärischen Auseinandersetzung befinden". Für die Bischöfin, anders als für die Politiker der Berliner Regierungskoalition, ist dieser Einsatz Krieg: "Unsere Soldaten und Soldatinnen befinden sich in einem bewaffneten Konflikt, also in einem Krieg."
In dem stern-Gespräch schildert Margot Käßmann auch, weshalb sie Pfarrerin wurde. Als Schülerin in Amerika habe sie die Texte des ermordeten Pastors und Bürgerrechtler Martin Luther King kennengelernt - fasziniert von ihm und seinem Denken habe sie Theologie studiert. Käßmann: "Aus seinem Glauben heraus hat er immer mehr zum politischen Engagement gefunden, seine Aufsätze zu Vietnam, seine Friedenstexte - sie sind wirklich bewegend."