Neben anhaltenden Protesten der Opposition haben in Ägypten landesweite Streiks den Druck auf die Regierung von Staatschef Husni Mubarak verstärkt. Zehntausende Beschäftigte in Kairo und weiteren Städten legten am Donnerstag ihre Arbeit nieder und versammelten sich zu Kundgebungen - unter anderem vor dem Parlament. Außenminister Ahmed Abul Gheit hatte zuvor angedroht, die Armee werde einschreiten, wenn im Land Chaos ausbreche.
Die Streiks richten sich primär gegen steigende Lebenshaltungskosten. Die Gewerkschaften fordern deshalb Lohnerhöhungen, wollten aber mit den Arbeitsniederlegungen auch der Opposition den Rücken stärken. In Kairo versammelten sich etwa 3000 Beschäftigte des Gesundheitssektors sowie zahlreiche Anwälte zu Protestmärschen. In Alexandria beteiligten sich tausende Verwaltungsangestellte an dem Streik, wie ein Sicherheitsvertreter bestätigte. Auch in Suez sowie in Städten am Roten Meer und im Norden des Landes wurde gestreikt. In Port Said verwüsteten hunderte Demonstranten die Polizeizentrale und zündeten sie an.
In Kairo verlagern sich die Demonstrationen zunehmend auf das Parlament. Die Teilnehmer einer Kundgebung vor der Volksvertretung riefen in Sprechchören "Nieder mit Mubarak". Zuvor hatten Regierungsgegner am Rande der Zufahrtswege zum Parlament übernachtet. Am Mittwoch hatten hunderte Demonstranten den Zugang zu der Volksvertretung blockiert. Auf dem Tahrir-Platz, dem zentralen Ort der oppositionellen Proteste, wurde am Donnerstag ebenfalls demonstriert. Der zwischenzeitlich inhaftierte Internet-Aktivist und Google-Manager Wael Ghonim sagte auf CNN, er sei bereit, die Proteste für ein demokratisches Ägypten mit dem Leben zu bezahlen.
Außenminister Abul Gheit hatte den Demonstranten zuvor gedroht: Sollte Chaos ausbrechen, würden die Streitkräfte eingreifen, um "die Verfassung und die nationale Sicherheit zu verteidigen" - "ein Schritt (...), der zu einer sehr gefährlichen Situation führen würde", sagte er laut staatlicher Nachrichtenagentur Mena dem arabischen TV-Sender El Arabija.
Der Minister wies zudem Reformforderungen der USA zurück. "Wenn man einem großen Land wie Ägypten Forderungen nach sofortigen Reformen stellt, dann drückt man ihm seinen Willen auf", sagte er dem US-Sender PBS. Zugleich unterstrich Abul Gheit, dass der politische Wandel in Ägypten bereits schrittweise begonnen habe. Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, erklärte am Mittwoch dennoch, die bisher eingeleiteten Schritte des ägyptischen Vizepräsidenten Omar Suleiman erfüllten nicht die "Minimalforderungen" des Volkes.
Nach Angaben aus EU-Kreisen hat die ägyptische Regierung derzeit auch kein wirkliches Interesse an Ratschlägen der Europäischen Union. Die Sprecherin von EU-Außenministerin Ashton sagte am Donnerstag in Brüssel, es werde "auf allen Ebenen" daran gearbeitet, den von Ashton geplanten Besuch in Ägypten sicherzustellen. "Aber natürlich müssen die ägyptischen Behörden denselben Wunsch haben, sie müssen den Besuch auch akzeptieren."
Für Geduld beim Reformprozess in Ägypten warb Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP erinnerte er an die Umbruchzeit in der DDR: "Bis zu freien Wahlen ist damals auch ein Jahr vergangen." Mubarak habe aber keinen Platz in dem in dem Umbruchprozess. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) schloss ein Aussetzen der Hilfsgelder für Ägypten als Druckmittel gegen Mubaraks Regierung weiter aus. "Damit würden wir die Bevölkerung belasten", sagte er der "Frankfurter Rundschau".