Streit um Präsidenten-Begräbnis Königsgrab für Kaczynski spaltet die Polen

In die Trauer mischt sich Ärger: Die geplante letzte Ruhestätte für den verunglückten polnischen Präsidenten sorgt für Proteste. Viele Landsleute finden, Lech Kaczynski sei eines Platzes neben den toten Königen nicht würdig.

Ein Streit um den Begräbnisort für den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski entzweit mitten in der einwöchigen Staatstrauer das Land. Während in Warschau am Mittwoch erneut unzählige Trauernde von Kaczynski und seiner Frau Abschied nahmen und Blumen vor ihren Särgen niederlegten, gab es in Krakau Demonstrationen gegen die geplante Beisetzung des Präsidentenpaares in der Kathedrale auf der Wawel-Burg.

Hunderte Menschen protestierten gegen die geplante Beisetzung in der berühmten Kathedrale. "Ist er wirklich eines Königs würdig?", stand auf einem Schild, das die Demonstranten in die Höhe hielten. Einige skandierten "Nein zu Wawel" und forderten, die Särge stattdessen auf dem historischen Powazki-Friedhof in Warschau beizusetzen.

"Hastig und emotional"

"Die Entscheidung, ihn auf dem Wawel zu begraben, ist hastig und emotional", hieß es am Mittwoch in einem Leitartikel der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza". Es sei unangemessen, Kaczynski nach seinem Tod in eine Reihe mit Größen wie Josef Pilsudski zu stellen, dem Architekten der polnischen Unabhängigkeit nach dem Ersten Weltkrieg. "Diese Entscheidung wird die Polen mit Sicherheit spalten", schrieb die Zeitung.

Die Kirche müsse diese Entscheidung zurücknehmen, forderte der Oscar-prämierte Filmemacher Andrzej Wajda, der als Regisseur eines Films über das Massaker von Katyn im Zweiten Weltkrieg eine Autorität in Polen ist. Das Vorhaben des Kardinals drohe, Polen mehr zu spalten als jeder andere Streit seit dem Ende des Kommunismus.

Stichwort: Wawel

Die Wawel-Kathedrale in Krakau ist Teil einer mittelalterlichen Burganlage, die einmal die Residenz der polnischen Könige war. Von der Unesco wurde der Wawel, wie die gesamte auf einem Berg über der Weichsel gelegene Anlage mit Schloss, zahlreichen Wirtschaftsgebäuden, Türmen und Toren genannt wird, zusammen mit der Krakauer Altstadt zum Weltkulturerbe erklärt.

Der im 14. Jahrhundert erbaute Dom war Krönungs- und Grabesstätte der Könige. Heute ist die Kirche St. Stanislaus und Wenzel die Bischofskirche des Erzbistums Krakau. In der Nähe der Kathedrale findet sich auch eine Statue des Wawel-Drachen, der einer polnischen Sage nach in einer Höhle unter dem Wawelhügel gelebt haben soll. Die sogenannte Drachengrotte ist ein beliebtes Touristenziel.

(APN)

Proteste auch auf Facebook

Einen Vorgeschmack darauf gab es auf dem Internet-Portal Facebook: Bis zum Mittwoch schlossen sich dort mehr als 26.000 Menschen einer virtuellen Protestgruppe an, die sich "Nein zur Beisetzung Kaczynskis auf dem Wawel" nennt. Fast 5000 erklärten sich zu Unterstützern einer Gruppe mit dem ironischen Namen "Ich will auch auf dem Wawel begraben werden".

Am Sonntag soll das Präsidentenpaar in der Kathedrale auf der Wawel-Burg, der ehemaligen Residenz der polnischen Könige in Krakau, ihre letzte Ruhe finden. An der Trauerfeier wollen auch zahlreiche ausländische Staatsgäste teilnehmen, darunter US-Präsident Barack Obama, der französische Staatschef Nicolas Sarkozy und Russlands Präsident Dmitri Medwedew.

Merkel und Köhler landen getrennt

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Horst Köhler haben ihr Kommen zugesagt - allerdings in getrennten Flugzeugen. Es sei geplant, dass die Kanzlerin allein mit ihrem Stab in einer Maschine vom Typ Challenger anreisen werde, sagte eine Regierungssprecherin. Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und die Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Cornelia Pieper (FDP), haben sich angekündigt.

Unterdessen wurde ein Großteil der 96 Opfer der Flugzeugkatastrophe identifiziert. Bisher habe die Identität von insgesamt 64 Toten geklärt werden können, sagte ein Sprecher des russischen Katastrophenschutzministeriums. Nach polnischen Angaben sollten am Mittwoch die sterblichen Überreste weiterer 30 Opfer nach Warschau überführt werden.

DPA · Reuters
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