Mit Schweißermaske und Bauarbeiterhandschuhen geschützt schleudert Scherali die Pakete in den eisernen Ofen: Süßlichen Rohopiumbrei, staubig weiße Heroinknubbel, Cannabisharz. 184 Kilo Drogen im Wert von zigtausenden Dollar lösen sich in einer halben Stunde in weißen Qualm auf, der über dem Hof der Anti-Drogen-Behörde (DCA) in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe aufsteigt. Es ist eine Zeremonie, die besonders vor den Augen ausländischer Gäste gerne aufgeführt wird. Und Scherali ist der Zeremonienmeister.
Tadschikistan ist seit dem Boom der Opiumwirtschaft im benachbarten Afghanistan zum Drogentransitland Nummer eins geworden. 2004 wurden knapp fünf Tonnen Heroin sichergestellt, das entspricht 83 Prozent der in ganz Zentralasien konfiszierten Menge. Und weil der Iran und Pakistan den Kampf gegen die Schmuggler längst verschärft haben, fließt immer mehr Rauschgift über die "Northern Route", über die alte Seidenstraße Zentralasiens. Die internationale Gemeinschaft unterstützt die tadschikischen Behörden mit viel Geld und Logistik.
Nur die UN gelten nicht als korrupt
Allein die Vereinten Nationen finanzieren die DCA in diesem Jahr mit 4,5 Millionen Dollar. Die Behörde gilt unter Landeskennern als eine der wenigen in Tadschikistan, die noch nicht der Korruption anheim gefallen sind. Im Labor stehen die modernsten Analyse-Computer, an der Wand hängt ein Ausbildungszertifikat des Bundeskriminalamtes (BKA).
Mit säuerlichem Blick präsentiert Laborchef Karimow Bahtijor einen Aktenordner. In den Klarsichthüllen stecken säuberlich gefaltet die Verpackungen, in denen das Heroin ins Land kommt: Melitta Auslese, Ovomaltine, Kitkat. Den Weg einer Jacobs-Verpackung konnte Bahtijor zurückverfolgen: Zu Tausenden wurden sie in Schweden hergestellt, nach Pakistan geliefert und weiter an afghanische Drogenfabriken verkauft. Dort wurden sie mit dem weißen Gift gefüllt und auf den Rückweg geschickt.
Doch so viel Mühe machen sich nur die wenigsten afghanischen Drogenlabors. Auf Scheralis Drogenofen stapeln sich weiße Pakete, die wie kleine Mehlsäcke aussehen. Die Landkarte von Afghanistan ist darauf eingezeichnet, dazu ein Pfeil vom Ort des Labors ins Bestimmungsland. Eine Spritze neben der Landkarte informiert über die angemessene Dareichungsform des Inhalts.
Firmenstempel auf Drogenlieferung
Die Produzenten setzen gar ihren Firmenstempel samt Adresse auf die Pakete. "Anhand der Stempel wissen wir exakt, wo die Labore sind", sagt Wissenschaftler Bahtijor. Die Produzenten seien bekannte Leute. "Aber die Zeit, sie zu verhaften, ist offenbar noch nicht gekommen." Auf den ausufernden Drogenanbau in Afghanistan sprach Außenminister Talbak Nasarow vor einigen Wochen seine US-Kollegin Condoleezza Rice an, die in Duschanbe einen Zwischenstopp einlegte. Er sieht Washington in der Pflicht, hat doch der Sturz der Taliban die Drogenwirtschaft im südlichen Nachbarland erst wieder erblühen lassen.
Zwar bombardieren amerikanische Kampfjets vereinzelt Heroin-Labors in den Bergen, doch der Opiumanbau wird toleriert. Als "Halb-Maßnahmen" bezeichnet Nasarow die US-Strategie im Gespräch mit deutschen Journalisten. Der ungebremste Nachschub ist das eine Problem der Tadschiken, die schier unkontrollierbare 1344 Kilometer lange Grenze das andere.
Obwohl die zentralasiatische Republik seit 15 Jahren unabhängig ist, waren russische Truppen bis zum Herbst für die Grenzsicherung zuständig. Präsident Emomali Rahmonow war das zunehmend ein Dorn im Auge. "Russische Generäle haben ein großes Interesse am Drogenhandel", sagt der Politologe Abdu Mamadasinow dazu.
Die Gerüchte lauten so: Per Hubschrauber wird das Heroin über die Grenze geflogen und in russische Militärflugzeuge geladen. "Wir haben von den Flugzeugen gehört", sagt ein Präsidentenberater. "Deswegen wollen wir die Grenze selbst kontrollieren." Doch seit die tadschikischen Truppen die Aufgabe im Spätsommer 2005 selbst in die Hand genommen haben, hat sich nicht alles zum Besseren gewendet.
Mangel an Experten, Material und Geld
DCA-Chef Rustam Nasarow verweist zwar auf eine gestiegene Zahl an Verhaftungen an der Grenze. Doch der Mangel an Experten, Material und Geld ist nicht zu übersehen. Eine der größten Kasernen an der Grenze steht vier Autostunden südlich von Duschanbe in Pjandsch.
Während die Soldaten unter russischem Oberkommando noch 100 Dollar pro Monat verdienten, kann die eigene Regierung den nun eingesetzten Wehrdienstleistenden nicht mal einen Dollar zahlen. Wie sollen sie so davon abgehalten werden, ihren Sold durch einen Einstieg in den Drogenhandel aufzubessern? "Eine gute Frage", sagt General Nuralischo Hasarow vom Komitee für Grenzschutz. Eine gute Antwort bleibt er schuldig.
Besonders anfällig für Korruption sind nach seinen Worten aber nicht die Rekruten, sondern Offiziere. Zwölf bis 14 von ihnen würden pro Jahr erwischt. Erst in der letzten Dezemberwoche hob die tadschikische Polizei einen Schmugglerring auf, dem mindestens ein Offizier angehörte. Selbst ein Oberst aus dem Innenministerium wurde schon mit fünf Kilogramm Heroin erwischt.
Drogenbekämpfung will Erfolge sehen
Nawrusescho und seine Soldaten müssen trotzdem weitermachen, auf ihnen lasten nicht nur die Erwartungen des Präsidenten, sondern auch der internationalen Gemeinschaft, die einen Ertrag für ihre Investitionen in die Drogenbekämpfung sehen will.
Das Hochwasser hat im Frühjahr den Grenzzaun in Pjandsch auf einer Länge von drei Kilometern fortgerissen. Wann der Zaun repariert wird, steht in den Sternen. Die nächtlichen Patrouillen sind ohne den Zaun noch gefährlicher. Trotzdem haben Nawrusescho und seine Männer schon 57 Kilo Heroin in den ersten drei Monaten unter eigenem Kommando sichergestellt, vier Kuriere festgenommen. Das Klingeln eines Handys unterbricht den Kommandeur. Seine zunächst versteinerte Mine verdüstert sich. Am Telefon erfährt er, dass einer seiner Grenzschützer gerade bei einem Feuergefecht getötet worden ist. Bestürzt wendet er sich ab.