Österreich trauert um Bundespräsident Thomas Klestil. Das Staatsoberhaupt starb am Dienstagabend nur 36 Stunden vor Ablauf seiner Amtszeit im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) in Wien an den Folgen eines am Montag erlittenen Herzstillstands. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel würdigte Klestil als große Persönlichkeit. Klestils bereits im April gewählter Nachfolger Heinz Fischer, der am Donnerstag vereidigt wird, sprach von einem "wirklich eindrucksvollen" Lebensweg, der "durch Pflichterfüllung bis zum letzten Atemzug" geprägt gewesen sei.
Das 71-jährige Staatsoberhaupt starb nach Angaben der behandelnden Ärzte um 23.33 Uhr im Kreis seiner Familie. Als Todesursache nannten sie Multi-Organversagen. "Es hat leider unsere ärztliche Kunst nicht ausgereicht, um das Steuer herumzureißen", sagte der Ärztliche Direktor des AKH, Reinhart Krepler, in einer kurzen Erklärung in der Nacht zum Mittwoch.
Am Montag mit Herzstillstand eingeliefert
Am Dienstagvormittag hatte sich der Gesundheitszustand Klestils dramatisch verschlechtert, nachdem wichtige Organe versagten. Klestil war am Montag in die Klinik eingeliefert worden, nachdem er in seiner Villa einen Herzstillstand erlitten hatte. Die Ärzte hatten ihn in ein künstliches Koma versetzt.
Der österreichische Bundespräsident litt schon seit Jahren unter Lungenproblemen. Im September 1996 wurde er mit einer so genannten atypischen Lungenentzündung ins Krankenhaus gebracht. Damals war das Staatsoberhaupt wochenlang ans Krankenbett gefesselt und kehrte erst im Januar 1997 in die Wiener Hofburg zurück. Im Juni vergangenen Jahres wurde Klestil erneut wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus behandelt.
Seit 12 Jahren an der Spitze des Staates
Klestil war seit 1992 Bundespräsident. Als jüngstes von fünf Kindern wurde er am 4. November 1932 in Wien geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und trat 1957 in den Staatsdienst ein. Als Mitglied der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) arbeitete er zunächst im Bundeskanzleramt, bevor er 1959 für drei Jahre zur OECD nach Paris ging. Mehrere Jahre seines Berufslebens verbrachte Klestil in den USA, zunächst von 1969 bis 1974 als Generalkonsul in Los Angeles, später als Vertreter seines Landes bei den Vereinten Nationen und Botschafter in Washington.
Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde Klestil erst mit seiner Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten. Er setzte sich im Mai 1992 in der Stichwahl gegen den favorisierten SPÖ-Kandidaten Rudolf Streicher durch und wurde am 8. Juli 1992 als Nachfolger von Waldheim vereidigt.
Nachdem die ausländischen Kontakte unter Waldheim - wegen dessen umstrittener Vergangenheit als Wehrmachtsoffizier - abgekühlt waren, bemühte sich Klestil, die Beziehungen, insbesondere zu den europäischen Nachbarn, auf eine neue Basis zu stellen. So war er wesentlich an der Vorbereitung des österreichischen EU-Beitritts beteiligt. Bei seinem Staatsbesuch in Israel bekannte sich Klestil 1994 als erster österreichischer Bundespräsident zur Mitschuld seines Landes am Holocaust.
Populärer Staatsmann
Klestil galt zu Beginn seiner Amtszeit als populärer Präsident, der die Volksnähe suchte. Doch entsprechende Termine - wie etwa Tage der offenen Tür - wurden auf Grund seiner gesundheitlichen Probleme ab 1996 immer spärlicher. Außerdem litt das Ansehen des Bundespräsidenten unter einer Ehekrise, die 1994 mit dem Auszug seiner ersten Frau aus der Amtsvilla endete. Dennoch wurde Klestil 1998 im Amt bestätigt, nach seiner Wiederwahl heiratete er seine einstige Wahlhelferin und Mitarbeiterin Margit Löffler.