Dass sich Rechte und Linke mitunter auffällig nahe sind, liegt mitunter daran, dass diese Flügel des politischen Spektrums dem Staat oft skeptischer gegenüberstehen als Menschen der Mitte. Das gilt auch für die USA. Dort kehren selbst konservative Law-and-Order-Verfechter mittlerweile den eigenen Sicherheitskräften den Rücken zu. Die Entwicklung an sich ist nicht neu, und auch nicht der Slogan, der dieses Misstrauen auf den Punkt bringt. Überraschend aber ist die Ecke, aus der plötzlich "Defund the Police" schallt.
"Defund the Police" als Rassismus-Protest
So knackig wie im Englischen liest sich der Ausruf im Deutschen nicht. "Streicht der Polizei das Geld" bedeutet er grob übersetzt, und berühmt geworden ist die Kampagne vor zwei Jahren. Damals hatte ein Polizist in Minneapolis den Afroamerikaner George Floyd getötet, der Fall wurde zum Symbol für rassistische Polizeigewalt in den USA. Anschließend war auf vielen "Black-Lives-Matter"-Demonstrationen "Defund the Police" zu hören. Damit war nicht unbedingt die Auflösung der Polizei oder der Stopp ihrer Finanzierung gemeint, sondern eher die Umwidmung der irrwitzigen Milliardensummen, mit denen die US-Bundesstaaten ihre mäßig erfolgreichen Sicherheitsbehörden am Laufen halten.
Die Idee allerdings währte nur diesen einen Sommer lang, mehrheitsfähig war sie ohnehin nie. Doch nun hallt der explizit linke Schlachtruf ausgerechnet von rechts wider: "Das Justizministerium hat ein nicht mehr zu tolerierendes Maß an politisch motivierter Bewaffnung erreicht", schrieb der Fraktionschef der Republikaner, Kevin McCarthy, nach der Hausdurchsuchung bei Donald Trump auf Twitter. Und fügte "Defund the FBI" an. Die berüchtigte Verschwörungstheoretikerin und Repräsentantenhaus-Abgeordnete Marjorie Taylor Greene hatte sogar T-Shirts mit genau diesen Worten verkauft und dafür heftige Kritik eingesteckt.
FBI nicht mehr heilig
Eigentlich sind Sicherheitskräfte wie Polizei und FBI den Konservativen heilig. Law and Order zählt zu den Kernelementen republikanischer Politik. Doch seitdem die US-Justiz immer wieder Donald Trump ins Visier nimmt (unter anderem wegen mutmaßlicher Wahlbeeinflussung, Steuerhinterziehung, Betrug, sexuelle Übergriffe, Behinderung der Justiz, Absprachen mit Russland) mutmaßen seine Parteifreunde, dass hinter den zahllosen Anschuldigungen eine politische Kampagne durch offizielle Stellen steht. Zumal das Justizministerium als oberste Anklagebehörde des Landes von einem demokratischen Politiker geführt wird. Ihr Ziel sei es, den Ex-Präsidenten zu erledigen.
Mit diesem Misstrauen stehen die Konservativen nicht allein da. Fast alle US-Institutionen – von der Präsidentschaft über das Parlament und Supreme Court bis zu Schulen und dem Gesundheitssystem – leiden darunter, dass ihnen nicht einmal mehr die Hälfte aller Amerikanerinnen und Amerikanern vertrauen, wie Umfragen ergeben. Auch die Republikaner tragen eine Mitschuld an diesen niederschmetternden Werten, sie haben in den vergangenen Jahren fleißig Falschinformationen verbreitet: sei es über Coronamaßnahmen, die Zuverlässigkeit von Wahlen und die Vorgänge beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021.
Donald Trump: FBI hat Pässe mitgenommen
Dass nun das FBI auch von konservativer Seite diskreditiert wird, hat auch mit der speziellen Rolle der Bundespolizei zu tun: Denn das Federal Bureau of Investigation ist Polizei, Strafverfolgungsbehörde und Inlandsgeheimdienst in einem und untersteht einem politisch geführten Ministerium. Soviel Machtfülle wird offenbar nun auch jenen suspekt, die eigentlich kraftvolle Sicherheitskräfte bevorzugen. Und der Ex-Präsident ist auch keine Hilfe, Zweifel an der Institution zu zerstreuen: Auf seiner Plattform "Truth Social" beschuldigte er das FBI, "wissentlich" Material aus seinem Anwesen Mar-a-Lago mitgenommen habe, das sie nicht hätte mitnehmen dürfen. Darunter auch seine Reisepässe. Beweise für diese Behauptung aber blieb er schuldig.
Blaulicht und Protest – Eindrücke von der Razzia bei Donald Trump
Gemäßigte Republikaner befürchten bereits, dass die radikalen "Defund the FBI"-Rufe bei den anstehenden Zwischenwahlen im Herbst viele konservative Wähler vergrätzen könnten. "Der Kampf gegen Kriminalität zieht immer bei Republikanern, das Thema sollten sie nicht aufs Spiel setzen", mahnt etwa Politikberater Alex Conant auf der US-Seite Axios.
Quellen: "Washington Post", Kevin McCarthy auf Twitter, "Newsweek", "Axios"