Türkei Bergsteiger kehren heim

Von Ayten Öztürk, Istanbul
Die Geiseln aus Bayern sind aus den Händen der kurdischen Arbeiterpartei PKK befreit und auf dem Rückweg nach Deutschland. Ihr Gesundheitszustand sei unbedenklich, hieß es aus der Türkei. Die drei Männer sollen am frühen Abend in München eintreffen.

Die drei in der Türkei freigelassenen deutschen Bergsteiger sind auf dem Rückflug nach Deutschland. Die Männer seien am Flughafen von Ankara in eine Maschine nach München gestiegen, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Es wird damit gerechnet, dass die drei Männer mit dem Lufthansa-Linienflug LH 3361 um 17.35 Uhr in München eintreffen.

Am Flughafen in Ankara waren die Bergsteiger zuvor vom deutschen Botschafter Eckart Cuntz verabschiedet worden. Er sei sehr dankbar und glücklich über die Freilassung, sagte der Botschafter, der Zeit für ein ausführliches Gespräch mit den Ex-Geiseln hatte. Auf Türkisch fügte der Botschafter vor der Presse hinzu: "Lang lebe die deutsch- türkische Freundschaft."

Nach ihrer Ankunft am Münchner Flughafen will Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Bergsteiger in Empfang nehmen. Die Männer waren am 8. Juli auf dem Berg Ararat verschleppt worden.

Zum gesundheitlichen Zustand der ehemaligen Geiseln machte das Ministerium nur ungenaue Angaben. "Es geht ihnen soweit gut", sagte ein Sprecher.

Die Einzelheiten der Befreiung hatte der Gouverneur der Provinz Agri, Mehmet Cetin, geschildert. Sie seien auf einem Hügel am Ararat von den Terroristen der separatistischen Bewegung zurück gelassen worden. Die türkischen Sicherheitskräfte hätten sie seit Tagen umzingelt und in die Enge getrieben. Kurz darauf hätte die örtliche Gendarmerie die drei Deutschen aufgesammelt und sicher in die Provinzstadt gebracht. Dort werden sie einer medizinischen Untersuchung unterzogen, bevor es dann zurück in die Heimat geht.

Helmut H, Martin S. und Lars Holger R. wollten vor zwölf Tagen gemeinsam den biblischen Berg in der Osttürkei in einer Bergsteigergruppe erklimmen. Für sie wurde die Tour zu einem tagelangen Gewaltmarsch durch das unwegsame Berggebiet in Ostanatolien, ständig unter Beobachtung der Geiselnehmer und auf der Hut vor den türkischen Militärs. Sie gerieten zwischen die Fronten eines Krieges, der seit 28 Jahren viele Opfer auf der türkischen und kurdischen Seite eingefordert hat. Die PKK kämpft seit 1984 mit Waffen für die Rechte der Kurden. 1993 wurde sie auch in Deutschland verboten.

Auslöser des Geiseldramas

Für Beobachter war die Schließung des kurdischen Senders Roj TV in Deutschland Anfang Juni der Auslöser des Geiseldramas. Als sich die deutsche Bergsteigergruppe auf den Weg zum Ararat machte, kochten bereits die kurdischen Gemüter in Deutschland und in der Türkei hoch. Schließlich ist Roj TV der Sender, der die kurdischen Interessen wahrnimmt. Der Sender war so etwas wie die Stimme der Kurden auf der ganzen Welt.

"Ein Volk hat das Recht einen Fernsehsender zu haben. Dadurch kann sie ihre Interessen vertreten und ihre Meinung äußern", sagt Mustafa Kara, Nachrichtenchef des Senders Hayat TV. Sein Sender wurde am 16. Juli in der Türkei verboten. Mustafa und seinen Kollegen wird vorgeworfen, Roj TV Bildmaterial zur Verfügung gestellt zu haben. "Absurd", denkt er, "denn Roj TV sendet sogar Bilder des türkischen Staatsfernsehens TRT3, natürlich ohne Erlaubnis". Hayat TV versteht sich als ein freiheitlich-demokratischer Sender, der die Interessen von Minderheiten und der arbeitenden Bevölkerung vertritt, erklärt der 33-jährige Nachrichtenchef.

PKK wollte medienwirksam ihren Kampf vorstellen

Mustafa Kara hat die Geiselnahme intensiv mitverfolgt. Aber die türkischen Medien haben kaum darüber berichtet. Denn die Geiselnahme hatte nur ein Ziel. Die PKK wollte Aufmerksamkeit erregen, medienwirksam ihren Kampf vorstellen und das eingeschlafene Weltgewissen aufrütteln. Deshalb übten die staatstreuen Sender wie immer Zurückhaltung. "Hätte die PKK die Geiseln noch länger in ihrer Gewalt gehalten, hätte die Stimmung umkippen können". Dann wäre die politische Solidarität geschwunden, und die, die noch an eine friedliche Lösung des Konflikts glaubten, hätten enttäuscht der kurdischen Sache ihren Rücken zugekehrt.

Die Geiselnahme hat vor allem den Kurden geschadet, die jegliche Gewalt ablehnen und seit Jahrzehnten für eine friedliche Lösung kämpfen. In der Türkei war die kurdische Sprache lange Zeit verboten und die Existenz eines kurdischen Volkes wurde schlichtweg verleugnet.

"Wieso haben sie die Entführer laufen lassen?"

Für Mustafa Kara ist diese Erklärung des Gouverneurs Mehmet Cetin, die türkischen Sicherheitskräfte hätten die Entführer seit Tagen umzingelt, nicht ausreichend. "Wenn sie die PKK seit Tagen umzingelt haben, wieso haben sie dann die Entführer nicht gleich auch gefasst, wieso haben sie die Entführer dann laufen lassen?"

Für ihn ist der bewaffnete Kampf keine Lösung. Nur mit Eingeständnissen auf beiden Seiten kann es zu einer Friedenslösung kommen. Vor gut 10 Monaten hatte der Heereschef Basbug, der als militärischer Hardliner gilt, ganz überraschend eingestanden, man habe es in all den Jahren nicht geschafft, den Zulauf der PKK zu verhindern. Aber das war wohl nur ein verbaler Ausrutscher in der Karriere des Heereschefs. Denn die Kämpfe gegen die PKK haben seitdem zugenommen. Ungezählte Luftangriffe und eine Bodenoffensive in den Nordirak am Anfang des Jahres folgten. Auch während des Geiseldramas ging das türkische Militär mit aller Härte gegen die PKK-Kämpfer vor. Der türkische Staat macht deutlich, dass er mit Terroristen nicht handelt. Dafür wird ein hoher und blutiger Preis gezahlt: Die Zahl der Toten auf beiden Seiten wird auf über 40.000 geschätzt.

Der kurdische Konflikt ist längst nicht mehr nur ein türkisches Problem. Das hat nicht nur diese Geiselnahme gezeigt. Das war auch das Hauptziel der PKK. In Deutschland werden sie wieder wahrgenommen. Es wird mehr über den Konflikt zwischen der PKK und der Türkei berichtet. In der Türkei werden die Kämpfe weiter anhalten. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Merkel nennt keine Details

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich derweil hoch erfreut über die Freilassung. "Ich bin erstmal erleichtert", sagte sie in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". "Wir werden die Freigelassenen hoffentlich bald sehen und auch in Deutschland wiederhaben." Auf die Frage, ob Lösegeld oder ein politischer Preis gezahlt worden sei, sagte Merkel: "Sie wissen, dass wir alles tun, um die Geiseln frei zu bekommen." Der Krisenstab der Bundesregierung habe eine hervorragende Arbeit geleistet. Weitere Details wollte sie nicht nennen.

AP · Reuters
mit DPA/Reuters/AP