Türkei Großbritannien warnt vor weiteren Anschlägen

Nach der Serie von Selbstmordanschlägen in der türkischen Handelsmetropole Istanbul hat Großbritannien vor weiteren Anschlägen in Land gewarnt.

Der Regierung lägen Informationen vor, nach denen davon auszugehen sei, dass weitere Attentate in der Türkei versucht werden könnten, sagte ein Sprecher des britischen Außenministeriums in London am späten Donnerstagabend. Britische Einrichtungen waren am Donnerstag das Ziel zweier Attentate, nachdem am Samstag bereits Anschläge auf zwei jüdische Gotteshäuser in der Stadt begangen worden waren. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNO) verurteilte den jüngsten Doppelanschlag "mit größtem Nachdruck" als Gefährdung des Friedens und der Sicherheit. Experten warnten davor, dass die engen Bindungen der Türkei an die USA und Israel das Land zu einer Front im Kampf gegen den internationalen Terrorismus mache.

Die Regierung habe ihre Reisehinweise verschärft und rate britischen Bürgern derzeit von Reisen in große türkische Städte ab, sagte der Ministeriumssprecher weiter. Zu den vorliegenden Warnungen nannte er keine Einzelheiten. "Wir können nicht darauf eingehen, auf welcher Art von Informationen unsere Einschätzung basiert", sagte er.

Bekenneranruf eingegangen

Bei den Attentaten auf das britische Konsulat und eine britische Bank waren am Morgen mindestens 27 Menschen getötet und rund 440 verletzt worden. Unter den Toten ist auch der britische Generalkonsul in Istanbul, Roger Short. Am Samstag waren bei einem gleichartigen Doppelanschlag auf zwei jüdische Gotteshäuser in der Stadt mindestens 25 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt worden. Als Täter dieser Anschläge wurden türkische Moslem-Extremisten identifiziert, von denen vermutet wird, dass sie Verbindungen zur Extremisten-Organisation El Kaida haben. Im Namen dieser Gruppe bekannte sich ein Anrufer bei der Nachrichtenagentur Anatolien zu den Taten am Donnerstag.

Der UNO-Sicherheitsrat rief am Abend in New York alle Staaten zur Zusammenarbeit auf, um diejenigen der Gerechtigkeit zuzuführen, die "diese Terrortaten begehen, organisieren und unterstützen". UNO-Generalsekretär Kofi Annan hatte zuvor bereits wie zahlreiche Staats- und Regierungschefs sein Entsetzen ausgedrückt.

Experten: Irak-Feldzug hat Region weiter polarisiert

Nach Einschätzung von Experten verfolgen Moslem-Extremisten mit den Anschlägen in der Türkei möglicherweise ein doppeltes Ziel: "Das sind Anschläge auf Länder oder Einrichtungen, die mit den USA verbündet zu sein scheinen", sagte Soner Cagaptay, Direktor der Türkei-Studien am Washingtoner Institut für Nahost-Politik. Mit ihrem Irak-Feldzug hätten die USA und Großbritannien die westlichen Interessen schwer beschädigt "und die Region weiter polarisiert", sagte Politikprofessor Fawaz Gerges dem US-Nachrichtensender CNN. Die El Kaida und andere gewalttätigen Gruppen versuchten nun das Gefühl des Zorns darüber für ihren Krieg gegen die USA, Großbritannien, aber auch gegen moslemische Staaten auszunutzen.

Cagaptay geht davon aus, dass die jüngste Serie auch als spezielle Strafe für die säkulare moslemische Demokratie der Türkei gedacht ist. Die Anschläge richteten sich auch gegen die pro-westliche, säkulare und demokratische Ausrichtung des Landes, wie sie von den türkischen Eliten seit Jahrzehnten betrieben werde.

Türkische Behörden: Vier Briten unter den Toten der Anschläge

Nach den blutigen Autobombenanschlägen gehen die Untersuchungen der Ermittler mit Hochdruck weiter. Die Istanbuler Polizei setze alles daran, auch diese beiden Terroranschläge in kürzester Zeit aufzuklären, sagte der Gouverneur der Zwölf-Millionen-Stadt, Muammer Güler, in der Nacht zum Freitag. Auskunft über eventuelle Festnahmen wollte er nicht geben. Nach den vorangegangenen Selbstmordanschlägen auf zwei Synagogen hatte die Polizei türkische Islamisten als Attentäter identifiziert. Fünf mutmaßliche Helfer waren in Untersuchungshaft genommen worden.

Unter den 27 Toten der jüngsten Anschläge sind nach Angaben des Gouverneurs 4 britische Staatsangehörige, darunter Generalkonsul Roger Short. Bis auf drei seien auch alle anderen Todesopfer identifiziert. Außerdem gebe es noch Leichenteile, möglicherweise von den Selbstmordattentätern. Von den 450 Verletzten werden noch knapp 50 in verschiedenen Krankenhäusern der Stadt behandelt, einige von ihnen auf der Intensivstation.

Der britische Außenminister Jack Straw hatte sich noch in der Nacht einen ersten Eindruck von den Verwüstungen der Bombenanschläge verschafft und sich über die Ermittlungen unterrichten lassen.