Seit 2002 hat Recep Tayyip Erdogan nur gewonnen, ist nur immer mächtiger und selbstbewusster geworden. Vergangenes Jahr ließ er sich, zuvor Premierminister, zum Präsidenten wählen. Als Erster direkt vom Volk. 52 Prozent, Sieg im ersten Wahlgang.
Er hat das Land umgestaltet, hat die Türkei zu seinem Land gemacht: islamischer, wohlhabender und immer autoritärer. Den Weg wollte er als Präsident weitergehen, eine neue Verfassung sollte ihm dazu die Vollmachten gemacht. Vorbei. Die Verfassung wird bleiben, seine Partei kann nicht einmal mehr allein regieren. Zum ersten Mal. Sie braucht einen Koalitionspartner, findet sie keinen, gibt es Neuwahlen.
Das Volk sah den 1150-Zimmer-Palast
Erdogan hat sich überschätzt, er dachte, die Türken würden ihm einfach folgen. Aber die Türken waren mehrheitlich gegen einen starken Präsidenten. Sie sehen seinen neuen 1150-Zimmer-Palast und die Korruption. Vor allem aber sehen sie eine kaum noch wachsende Wirtschaft.
Erdogan hat das Momentum verloren: Früher war er ein Gewinner, er konnte gar keine Fehler machen; wenn, dann wurden sie ihm verziehen. Jetzt ist er ein Verlierer. Er kämpft wie früher, aber er hat keinen Erfolg mehr. Es will ihm nichts mehr gelingen.
Nachdem er Präsident wurde, bestimmte er allein seinen Nachfolger als Regierungschef: seinen früheren Berater und Außenminister Ahmet Davutoglu. Den sollten die Türken nun wählen, so wie sie früher Erdogan gewählt hatten. Es funktionierte nicht. Davutoglu ist kein Idol wie es Erdogan früher war, er ist kein Wahlkämpfer wie er. Er war den ganzen Wahlkampf über in der Defensive. Erdogan hat versucht, die Wähler zu steuern. Doch die haben sich widersetzt.
Kommt jetzt die Koalition mit den Rechten?
Eine mögliche Koalition ist nun eine mit der MHP, den rechtsradikalen Nationalisten. Deren Vorsitzender ist für die Wiedereinführung der Todesstrafe, damit der Staat den Kurdenführer Abdullah Öcalan, seit Jahren im Gefängnis, hinrichten kann. Der Aussöhnungsprozess mit den Kurden, auch mit den Armeniern, wäre vorüber.
Eine islamistische und eine rechtsradikale Partei könnten bald das Land regieren. Diese Wahl war ein Sieg für die Demokratie. Und vielleicht ist es eine Wahl mit bitteren Folgen für die Türkei.