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Flucht aus der Ukraine "Wir sind schwarz, das ist es": Studierende beklagen Rassismus an der Grenze zu Polen

In einer Warteschlange stehen zwei dunkelhäutige Männer in Winterkleidung
Menschen aus Afrika oder mit afrikanischen Wurzeln beklagen, dass sie an der Grenze von der Ukraine zu Polen – hier am Kontrollpunkt Schegyni – länger aufgehalten werden als Menschen aus Europa
© Emmanuel Duparq / AFP
Schwarze Menschen haben es nach eigenen Angaben deutlich schwerer, aus der Ukraine über die Grenze nach Polen zu kommen. Doch beide Staaten bestreiten den Rassismus-Vorwurf.

Jean-Jacques Kabeya ist wütend: Wie andere ausländische Studenten in der Ukraine ließen ihn die Grenzbeamten nicht ausreisen. "Sie sagten mir: 'Du wirst mit uns kämpfen, du gehst nicht weg – schon gar nicht als Schwarzer'", erzählt der 30-Jährige aus der Demokratischen Republik Kongo. Kabeya studierte Pharmazie in Charkiw im Osten des Landes. Als die russischen Angriffe begannen, floh er nach Westen und erreichte am Sonntagabend den Kontrollpunkt Schegyni an der Grenze zu Polen. 

Doch die ukrainischen Soldaten und Sicherheitsbeamten wiesen ihn zurück. Andere Studierende aus Afrika, Asien und dem Nahen Osten berichten der Nachrichtenagentur AFP ebenfalls von rassistischer Diskriminierung auf der Flucht.

36 Stunden vergebliches Warten

36 Stunden habe er vergeblich darauf gewartet, nach Polen durchgelassen zu werden, sagt Kabeya. Schließlich kehrte er zurück zum 70 Kilometer entfernten Bahnhof in Lemberg, wo er sich einer Gruppe von Landsleuten anschloss. "Es ist eine Katastrophe", sagt der Student. Einen Ausweg aus dem Krieg hat er immer noch nicht gefunden.

Die Ukraine ist ein beliebtes Ziel für ein Auslandsstudium. Etwa 16.000 afrikanische Studierende leben nach Angaben der südafrikanischen Botschaft dort.

Hunderte warten und warten an der Grenze

Am Grenzübergang Schegyni standen am Dienstag immer noch mehrere hundert Menschen aus Pakistan, Indien, Algerien, der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun, Ghana und Algerien und warteten in einer Schlange verzweifelt darauf, passieren zu dürfen. Für einige war es nach eigenen Angaben bereits die vierte Nacht im Freien bei Temperaturen von bis zu minus zehn Grad.

Die zweite Warteschlange auf der anderen Straßenseite ist für Ukrainer reserviert – hauptsächlich Frauen und Kinder, da die meisten Männer zum Kämpfen zurückbleiben müssen. Diese Schlange bewegt sich schneller.

"Weil wir Ausländer sind, behandeln sie uns wie Hunde", sagt Mesum Ahmed, ein 23-jähriger Informatikstudent aus Pakistan. "Wir haben hier auf dem Bürgersteig geschlafen, aber den Ukrainern ist das völlig egal", empört er sich.

"Wir sind schwarz, das ist es"

Um den Hals trägt er ein Reiseschlafkissen. "Man kann gut sehen, was uns unterscheidet", pflichtet ein junger Nigerianer Ahmed bei. "Wir sind schwarz, das ist es." Die einzige Unterstützung bekommen die Studenten von den Freiwilligen, die sie mit heißen Getränken und belegten Broten versorgen.

Eine Gruppe von etwa 30 Studenten aus Kamerun lebte bis vor wenigen Tagen in Kirowograd in der Mitte des Landes. Dort hätten sie nie Rassismus erlebt, berichten sie. Aber mit Kriegsbeginn habe sich das geändert, sagt Bryan Famini. 

"Auf den Bahnhöfen und in den Zügen wurden wir systematisch von den Sitzplätzen ferngehalten", sagt der 22 Jahre alte Wirtschaftsstudent. "Einige Ukrainer machten sich sogar aus ihren Autos heraus über uns lustig, als sie uns laufen sahen", sagte der gleichaltrige Ghislain Weledji. "Ich bin von diesem Land enttäuscht", fügte er hinzu. "Ich werde nicht zurückkommen."

Polen und Ukraine bestreiten Rassismus-Vorwürfe

Der ukrainische Grenzschutz bestreitet jedwede Diskriminierung. "Niemand wurde an der Ausreise aus der Ukraine gehindert", hieß es in einer Mitteilung auf Anfrage von AFP. Es habe keine Beschwerden gegeben. Jeder, der aus der Ukraine fliehe, sei unabhängig von seiner Nationalität willkommen, heißt es auf polnischer Seite.

stern-Reporter Jonas Breng schildert Lage an Polens Grenze wegen Krieg zwischen Russland und Ukraine

Die Afrikanische Union zeigte sich besorgt über die offenbar "schockierend rassistische" Behandlung ausländischer Studenten an den ukrainischen Grenzen. Manche Länder teilten mit, einige ihrer Staatsbürger hätten die Ukraine inzwischen verlassen können. Regierungen von Südafrika bis zur Demokratischen Republik Kongo bemühen sich, ihren Bürgern zu helfen. Manche entsandten Diplomaten an die ukrainische Grenze, um die Studenten bei der Ausreise zu unterstützen.

tkr / Emmanuel Duparq und Thibaut Marchand AFP

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