Unabhängige Berichterstattung TV Dozhd berichtet als letzter freier Sender über den Krieg – nun schaltet der Kreml ihn in Russland ab

Einblick in den Newsroom von TV Dozhd.
Einblick in den Newsroom von TV Dozhd. Der unabhängige Fernsehsender wurde nun von der Medienaufsicht blockiert.
© Denis Kaminev/ / Picture Alliance
Ein Krieg in der Ukraine? In russischen Staatsmedien ist das ein Unwort. Der TV-Sender Dozhd berichtet aber ausführlich über die russische Invasion ins Nachbarland. Er gehört zu den wenigen verbliebenen unabhängigen russischen Medien. Jetzt schaltet ihn die russische Medienaufsicht ab.

"Militärische Spezialoperation" – das ist die offizielle Bezeichnung in den russischen Staatsmedien für den Angriff Russlands auf die Ukraine. Begriffe wie "Krieg", "Angriff" oder "Invasion" sind strengstens untersagt, bei Verstößen drohen Medienunternehmen hohe Geldstrafen. Als letzte unabhängige TV-Station widersetzte sich TV Dozhd bis zuletzt den Vorgaben der russischen Medienaufsichtsbehörde Roskomnadzor und berichtete darüber, was wirklich in der Ukraine passierte: eine Invasion durch das russische Militär – ganz zum Missfallen von Kremlchef Wladimir Putin.

Doch damit ist jetzt Schluss, zumindest auf dem Gebiet der Russischen Föderation: Am Montag wies die Generelstaatsanwaltschaft die Medienaufsicht an, den Sender zu blockieren und die Webseite abzuschalten. Das gleiche Schicksal ereilte den liberalen Radiosender "Echo Moskau", dessen Sender gesperrt wurde. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Sendern "Fake News" sowie "Aufrufe zum Extremismus und Gewalt" vor.

TV Dozhd noch auf Youtube abrufbar

TV Dozhd erreicht nach eigenen Angaben bis zu 25 Millionen Menschen täglich, die Berichterstattung auf YouTube ist in Deutschland auch weiterhin zu sehen. "Es gibt einen bestimmten Teil der Bevölkerung, der den Krieg unterstützt. Weil es sich mit der Vorstellungen deckt, wie sie leben wollen. Oder, weil ihnen in den vergangenen Jahren von der russischen Propaganda das Gehirn gewaschen wurde", erklärte Dozhd-Chefredakteur Tychon Dzyadko am Montagabend in der ARD. Er sei aber davon überzeugt, dass diese Personengruppe nicht die Mehrheit sei.

Der ehemalige russische Schachweltmeister und Putin-Kritiker Garry Kasparow fand auf Twitter kritische Wort zur Abschaltung der beiden Sender. "Putin erhöht den Nachrichtenmangel in Russland, um in der Ukraine weitere Gräueltaten vorzubereiten", warf der im Exil lebende Kasparow dem Kremlchef vor. Er bekräftigte, wie wichtig es nun sei, schnell zu handeln und Russland vom internationalen Geldverkehr abzuschneiden. "Keine Übergangsfristen! Lasst sie nicht das Geld in ihre Kriegskassen und Geheimkonten überweisen", forderte Kasparow.

"Big Tech"-Unternehmen schränken russische Propaganda ein

Die Entscheidung Russlands, verstärkt gegen unabhängige Medien vorzugehen, kommt nicht unerwartet. Ebenfalls am Montag wurde ein Gesetzentwurf vorgestellt, der es Personen verbietet, Informationen zu teilen, die nicht vorher durch Russland verifiziert wurden. Bei Verstößen gegen diese Regel drohen bis zu 15 Jahren Gefängnis. Zuvor war von russischer Seite auch bereits der Zugang zu Twitter eingeschränkt worden, in dem Kurznachrichtendienst ließen sich Informationen nur noch verzögert abrufen. Auch Facebook kann nur noch eingeschränkt genutzt werden.

In den vergangenen Tagen waren die großen Tech-Unternehmen verschärft gegen russische Propaganda im Netz vorgegangen. Bereits am Sonntag hatte die Europäische Union ein Verbot der Sender RT und Sputnik verkündet. Facebook-Muttergesellschaft Meta kündigte daraufhin am Montag an, den Zugang zu RT und Sputnik in der Europäischen Union zu beschränken, den Staatsmedien ist Werbung untersagt. Google-Mutterkonzern Alphabet sperrte derweil die beiden Sender auf Youtube. Auch Technik-Riese Apple reagierte und entfernte alle Apps russischer Staatsmedien aus dem App Store. (Mehr dazu lesen Sie hier)

Quellen: ARD, Spiegel, dpa