Big-Tech Google Maps zeigt in der Ukraine keine Staus mehr, Starlink-Schüsseln kommen per LKW: Wie sich die Tech-Riesen in den Krieg einmischen

Die Logos von Apple, Twitter, Starlink und Google auf den Flaggen von Russland und der Ukraine
Wie beeinflussen Tech-Riesen wie Apple, Google und Co. den Krieg in der Ukraine?
©  Barks_japan / Montage: stern / Getty Images
Der Krieg in der Ukraine findet nicht nur in der Luft, zur See und auf dem Boden statt: Auch das Internet ist Austragungsort des Konflikts. Und während die ganze Welt zuschaut, mischen sich Google, Meta und Co. in den Konflikt ein.

Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist ein Krieg auf vielen Ebenen. Während die Soldaten der ukrainischen Armee den russischen Invasoren mit Gewehren und Panzern Gegenwehr leisten, formiert sich im Internet ein ganz anderer Widerstand. Auch als Antwort auf die Hilferufe des ukrainischen Vizepremiers und Ministers für digitale Transformation, Mychajlo Fedorow, mischen sich internationale Technik-Konzerne mit eigenen Maßnahmen gegen Russland in den Konflikt ein.

Das Twitter-Profil von Fedorow ist ein aktiver und äußerst vielfältiger Nebenschauplatz des Krieges geworden. In regelmäßigen Abständen verkündet der ukrainische Politiker, welche Konzerne er um Hilfe bittet und was er konkret fordert. Zumeist geht es um das Abschalten von Diensten für Russland oder Hilfe für das eigene Land.

So bat er Apple, Meta, Google, Netflix, Youtube, Twitter, Rakuten, Visa, Mastercard, Paypal und sämtliche Handelsplätze für Krypto-Währungen um die Abschaltung der jeweiligen Dienste in Russland, Elon Musk und sein Satelliten-Internet SpaceX ersuchte er um Hilfe bei der Erhaltung der digitalen Infrastruktur durch Satelliten und Empfangsstationen. Wenig überraschend, und wohl auch, weil alle Anfragen an die Konzerne öffentlich erfolgten, reagierten bereits viele Tech-Riesen mit entsprechenden Maßnahmen.

Blackout in Russland

Äußerst erfolgreich ist die Ukraine mit ihren Bitten um eine Abschaltung oder Einschränkung von digitalen Dienstleistungen. Google schob russischer Propaganda in der Ukraine unlängst einen Riegel vor und blockierte die Youtube-Kanäle von Russia 24, TASS und RIA Novosti. Zusätzlich entfernte Youtube nach eigenen Angaben zahlreiche Videos, die nach Ansicht der Moderatoren gezielte Falschinformationen enthielten. Auch das Buchen von Anzeigen, um sich in Suchergebnissen nach vorne zu drängeln, ist vielen russischen Anbietern untersagt und die App des russischen Staatsmediums RT verschwand aus dem ukrainischen Play Store.

Außerdem verweigert Google russischen Medien die Monetarisierung, sodass diese durch Youtube oder auf ihren Webseiten keine Werbeeinnahmen mehr generieren können, wobei der Effekt des finanziellen Schadens durch Entmonetarisierung, anders als bei Influencern, dem russischen Staat nur symbolischen Schaden zufügen dürfte.

Bei Twitter und Facebook wird es für die russischen Medien ebenfalls eng. Auf Facebook erhielten Nutzer aus der Ukraine besondere Schutzmaßnahmen für ihre Zugänge, staatlichen Medien aus Russland dagegen wurde ein Maulkorb gegen Propaganda und Falschmeldungen verpasst, die Seiten der russischen Nachrichtenportale RT und Sputnik sperrte Meta in der EU sogar gänzlich. Eine komplette Abschaltung der Netzwerke auf Landesebene komme für Meta jedoch nicht in Frage, so Unternehmens-Vizepräsident Nick Clegg. Man wolle die zahlreichen Proteste der russischen Bevölkerung nicht einschränken.

Twitter hingegen untersagte Buchungen von Werbung durch Russland und die Ukraine um die wichtigen Kommunikationswege nicht unnötig mit bezahlten Einblendungen zu blockieren. Ferner schütze man wichtige Accounts vor Missbrauch, blende weniger unbekannte Accounts auf der Startseite ein und helfe bei der Nutzung in den aktuellen Krisengebieten. Regierungsnahen russischen Medien verpasste man kurzerhand eine gut sichtbare Kennzeichnung.

Google Maps ohne Verkehr, Pornhub weiterhin erreichbar

Eine ganz andere Form der Abschaltung beliebter Dienste führte Google Maps derweil durch: Aus Sicherheitsgründen deaktivierte der Google-Mutterkonzern Alphabet die Anzeige von Verkehrsinformationen für die Ukraine ebenso wie sämtliche Angaben, wie gut besucht bestimmte Orte aktuell sind. Experten hatten den Konzern darauf hingewiesen, dass durch die bloße Anzeige von zum Beispiel Staus zu ungewöhnlichen Uhrzeiten Rückschlüsse auf Truppenbewegungen und Fluchtrouten möglich seien.

Netflix, Apple, Paypal, Mastercard und Visa haben bislang nicht mit Sanktionen oder Einschränkungen reagiert. Eine Falschmeldung, die im Netz für große Freude sorgte, gab es unter den Meldungen ebenfalls: Anders als berichtet, schränkte die Erotik-Plattform Pornhub ihren Dienst in Russland bisher nicht ein.

Internet aus dem All, kostenlose SMS

Ein besonderer Dank der Internetgemeinde ging am Wochenende an US-Milliardär Elon Musk. Nur wenige Stunden, nachdem Fedorow sich an den Tesla-Chef und SpaceX-Gründer wandte, verkündete Musk die Verfügbarkeit des Satelliten-Internet-Dienstes Starlink in der Ukraine und versprach, die nötigen Basisterminals zu liefern. Damit hätte Musk einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Internetverbindung der Ukraine geleistet, sollte es Russland gelingen, das Land von den üblichen Kommunikationswegen abzuschneiden.

Spannend ist auch zu sehen, wie Elon Musk den Transport der Satellitenschüsseln, die zum Empfang der Starlink-Verbindung zwingend benötigt werden, in nur wenigen Tagen offenbar bewältigt hat. Üblicherweise verschickt Starlink die Bodenstationen via UPS, doch sowohl der United Parcel Service als auch Fedex kündigten an, Russland und die Ukraine derzeit nicht zu beliefern. Die Lösung: Starlink hat wohl ganze LKW-Ladungen organisiert, die das Land trotz aller Widrigkeiten erreichen. Zumindest zeigte Minister Fedorow Bilder eines solchen Transports.

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Solange die Verbindungen noch stehen, helfen auch die Deutsche Telekom und Vodafone. Die Roaming-Gebühren in der Ukraine entfallen derzeit gänzlich, SMS und Telefonate in das Land sind kostenfrei. Das gilt auch für die Telekom-Tochter Congstar.

Russland wehrt sich

An den Tech-Konzernen und Menschen geht der virtuelle Krieg auf keinen Fall spurlos vorbei. Zwar wird jede Maßnahme gegen die russische Regierung in den sozialen Netzwerken beklatscht, Putin und Co. bleiben aber nicht untätig, was Gegenmaßnahmen betrifft. Die Nachrichtenagenturen berichten bereits, dass der Zugriff auf Twitter und Facebook in Russland gedrosselt werde und es für russische Bürger immer schwerer werde, auf die Plattformen zuzugreifen. Unter dem Vorwand der Zensur durch US-Konzerne geht man dort gegen die Webseiten vor.

Experten wie der Rechtsprofessor David Kaye von der UC Irvine in Südkalifornien warnen davor, dass einige Maßnahmen der Regierung weniger schaden würden als den Menschen in Russland. Das bestätigt auch ein Blick in die sozialen Netzwerke, wo die Angst, zum Beispiel Paypal nicht mehr nutzen zu dürfen, groß ist.

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