Ist es ein weiteres zynisches Spiel von Russlands Präsident Wladimir Putin? Just einen Tag nach der Vereinbarung über die Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer hat Russland nach Angaben aus Kiew den Hafen von Odessa mit Raketen beschossen. "Gestern wurde der Export über den Seeweg vereinbart, und heute greifen die Russen den Hafen von Odessa an", teilte der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, am Samstag mit. Russland bombardiere die Hafenstadt. Nach ukrainischen Militärangaben wurden zwei russische Raketen von der Luftabwehr abgefangen, zwei weitere seien im Handelshafen eingeschlagen, hieß es. Dabei soll nach Angaben der ukrainischen Armee eine Getreidverarbeitungsanlage getroffen worden sein. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben der Kriegsparteien nicht.
Russland hatte am Freitag in dem Abkommen zugesichert, die Schiffe über einen Seekorridor fahren zu lassen und nicht zu beschießen. Auch die beteiligten Häfen dürften nicht angegriffen werden. Jermak warf Russland "Hunger-Terror" vor. "Die Welt muss handeln." Nötig seien "effektive Sanktionen gegen Rusland und mehr Waffen für die Ukraine".
Ukraine: Putin "spuckt" Guterres und Erdogan ins Gesicht
Der Raketenbeschuss werfe Zweifel auf an dem Abkommen über die Ausfuhr von Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine, sagte der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleh Nikolenko. Mit seinen Raketen "spuckt" der russische Präsident Wladimir Putin dem UN-Generalsekretär António Guterres und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ins Gesicht. Die beiden hätten große Anstrengungen unternommen, um das Abkommen zu erreichen.
Die Ukraine rufe die Vereinten Nationen und die Türkei auf, Russland zur Einhaltung des Abkommens zu drängen, sagte Nikolenko. Sollte das Abkommen nicht umgesetzt werden, trage Russland die Verantwortung für die globale Lebensmittelkrise. Rund 20 Millionen Tonnen Getreide will die Ukraine ausführen.
Göring-Eckardt in Odessa: Was ist russische Unterschrift noch wert?
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) schrieb bei Twitter: "Das ist so furchtbar. Gestern so viel Hoffnung wegen des Abkommens. Heute Angriffe auf #Odesa. Gestern bin ich im #Hafen gewesen, durch die Stadt gelaufen, mit so vielen geredet, einem Hochzeitspaar gratuliert. Hoffe so sehr, es geht allen gut. Was ist die Unterschrift noch wert?"
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) twitterte ebenfalls: "Gestern: Erdogan vermittelt #graindeal mit Putin. Heute: (russische) Raketen auf #Odessa. Wäre gut und wichtig, wenn Getreide übers Schwarze Meer rauskommt. Sehe es aber wie mein (ukrainischer) Amtskollege Mykola Solskyj: Brauchen permanente Alternativ-Route für ukrainisches Getreide."
Guterres: Alle Parteien hatten sich klar verpflichtet
UN-Generalsekretär Guterres, der sich für das Getreideabkommen eingesetzt hatte, verurteilte den Raketenbeschuss des Hafens ebenfalls. Am Freitag hätten sich alle Parteien auf globaler Ebene klar verpflichtet, den sicheren Export ukrainischen Getreides zu gewährleisten, betonte Guterres. "Die vollständige Umsetzung durch die Russische Föderation, die Ukraine und die Türkei ist zwingend erforderlich", sagte er laut einer Mitteilung.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb bei Twitter: "Einen Tag nach der Unterzeichnung der Abkommen von Istanbul ein für den Getreideexport entscheidendes Ziel zu treffen, ist besonders verwerflich und zeigt erneut Russlands völlige Missachtung des Völkerrechts und der Verpflichtungen".