Ukraine-Krieg Angeblicher Kriegsheld: "Geist von Kiew" ist wohl nur eine Legende – für die Ukraine könnte er dennoch eine wichtige Rolle spielen

MiG-29 der Ukraine
Ein ukrainisches MiG-29-Flugzeug, hier bei einer Übung 2018
© StockTrek Images / Imago Images
Er soll mindestens sechs russisches Flugzeuge abgeschossen haben: Ein ukrainischer Kampfpilot wird als Kriegsheld gefeiert. Dabei gibt es weder Hinweise auf seine Existenz noch für die Richtigkeit der Geschichte.

Der Krieg in der Ukraine läuft erst seit wenigen Tagen, doch bereits jetzt ist die Lage extrem unübersichtlich. Vor allem in den sozialen Medien kursieren von beiden Seiten Videos und Informationen, deren Echtheit oft nur schwer zu überprüfen ist – und mit denen sowohl die Ukraine als auch Russland ihre Agenda im eigenen Land wie auch im Ausland verfolgt.

Ein großes Thema unter den Ukrainern war in den ersten Tagen des Krieges der sogenannte "Geist von Kiew". Dahinter steckt ein nicht näher identifizierter ukrainischer Kampfpilot, der innerhalb nur eines Tages mit seinem Kampfflugzeug mindestens sechs russische Flieger abgeschossen haben soll. Er soll eine MiG-29 fliegen. Auf Twitter verbreiten sich Videos, die entsprechende Kampfszenen zeigen sollen. In der Ukraine – einem Land, das sich mit allen Mitteln verzweifelt gegen den Angriff des Nachbarn stemmt – gilt der Pilot bereits als Held. Doch vieles spricht dafür, dass die Geschichte gar nicht stimmt.

Ukraine-Krieg: Videos des "Geist von Kiew" stammen aus Computerspiel

Die Identität des Piloten ist nach wie vor unbekannt. Beweise dafür, dass ein einzelner Pilot tatsächlich so viele russische Kampfflugzeuge ausgeschaltet hat, existieren ebenfalls nicht. Im Gegenteil: Die Videos, die im Internet kursieren und den "Geist von Kiew" in Aktion zeigen sollen, scheinen gefälscht zu sein. Ein entsprechender Clip stammt aus dem Videospiel "Digital Combat Simulator", einem Kampfflug-Simulator. Auf Twitter hingegen werden die Szenen als Realität verkauft.

Daran beteiligen sich auch namhafte Ukrainer und die Regierung. Der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko veröffentlichte auf Twitter ein Foto, das angeblich den heldenhaften Piloten in seiner Flugmontur zeigen soll. "Mit solch starken Verteidigern wird die Ukraine definitiv siegen", schrieb Poroschenko dazu.

Und auch das ukrainische Verteidigungsministerium nahm auf Twitter zumindest auf die Erzählung Bezug. In einem Tweet meldete das Ministerium die Rückkehr von zahlreichen Kampfpiloten, die zuvor aus der Reserve entlassen wurde. "Wer weiß, vielleicht ist einer von ihnen der Geist in der MiG-29, den die Kiewer so oft sehen", hieß es.

Belagerung von Kiew: Die Ukraine braucht einen Helden

Dem Piloten wäre sein Platz in der Geschichte sicher: Er wäre das erste Fliegerass des 21. Jahrhunderts. Diesen Titel erhalten Kampfpiloten, die bei Jagdeinsätzen fünf feindliche Flugzeuge vom Himmel holen. Dafür, dass dies wirklich geschehen ist, gibt es in diesem Fall derzeit nur sehr wenige Anzeichen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem "Geist von Kiew" lediglich um eine Legende – aber eine, die im Krieg durchaus ihre Aufgabe erfüllen könnte. Schon jetzt wird der vermeintliche Held im Internet gefeiert, auf Twitter verbreiten sich Memes, die dem Piloten huldigen. Die Ukraine hat einen unbekannten Superhelden, der der leidenden Bevölkerung Hoffnung macht. 

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Der "Geist von Kiew" trägt dazu bei, das Volk zu einen und das Durchhaltevermögen hochzuhalten für den Krieg, von dem niemand weiß, wie lange er noch dauert und wie viele Verluste er fordern wird. Gerade das scheint es zu sein, was die Bevölkerung nach Ansicht der Regierung in dieser Situation benötigt – unabhängig davon, wie viel Wahrheitsgehalt in der Geschichte steckt. 

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