Ukraine-Krieg "Dieser Wahnsinn muss jetzt gestoppt werden": Wladimir Klitschko meldet sich mit eindringlichem Appell zu Wort

Wladimir Klitschko, hier Anfang Februar nach seiner Registrierung für die Territorialen Verteidigungsbrigaden der Ukraine
Wladimir Klitschko, hier Anfang Februar nach seiner Registrierung für die Territorialen Verteidigungsbrigaden der Ukraine
© Genya Savilov / AFP
Der frühere Boxweltmeister Wladimir Klitschko hat in den sozialen Medien auf den Angriff auf die Ukraine reagiert und dabei auch die Politik des Westen gegenüber Russland und Wladimir Putin scharf kritisiert.

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat sich Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko in den sozialen Medien zu Wort gemeldet. In einem eindringlichen Appell ruft er die Menschen dazu auf, sein Land mit Protestaktionen zu unterstützen. Unter der Überschrift "Keine Demokratie ohne Demokraten" macht der 45-Jährige zudem den Westen mitverantwortlich für die Eskalation des Konfliktes.

Klitschko sieht Russen als Brüder der Ukraine

"Ich schreibe Ihnen aus Kiew, der Hauptstadt eines Landes im Krieg, eines Landes, das von allen Seiten angegriffen und überfallen wird. Es ist nicht 'der Krieg der Ukraine', es ist Putins Krieg", erklärt Klitschko auf Linkedin. Hinter dem "Nebel der letzten Wochen" hätten sich akribische Vorbereitungen verborgen, "um einen Plan in Gang zu setzen, der seit Monaten ausgearbeitet wurde". Jetzt bediene sich Russlands Präsident Wladimir Putin einer "Kriegsrhetorik in reinster bolschewistischer Tradition und schreibt die Geschichte um, um seine Neuaufteilung der Grenzen zu rechtfertigen". Putin mache deutlich, "dass er den ukrainischen Staat und die Souveränität seines Volkes zerstören will. Auf Worte folgen Raketen und Panzer. Zerstörung und Tod kommen über uns. Das war's, Blut wird sich mit Tränen vermischen."

Putin wolle das geopolitische Gleichgewicht in ganz Europa in Frage stellen, er träume davon, der Verteidiger der slawischen Völker zu sein, wo auch immer sie leben, und er wolle ein untergegangenes Imperium wiederherstellen, dessen Untergang er nie akzeptiert habe, fährt Klitschko fort und mahnt: "Dieser Größenwahn hat sehr reale Auswirkungen. Die europäische Lebensweise ist bedroht, die Freiheit der Völker, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, ist bedroht, ebenso wie die Demokratie."

Das ukrainische Volk sei stark, schreibt Klitschko weiter. "Und es wird sich selbst in dieser schrecklichen Prüfung treu bleiben. Ein Volk, das sich nach Souveränität und Frieden sehnt. Ein Volk, das die Russen als seine Brüder betrachtet. Es weiß, dass sie diesen Krieg im Grunde nicht wollen." Die Ukrainer hätten sich für die Demokratie entschieden. Aber die Demokratie sei ein zerbrechliches Regime. "Die Demokratie kann sich nicht selbst verteidigen; sie braucht den Willen der Bürger, das Engagement aller. Im Grunde gibt es keine Demokratie ohne Demokraten."

"Verschaffen Sie der Stimme der Demokratie Gehör"

Der Sohn eines ukrainischen Offiziers und einer ukrainischen Grundschullehrerin richtet auch eine Botschaft an die Zivilgesellschaft: "Hier werden wir uns mit aller Kraft verteidigen und für Freiheit und Demokratie kämpfen", kündigt er an. "Auch Sie können handeln. Lassen wir uns nicht von Angst ergreifen, lassen wir uns nicht erstarren. Putin schieße auf ukrainische Städte, aber er ziele "auf unsere Herzen und, was noch wichtiger ist, auf unsere Köpfe". Der russische Präsident wolle Zweifel und Verwirrung stiften und damit Untätigkeit erzeugen.

"Sie können etwas tun, indem Sie mobilisieren und große Demonstrationen organisieren", erklärt Klitschko. "Verschaffen Sie Ihrer Stimme Gehör. Verschaffen Sie der Stimme der Demokratie Gehör. Sagen Sie laut und deutlich, dass das Völkerrecht und die Demokratie angegriffen werden, dass der Krieg das größte Übel ist und dass das Leben heilig ist."

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Scharfe geht Klitschko mit der Politik des Westen gegenüber Russland und seinem Präsidenten Wladimir Putin ins Gericht: "Dieser Krieg gegen mein Land ist nicht nur das Ergebnis des Wahnsinns eines einzelnen Mannes, sondern auch das Ergebnis jahrelanger Schwäche der westlichen Demokratien", kritisiert der frühere Schwergewichtsprofi  . " Dieser Wahnsinn muss jetzt gestoppt werden, indem die Abschreckungsmaßnahmen verstärkt werden. Unsere Regierungen müssen die Dinge laut und deutlich aussprechen. Wenn Putin mit seinem Plan eines Regimewechsels in Kiew weitermacht, dann müssen die Demokratien auf der ganzen Welt jetzt anfangen, über einen Regimewechsel in Moskau nachzudenken. Bevor es zu spät ist." 

Klitschko hatte sich Anfang Februar angesichts der Bedrohung durch Russland in Kiew als Reservist der Territorialen Verteidigungsbrigade registrieren lassen. Wenn er sehe, dass sein Land in geopolitischen Schwierigkeiten sei, könne und werde er nicht stillstehen, begründete er seinen Schritt. Seine Tochter gehe in Kiew zur Schule und Eltern seien bestrebt, ihren Kindern ein geschütztes Umfeld zu sichern. "Es gibt zwei Möglichkeiten: Man kann weglaufen oder man kann sich der Herausforderung stellen", sagte Klitschko damals. "Meine Wahl war, mich der Herausforderung zu stellen und das Umfeld meiner Familie, meiner Freunde, meiner Verwandten, meiner Tochter zu schützen."

Auch Klitschkos ältere Bruder Vitali, der seit 2014 Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt ist, hatte in einer Talkshow versichert: "Wenn eine militärische Aggression beginnt, dann werde ich ein Sturmgewehr nehmen und für die Ukraine kämpfen gehen."

mad