Dem Westen gelingt es nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling nicht, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Grenzen zu setzen. Mölling sagte am Freitag im stern-Podcast "Die Lage – international", der "politische Wille als auch die militärische Fähigkeit der Nato hängt im Wesentlichen davon ab, dass alle Alliierte in die gleiche Richtung sprechen – zumindest sich nicht widersprechen". Dies sei aber nicht der Fall.
Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik bezog sich damit auf Äußerungen des französischem Präsidenten Emmanuel Macron zum denkbaren Einsatz westlicher Bodentruppen in der Ukraine. Diesen Überlegungen hatten Bundeskanzler Olaf Scholz und andere sofort widersprochen. "Die Allianz ist zur Zeit ganz schlecht mit Blick auf die innere Geschlossenheit", sagte Mölling. "Putin kriegt von uns kein Signal: Bis dahin kannst du gehen, aber auch keinen Schritt weiter." Wenn der Westen rote Linien ziehe, dann nur mit Blick auf die eigenen Handlungsoptionen – etwa indem Bodentruppen oder Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine ausgeschlossen würden.
Podcast: Scholz "in einer Ecke mit lauter roten Linien"
Mölling verwies darauf, dass es zur Abschreckung gehöre, "dass man nicht zu klar sagt, was man alles nicht tut". Im Gegensatz dazu habe sich Scholz "in eine Ecke mit lauter roten Linien zurückgezogen". Nach seiner Einschätzung nutze der Westen seine Möglichkeiten nicht, um der russischen Führung effektiv zu begegnen. "Das sind alles Zeichen, die bei Putin ankommen lassen: Der Westen ist ja für mich eigentlich kein Problem." Wirksame Abschreckung entstehe erst dadurch, dass man dem Kontrahenten deutlich mache, dass er seine Ziele nicht erreichen könne. "Abschreckung funktioniert primär im Kopf", sagte er. "Deswegen ist die Kommunikation der wichtigste Schlüssel."
Putins Drohungen mit einem Atomkrieg in Europa wertete Mölling als Versuch, Unruhe und Uneinigkeit zu schüren. "Putin nimmt dankbar die offengelegten Ängste in unseren Gesellschaften hoch. Er bedroht uns – wissend, dass wir da sofort wieder eine Debatte haben", analysierte der Experte. "Putin ist immer wieder in der Lage, die Ängste zu schüren."
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