Der Sicherheitsexperte Christian Mölling hat die Europäer aufgerufen, nicht aus Angst vor einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus in Schockstarre zu verfallen. Mölling sagte am Freitag im stern-Podcast "Die Lage – international": "Die Frage ist, ob die Deutschen und die Europäer verstehen, dass sie selbst Akteure sind und handeln können." Sie hätten nicht die Möglichkeit, Erfolg oder Niederlage Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen im November zu beeinflussen, "aber sie können sich darauf vorbereiten – da sind wir im Moment unterschiedlich weit". Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik machte zugleich deutlich, dass er eine Wiederwahl Trumps zwar für möglich, aber keineswegs für gesichert halte. Trump stelle sein Comeback als unvermeidbar dar. "Wir kaufen das aus unterschiedlichen Gründen", sagte Mölling. "Gerade amerikanische Kollegen sagen mir aber: Nun warte mal einen Moment ab." Wir sollten nicht unterschätzen, was es bedeute, wenn Trump vor Gericht stehe. "Diese Bilder werden einen Eindruck auf viele Amerikaner machen."
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Unabhängig vom Ausgang der Wahl rechnet der Experte mit neuen Herausforderungen für die Europäer. "Bestimmte Politikrichtungen werden bei Trump wie bei Biden so weiterlaufen wie bisher", erläuterte er. So sei der Konflikt mit China um Taiwans Zukunft zentral für die USA – egal, wer der nächste Präsident werde. Auch in der Technologie- und Industriepolitik erwartete er Kontinuität in der Sache, wenn auch nicht im Stil und im Umgangston.
"Im Verteidigungsbereich ist die EU fast verschwunden"
Diese unterschiedlichen Prioritäten können nach Möllings Einschätzung zu einer Art Arbeitsteilung zwischen Europa und den USA führen: Während sich die Europäer auf Russlands Krieg in der Ukraine konzentrieren, schauen die USA auf China und Taiwan.
Die neuen Anforderungen an die europäische Sicherheitspolitik bedeuteten jedoch nicht, dass die Kooperation unter den EU-Staaten in Verteidigungsfragen dramatisch ausgebaut werde. "Alle Blütenträume, was die Europäische Union alles sein und leisten könnte, sind dahin", sagte Mölling. So rede niemand mehr von einer EU-Armee. Die Union habe große Leistungen bei den Sanktionen gegen Russland erbracht, auch in der Energiepolitik sei sie wichtig gewesen. "Aber im Verteidigungsbereich ist die EU fast verschwunden."