"Ukraine - die Lage" Sicherheitsexperte Mölling sieht keine Chance für Nato-Beitritt der Ukraine

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (l.) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (l.) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
© Efrem Lukatsky / DPA
Beim Nato-Gipfel in Vilnius gibt es ein beherrschendes Thema: Soll die Ukraine in die Nato aufgenommen werden? Und wenn ja, wann? Einen schnellen Beitritt wird es auf keinen Fall geben, meint Sicherheitsexperte Christian Mölling.

Der Sicherheitsexperte Christian Mölling erwartet, dass sich die USA beim Nato-Gipfel in Vilnius mit ihrer Ablehnung eines schnellen Beitritts der Ukraine zum Bündnis durchsetzen werden. Mölling sagte am Dienstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", die westlichen Staaten müssten versuchen, bei der Annäherung der Ukraine an die Allianz einen Schritt weiterzukommen "ohne gleichzeitig die rote Linie der USA überwinden zu können, dass die Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt nicht Mitglied der Nato werden wird". Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik verwies darauf, dass die USA der einzige Akteur seien, der allein militärische Sicherheit garantieren könne. Die Europäer seien dazu nicht in der Lage. US-Präsident Joe Biden strebt eine Sicherheitspartnerschaft mit der von Russland überfallenen Ukraine an, wie sie die USA mit Israel verbindet – also militärische Unterstützung, aber ohne vertraglich geregelte  Beistandspflicht.

Mölling betonte, dass die ablehnende Haltung der USA und auch Deutschlands zu einem raschen Nato-Beitritt der Ukraine nicht neu sei und allen Beteiligten bekannt. Möglicherweise habe die Position der Amerikaner dazu beigetragen, dass andere Staaten sich öffentlich für eine Aufnahme der Ukraine ausgesprochen hätten – in dem Wissen, dass es dazu so bald nicht kommen werde. "Wenn die USA fallen würden, könnte es sein, dass ganz viele andere kommen und sagen: Ah, ich habe es mir nochmal anders überlegt", sagte Mölling. "Das sind typische Verhandlungsdynamiken, dass man sich gut hinter den Großen verstecken kann."

Europäer können in Nato nicht Rolle der USA übernehmen

Die Europäer können aus Möllings Sicht nicht die Rolle der USA als Garant von militärischer Sicherheit übernehmen. "Die Frage von Krieg und Frieden ist eine zutiefst nationalstaatliche Frage, die niemand delegiert", sagte der Experte. Daher aber sei es für die Europäer nahezu unmöglich, gemeinsame Sicherheit herzustellen, die einen Mechanismus beinhaltet, der ohne lange Konsultationen auskommt. "So haben Sie halt in Europa im Vergleich zu den USA ganz viele Kleinstaaten, die sich alle nicht einig sind und deswegen in Summe eine einheitliche Politik unmöglich machen."

Dies bedeute nicht, dass nicht jeder zu einem Politikziel beitragen könne. Die bisherige Entwicklung zeige, dass es zwar eine gemeinsame Sanktionspolitik gebe und auch einen gemeinsamen Topf der Europäischen Union für Unterstützungsleistungen. "Aber wenn wir um die Frage der Verteidigungspolitik uns drehen, sind es individuelle Leistungen", so Mölling. "Jeder hat seine individuelle Pipeline von Unterstützung in die Ukraine gelegt."

tis