Podcast "Ukraine – die Lage" Militärexperte Masala spricht über russische Zermürbungstaktik – Zahl der Flüchtenden könnte sich erhöhen

Luftangriffe Kiew Wasserversorgung
Nach den russischen Terrorangriffen aus der Luft war die Wasserversorgung in Kiew teilweise zusammengebrochen
© Sergej Chuzawkow / AFP
Der Terror der russischen Luftangriffe gegen die Zivilbevölkerung könnte nach Einschätzung des Militärexperten Carlo Masala eine neue Fluchtbewegung aus der Ukraine auslösen.

Der Terror der russischen Luftangriffe gegen die Zivilbevölkerung könnte nach Einschätzung des Militärexperten Carlo Masala eine neue Fluchtbewegung aus der Ukraine auslösen. "Es wird extrem schwierig, wenn nicht Hilfe von außen kommt", sagt der Politikprofessor der Bundeswehruniversität München im stern-Podcast "Ukraine – die Lage". Es sei das Ziel der russischen Kriegstaktik, die Lebensbedingungen der Menschen zu verschlechtern und die Zivilbevölkerung so zu demoralisieren. "Es ist durchaus so, dass es kippen könnte", warnt Masala. Auch wenn es bislang noch keine konkreten Anzeichen dafür gebe, könnten "sich wieder mehr Ukrainerinnen und Ukrainer auf den Weg nach Europa machen".

Luftverteidigung auf Dauer für Ukraine schwierig

Bislang würde durch die westliche Luftabwehrtechnik ein relativ hoher Teil der russischen Raketen abgefangen. Doch seien zu wenige  Systeme in der Ukraine und zudem sei die Menge der mitgelieferten Munition begrenzt. "Lange wird die Ukraine diese Verteidigung nicht aufrechterhalten können", sagt Masala. Unklar sei, ob die russische Seite über genügend Material verfüge, die Terrorangriffe in dieser Intensität fortzusetzen: "Das ist die große Unbekannte."

Die Strategie der Russen sei, die zivile Infrastruktur ins Visier zu nehmen und zugleich ihre Verteidigungsstellungen im Osten und Süden des Landes auszubauen. Wenn Felder und kleine Wege nach dem Winter wieder leichter passierbar seien, könnten sie dann neue Angriffe unternehmen.

Kampf um Getreideausfuhr

Die zurzeit beschränkten militärischen Möglichkeiten sieht Masala auch als eine Ursache für die Aussetzung des Abkommens zum Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer. Er verweist auf den Drohnenangriff auf Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol, dem Hafen der unrechtmäßig annektierten Halbinsel Krim: "Russland muss darauf reagieren", sagt er. Allerdings glaube er nicht, dass der Angriff tatsächlich von zivilen Schiffen aus erfolgt ist, wie die Russen glaubhaft machen wollen.

Die Unterbindung der Getreideexporte habe nun das Ziel, der Ukraine Einnahmen zu nehmen. Masala schließt eine Eskalation des Konflikts nicht aus, zu der selbst der Beschuss von Getreidetransportern gehören könnte. "In diesem Konflikt war einiges nicht vorstellbar, was dann doch geschehen ist", sagt er.

Halbwertszeit von Putins Abmachungen "nicht unbedingt lang"

Wenig Hoffnung hat Masala, dass eine Verhandlungslösung über die Getreidelieferungen dauerhaft tragen würde. Es sei zwar möglich, mit Präsident Wladimir Putin Vereinbarungen in Einzelfragen zu treffen, wenn diese seinen strategischen Interessen entsprächen. Aber die Vergangenheit habe gezeigt, dass Putin sich nicht an Abmachungen gebunden fühle. "Die Halbwertzeit ist nicht unbedingt lang", so Masala

kng