Der künftige Verteidigungsminister muss sich nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling vom Kanzleramt emanzipieren, um Erfolg zu haben. Mölling sagte am Dienstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage": "Das Kanzleramt hat in den letzten Monaten im Grunde das Verteidigungsministerium übersteuert, weil da keine Impulse kamen." Das sei wenig effektiv und müsse beendet werden. "Der neue Verteidigungsminister, die neue Verteidigungsministerin muss sich erstmal vom Kanzleramt emanzipieren. Das wird eine schwierige Aufgabe", erläuterte der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Wörtlich sagte er: "Die Frage ist jetzt, wie kriegt man die Vollblut-Politokraten aus dem Kanzleramt wieder zurückgepfiffen und sagt: So, ich bin jetzt hier Verteidigungsminister oder Verteidigungsministerin."
"Keiner hat Bock"
Zur Herausforderung für die Nachfolgerin der zurückgetretenen Ministerin Christine Lambrecht sagte Mölling: "Die Lücke zwischen Realität und Vision, wo wir eigentlich hinmüssen, ist enorm groß." Um die Aufgabe erfüllen zu können, sei zunächst eine Zusage des Finanzministers nötig, dass der reguläre Verteidigungshaushalt in den kommenden Jahren steigt. Der Spitzenjob im Verteidigungsministerium wird nach Möllings Einschätzung auch dadurch erschwert, dass die Bundeswehrreform eine Aufgabe für sehr viele Jahre sei, aber bereits in relativ kurzer Zeit Fortschritte erkennbar sein müssten. "Sie sind gezwungen, in einem ersten Zwischenschritt in zwei Jahren etwas hinzustellen, wo sie sagen: Damit können wir zumindest in den Wahlkampf gehen." Insgesamt sei die Aufgabe so, dass sie kein Kandidat wolle: "Keiner hat Bock", sagte der Experte. "Dieses Risiko, sich auf diesen Schleudersitz zu setzen, möchte zum jetzigen Zeitpunkt keiner eingehen."
Große Aufgaben für Bundesverteidigungsminister
Mölling sagte, das Verteidigungsministerium müsse die Bundeswehr neu aufbauen, die Ukraine unterstützten und zudem große Zukunftsaufgaben mit den Alliierten angehen. Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro reiche dafür nicht aus. "Zusätzlich 200 Milliarden ist wahrscheinlich das, was man braucht", sagte Mölling zu dem Hinweis der Wehrbeauftragten Eva Högl, dass Experten eine solche Größenordnung ermittelt hätten.