An der Berliner Charité gibt es Zweifel an einer vollständigen Genesung der an einem schweren Bandscheibenvorfall leidenden ukrainischen Oppositionellen Julia Timoschenko. Es sei "nicht auszuschließen, dass bestimmte Störungen für immer bleiben", sagte Timoschenkos behandelnder Arzt von der Charité, Lutz Harms, der "Berliner Morgenpost" vom Montag. Wenn ein Nerv lange Zeit komprimiert sei, könne er am Ende zerstört sein. Die in der Ukraine in Haft sitzende Timoschenko könne ein Bein bislang kaum bewegen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass doch noch eine Operation nötig sei.
Angesichts des schlechten Gesundheitszustands der ukrainischen Ex-Regierungschefin hält Harms es für nahezu ausgeschlossen, dass Timoschenkos Prozessfähigkeit schon wieder hergestellt sein könnte. "Aus ärztlicher Sicht war Julia Timoschenko während meiner Anwesenheit nicht in der Lage, an einem Prozess teilzunehmen", sagte der Neurologe. "Sie war nicht fähig, längere Zeit auf einem Stuhl zu sitzen. Auch der sitzende Transport in den Gerichtssaal wäre ein Problem gewesen", sagte Harms, der Timoschenko im Mai und Juni vor Ort medizinisch betreute.
Amtsarzt soll Timoschenko untersuchen
Zuvor hatte bereits der Leiter der Charité, Karl Max Einhäupl, dringend von einer Teilnahme Timoschenkos an dem derzeit gegen sie anhängigen Prozess abgeraten. Die 51-Jährige beantragte daraufhin, dem Verfahren fernzubleiben und musste deshalb am Montag nicht vor Gericht erscheinen. Ein Gericht beschloss allerdings, dass sich Timoschenko nun von einem Amtsarzt untersuchen lassen muss. Mit dieser Entscheidung folgte der Richter beim zweiten Prozess gegen die 51-jährige Oppositionsführerin einem Antrag der Staatsanwaltschaft.
In dem neuen Prozess, der Mitte April begonnen hatte, werden Timoschenko Steuerhinterziehung und Veruntreuung während ihrer Zeit als Chefin des Staatskonzerns Vereinigte Energiesysteme der Ukraine vorgeworfen. Wegen Amtsmissbrauchs verbüßt sie seit Oktober bereits eine siebenjährige Haftstrafe.