Bei Protesten nach dem schweren Bergwerksunglück im westtürkischen Soma ist es zu Zusammenstößen zwischen Tausenden Bewohnern der Stadt und der Polizei gekommen. Die Sicherheitskräfte feuerten am Freitag Tränengas auf die Demonstranten und setzten massiv Wasserwerfer ein. Dies berichteten vor Ort übereinstimmend Reporter der Nachrichtenagenturen Reuters und AFP.
Beim schwersten Bergwerksunglück in der Geschichte des Landes waren am Dienstag mehr als 300 Kumpel ums Leben gekommen. Kollegen der Opfer und Familienangehörige geben den Behörden und der Regierung in Ankara eine Mitschuld an dem Drama. Sie werfen ihnen vor, die Profitinteressen der Bergwerksbetreiber über Sicherheitsinteressen zu stellen.
Unglücksursache weiter unklar
Auf einem Protest-Transparent war zu lesen: "Keine Kohle kann die Kinder der Väter wärmen, die im Bergwerk gestorben sind." Die Demonstranten hatten versucht, zu einem Denkmal für Bergleute in Zentrum der Stadt zu marschieren, waren aber von der Polizei aufgehalten worden.
Die Ursache der Katastrophe ist auch drei Tage danach unklar. Das Unternehmen wie auch die regierende AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wiesen Vorwürfe mangelhafter Sicherheitsvorkehrungen und Fehlverhaltens zurück. Erdogan steht wegen seines Umgangs mit dem Unglück zunehmend in der Kritik. Ein enger Berater des Regierungschefs hatte in Soma auf einen am Boden liegenden Demonstranten eingetreten, wofür er sich inzwischen entschuldigte. Er habe wegen "Provokationen, Beleidigungen und Angriffen" die Selbstbeherrschung verloren. Erdogan selbst soll laut Medienberichten bei seinem Besuch in Soma auf zwei Betroffene losgegangen sein.
Erdogan-Schläge gegen Mädchen nicht belegt
Dabei soll es sich laut einem Bericht der Zeitung "Evrensel" um ein 15-jähriges Mädchen und einen Bergmann handeln. Wie auch weitere örtliche Medien am Freitag berichteten, soll es sich bei dem Mädchen um die Tochter eines Todesopfers des Grubenunglücks gehandelt haben. Sie habe Erdogan als "Mörder meines Vaters" beschimpft, worauf der Regierungschef handgreiflich geworden sein soll. Zudem habe Erdogan einen Bergmann geschlagen und ihn als "Ausgeburt Israels" beschimpft.
Der Bergmann, Taner Kuruca, bestätigte den Vorfall vom Mittwoch, sagte aber, er wolle keine Strafanzeige stellen, obwohl er auch von den Leibwächtern Erdogans verprügelt worden sei. Erdogan habe die Ohrfeige sicher nicht gewollt. "Ich erwarte nur eine Entschuldigung", betonte Kuruca allerdings. Der Premier soll die Schläge vor dem Eingang eines Supermarktes ausgeteilt haben. Videos der Szenen im Internet zeigen Erdogan in einem Pulk von Leibwächtern und Polizisten, doch sind die angeblichen Schläge des Ministerpräsidenten nicht eindeutig zu sehen.