Trotz intensiver Suche haben die USA auch mehr als ein halbes Jahr nach dem Sturz Saddam Husseins bislang keine Massenvernichtungswaffen in Irak entdeckt. Die Suche sei aber noch nicht abgeschlossen, sagte der Waffenexperte David Kay vor dem US-Kongress. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erklärte am Freitag, sie könne Kays Bericht ohne Einsicht in das Dokument nicht bewerten.
Hinweise darauf, dass Saddam Hussein an einer Wiederbelebung seines Atomprogramms gearbeitet habe, gebe es höchstens auf einem "sehr rudimentären Niveau", sagte Kay am Donnerstag. Nur in sehr begrenztem Umfang seien Hinweise auf mögliche B- und C-Waffen-Programme entdeckt worden. Es gebe aber substanzielle Beweise, dass die irakische Führung die Reichweite ihrer ballistischen Raketen über das zulässige Maß hinaus erweitern wollte.
Hinweise auf "sehr rudimentären Niveau"
Die Experten könnten noch nicht sicher sagen, ob es Bestände an Massenvernichtungswaffen in Irak gegeben habe oder nicht, sagte Kay. Gefunden worden seien allerdings Dutzende Programme, die in Verbindung mit Massenvernichtungswaffen stünden, sowie Ausrüstung, die Irak vor den UN-Waffeninspektoren Ende 2002 verborgen habe. Innerhalb von sechs bis neun Monaten könne er weitere Ergebnisse vorlegen.
Der Hinweis auf mögliche Massenvernichtungswaffen in Irak war eines der Hauptargumente von US-Präsident George W. Bush und dem britischen Premierminister Tony Blair für den Krieg. Beide Regierungen werteten den Bericht als Stärkung ihrer Position. Er dokumentiere eine Verletzung der UN-Resolution 1441 durch Saddam Husseins Regime, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan.
US-Senat nicht "erfreut"
Erste Reaktionen im US-Senat waren dagegen negativ. Der republikanische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, Pat Roberts, erklärte: "Ich bin nicht erfreut von dem, was ich heute gehört habe. Wir sollten eine abwartende Haltung einnehmen, das ist die einzige Alternative, die wir haben." Wie aus Kongresskreisen verlautete, verlangt die US-Regierung weitere 600 Millionen Dollar, um die Fortsetzung der Suche nach Hinweisen für Massenvernichtungswaffen zu finanzieren.
Nur Aussagen keine Beweise
IAEA-nahe Diplomaten kritisierten, der Bericht basiere hauptsächlich auf Aussagen irakischer Wissenschaftler, die nicht von Beweisen untermauert seien. "Der Text enthält eine Menge ’glauben’ und ’vielleicht’", hieß es. Die IAEA habe selbst den Auftrag, sicherzustellen, dass Irak kein Atomwaffenprogramm betreibe, sagte ein Sprecher. Um dieser Verpflichtung nachkommen zu können, brauche die Behörde Einsicht in Kays Erkenntnisse. Der Bericht werde die IAEA jedoch nicht besonders beeindrucken, sagten Diplomaten. Kay habe wenig herausgefunden, was die UN-Inspektoren nicht schon wüssten.
IAEA-Inspektoren hatten vor ihrem Abzug aus Irak im März berichtet, das irakische Nuklearprogramm sei nicht für den Bau von Atomwaffen geeignet. Dies könne jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden, da das Team seine Inspektionen vorzeitig abbrechen musste. Eine längerer Aufenthalt der UN-Waffenexperten in Irak hätte nach Ansicht des britischen Außenministers Jack Straw den militärischen Druck der USA auf Saddam Hussein untergraben. "Hätten wir mehr Zeit zugelassen, hätten wir schlicht mehr Täuschung und Missachtung durch das Regime von Saddam zugelassen", sagte Straw am Freitag dem Rundfunksender BBC.