Ein Skandal: Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat hat heimlich einen Journalisten bezahlt, damit der beleidigende Artikel über seinen Konkurrenten schreibt. Der Journalist wandert zwar in den Knast. Doch die medialen Attacken schaden dem angegriffenen Politiker sehr. Nein, es geht nicht um einen ersten negativen Höhepunkt im Wahlkampf zwischen John McCain und Barack Obama. Diese Schmierenkampagne ist mehr als 200 Jahre alt. Der damalige Vizepräsident Thomas Jefferson - eigentlich ein hochgeschätzter Ehrenmann - bemühte sich solcher Maßnahmen im Jahr 1800, um den Amtsinhaber John Adams aus dem Weißen Haus zu befördern. Jeffersons negativer Wahlkampf zeigte offenbar Wirkung, er gewann.
Das Beispiel aus den frühen Tagen der amerikanischen Demokratie zeigt, dass den Politikern schon damals jedes Mittel recht war, um den Konkurrenten zu besiegen. Und die politischen Erben von Jefferson und Adams haben die Tradition des "negative campaigning" bis ins 21.Jahrhundert gerettet. Ob John Mccain oder Barack Obama - persönliche Angriffe gehören zum Alltag des US-Wahlkampfes. Das zeigte sich besonders in den vergangenen Tagen. Die inhaltliche Auseinandersetzung rückte in den Hintergrund, stattdessen läuteten die Kandidaten die erste Runde einer politischen Schlammschlacht ein.
McCain setzt zum politischen Tiefschlag an
Vor allem McCains Team setzt voll auf die "attack ads", also aggressive TV-Werbespots, um an Obamas Vorsprung in den Umfragen zu rütteln. Dafür müssen selbst die beiden Star-Dumpfbacken Britney Spears und Paris Hilton herhalten. In einem aktuellen McCain-Filmchen wird Barack Obama mit diesen beiden vergleichen. Im Wechsel werden Bilder von Spears, Hilton und Obamas vielumjubeltem Auftritt in Berlin gezeigt, eine Stimme fragt: "Er ist die größte Berühmtheit der Welt - aber ist er bereit zu führen?" Ein visueller Tiefschlag, der die stets vorhandenen Zweifel an Obamas Eignung als Präsident schüren soll. Nicht die einzigen Attacken. Denn in ähnlicher Form prangert McCain auch Obamas angeblichen Mangel an Patriotismus oder politischer Ernsthaftigkeit an.
"Politik ist Krieg. Es ist ein blutloser Kampf um die Macht. Und negative campaigning ist eine wichtige Waffe." Der Mann, der dies sagt, verdient seinen Lebensunterhalt mit diesem Kampf. Jason Stanford ist Chef einer Agentur in Texas, die von Kandidaten angeheuert wird, um den Konkurrenten zu zerstören. Stanford und seine Mitarbeiter waschen die sprichwörtlich gewordene dreckige Wäsche, wühlen in der Vergangenheit des Gegners, suchen nach Skandalen. Hat der Konkurrent Verbindungen zu zwielichtigen Geschäftsleuten? Stimmte er womöglich früher mal für die Abtreibung, obwohl er sich jetzt als Abtreibungsgegner darstellt? Oder hat er gar eine außereheliche Affäre? "Wir graben im Dreck", sagt Stanford im Gespräch mit stern.de. "Denn die Wähler warten auf negative Informationen."
Stanfords Firma ist eine von hunderten, die "Opposition Research", also Oppositionsrecherche, betreiben. Das Geschäft lohnt sich. Stanford schätzt, dass Kandidaten bis zu fünf Prozent ihres Etats für diese intensive "Feindbeobachtung" ausgeben. Und da Experten davon ausgehen, dass im Wahlkampf 2008 insgesamt mehr als eine Milliarde Euro von den Kandidaten ausgegeben wird, können sich wohl noch einige der Spezialrecherchefirmen eine goldene Nase verdienen.
Internet-Blogger verbreiten brisante Details
Haben die Polit-Schnüffler erstmal ein heikles Detail gefunden, ist relativ egal, wie diese Information an die Öffentlichkeit gelangt. Entweder entsteht ein kleiner fieser TV-Werbespot oder ein befreundeter Journalist bekommt einen Hinweis. Vor allem Internet-Blogger seien hierbei willkommene Helfer, sagt Jason Stanford. "Wir benutzen die Blogger gern. Sie blasen die Informationen raus und die richtigen Leute werden es schon lesen."
Auch Barack Obama musste mit dem Einfluss der Blogger schon Bekanntschaft machen. Im Frühjahr, als er sich noch ein verbissenes Duell mit Hillary Clinton um die Kandidatur der Demokraten lieferte, veröffentlichte der vielgelesene Blogger Matt Drudge ein Foto, das Obama in traditioneller kenianischer Kluft inklusive Turban zeigte. Zugespielt wurde dem Internet-Journalisten das Bild wohl aus dem Clinton-Team. Ein Versuch Obamas Image zu ruinieren. Die Empörung war groß und letztlich halfen Clinton diese Angriffe auf Obama nicht, sie verlor.
Das überrascht den Experten nicht. "Gemeine Attacken wie diese ohne Inhalt bringen nichts", sagt Recherche-Profi Jason Stanford. "Die Wähler werden dadurch abgeschreckt und geben ihre Stimme gar nicht erst ab." Aber für diese Ansicht gibt es auch Gegenbeispiele: So trug eine fiese Lügenkampagne der Republikaner wesentlich zur Wahlniederlage John Kerrys bei, der als demokratischer Präsidentschaftsbewerber 2004 gegen Noch-Amtsinhaber George W. Bush verlor.
Trotzdem sollte sich John McCain nach Meinung vieler Beobachter gut überlegen, ob er weiterhin durch den Schmutz waten will, anstatt sich auf eine inhaltliche Debatte mit Obama einzulassen So übte die einflussreiche "New York Times" vernichtende Kritik an dem Republikaner, der sich immer als ehrlicher Politiker verkauft, der gern von Moral in der Politik spricht. "McCain schmückte sich bisher damit, über dem hässlichen Politikertypus zu stehen", heißt es in dem Kommentar. "Aber er hat seine Hemmschwelle sichtbar niedergerissen."
Unabhängige Gruppen greifen zur großen Keule
Doch selbst wenn die Kandidaten auf persönliche Angriffe verzichten würden - verhindern können sie "negative campaigning" nicht. Denn ein großer Teil der Werbespots wird von unabhängigen Gruppen geschaltet. Die haben zwar nichts mit den jeweiligen Wahlkampfteams zu tun, setzten sich jedoch für einen Bewerber ein. Und das mit viel Geld und aufsehenerregenden Attacken. Eine davon richtete sich kürzlich gegen John McCain und dessen Aussage, er könne sich vorstellen, dass die amerikanischen Truppen noch 100 Jahre im Irak bleiben. In dem TV-Werbespot wird eine Mutter gezeigt, die ihr kleines Baby namens Alex im Arm hält. Sie sagt: "John McCain, als Sie sagten, Sie würden 100 Jahre im Irak bleiben, rechneten Sie da mit Alex? Denn wenn es so ist, Sie können ihn nicht haben." Bezahlt wurde dieser 540.000 Dollar teure Angriff von linken Organisationen, die den Demokraten nahestehen.
Aber auch der Gegner ist nicht untätig. Neben der täglichen Obama-Hatz auf TV-Stationen wie FoxNews oder von Radiokommentatoren wie Rush Limbaugh nutzen die Konservativen auch die traditionellen Medien für das Obama-Bashing. So erscheinen in diesen Tagen gleich zwei Bücher und ein Film, die Obama aufs Schärfste attackieren.
Nach Schätzung von US-Medien haben unabhängige Gruppen seit Anfang des Jahres insgesamt über 25 Millionen Dollar für solche Zwecke ausgegeben. Und es wird nach Ansicht von Experten noch viel mehr werden, denn vor allem das Internet eignet sich hervorragend für billige, aber wirkungsvolle Breitseiten.
Was den beiden Kandidaten nicht immer recht ist. So rief die Obama-Kampagne ihre Unterstützer dazu auf, diesen Gruppen kein Geld zu geben. Denn sie sind unkontrollierbar - und wollen das auch bleiben. "Wir sind stolze Unterstützer von Barack Obama", sagt etwa der Sprecher der linken "MoveOn"-Organisation, die auch an dem Irak-Spot beteiligt war. "Aber wir werden an Themen arbeiten, egal was er von uns will."
"Negative Informationen bleiben besser haften"
Aber auch Obama wird seinen eifrigen Helfern das Feld nicht völlig überlassen. Dafür ist das "negative campaigning" zu wichtig. "Leute machen in der Wahlbox keine rationelle Entscheidung, sie machen eine emotionelle Entscheidung. Und negative Informationen sind emotional viel aufrüttelnder", meint Experte Jason Stanford. "Negative Informationen bleiben beim Wähler wesentlich besser haften als positive." Als Beispiel nennt Stanford den Clinton-Lewinsky-Skandal, der damals auch von Matt Drudge aufgedeckt wurde. "Nur wenige können Bill Clintons größten politischen Erfolg benennen", sagt Stanford. "Aber über seine sexuellen Vorlieben weiß jeder Bescheid."
Schlechte Erfahrungen mit "negative campaigning" musste übrigens auch Thomas Jefferson machen. Derselbe Journalist, der 1800 noch seinen Konkurrenten Adams niedergeschrieben hatte, berichtete 1802 über eine angebliche Affäre Jeffersons mit seiner Sklavin. Geschadet hat es Jefferson aber nicht, er wurde 1804 wiedergewählt.