US-Sonderbeauftragter Holbrooke rechnet mit Afghanistan-Strategie ab

Der US-Sondergesandte für Afghanistan, Richard Holbrooke, hat schonungslos mit der bisherigen Strategie am Hindukusch abgerechnet. Die Bemühungen seien unkoordiniert gewesen und hätten zu nichts geführt, sagte Holbrooke in einem Interview. Gerade von Deutschland forderte der US-Politiker mehr Engagement.

Der US-Sondergesandte für Afghanistan, Richard Holbrooke, hat in zahlreichen deutschen Medien die bisherige internationale Afghanistan-Strategie scharf kritisiert. Ursprünglich sei geplant gewesen, dass sich die Deutschen um die Ausbildung der afghanischen Polizei, die Briten um den Kampf gegen den Drogenhandel und die Italiener um den Aufbau des Rechtssystems in Afghanistan kümmern sollten. "Das Ganze war unkoordiniert und hat uns nicht sonderlich weit gebracht", sagte der US-Gesandte in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung". "Im Ergebnis fangen wir im neunten Jahr des Krieges wieder von vorne an."

Die Entscheidung der USA, sich nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf ihren Einsatz im Irak zu konzentrieren, bezeichnete Holbrooke am Dienstag im "heute-journal" des ZDF als "Riesenfehler". "Jetzt müssen wir die Folgen tragen und das reparieren", fügte er hinzu.

Deutschland soll Soldaten und zivile Helfer schicken

Zugleich warb der Vertraute von US-Präsident Barack Obama für die Entsendung weiterer Bundeswehr-Soldaten an den Hindukusch. Auf die Frage, ob die Bundesregierung lieber zusätzliche zivile Helfer oder mehr Soldaten schicken solle, antwortete Holbrooke: "Schön wäre beides." Der US-Beauftragte für Afghanistan und Pakistan sagte, es sei "kein Problem", wenn Deutschland für eine derartige Entscheidung noch sechs Wochen brauche. Auch der Entscheidung der US-Regierung, 30.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu schicken, sei eine mehrmonatige Prüfung vorausgegangen.

Luftangriff von Kundus hat "sehr geschadet"

Im Gespräch mit der "Berliner Zeitung" lobte Holbrooke den Einsatz der Bundeswehr in Nordafghanistan. Die Lage dort werde "immer gefährlicher", so dass die deutschen Soldaten "unabkömmlich" seien.

Mit Blick auf den verheerenden Luftangriff von Kundus äußerte Holbrooke Verständnis für die Situation des deutschen Obersts, der die Bombardierung angefordert hatte. "Es ist schwer, in Sekundenbruchteilen Entscheidungen zu treffen, wenn man sich bedroht fühlt", sagte Holbrooke der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Es sei "keineswegs" falsch gewesen anzunehmen, dass alle Personen an den bombardierten Tankwagen mit den Taliban verbündet waren.

Der "Berliner Zeitung" sagte er über den Angriff aber auch: "Er hat sehr geschadet. Es ist wichtig, dass die Deutschen den Menschen in Afghanistan zeigen, dass das nicht das wahre Gesicht Deutschlands ist, dass dies ein Kriegsunfall war."

CDU-Sprecher sieht Aufstockung skeptisch

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, äußerte sich skeptisch über eine Aufstockung der deutschen Afghanistan-Truppe. Nach acht Jahren Bundeswehreinsatz dort sei es unangemessen, die Diskussion über mehr oder weniger Soldaten in den Vordergrund zu stellen, schrieb er in einem Positionspapier, das dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vorliegt. "Viel eher bedarf es einer Überprüfung unserer Ziele und einer effektiven Strategie zu deren Erreichung. Erst im dritten Schritt sollten wir über die hierfür notwendigen Mittel nachdenken."

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AFP/AP/DPA