Die USA üben nach den Worten ihres Sondergesandten für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, keinen Druck auf Deutschland aus, mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Es bleibe den Deutschen selbst überlassen, über das weitere Vorgehen zu entscheiden, sagte Holbrooke dem "Handelsblatt". Ähnlich äußerte sich eine hochrangige Pentagon-Mitarbeiterin.
Die Bundeswehr habe schon mehr als 30 Soldaten in Afghanistan verloren, das sei "historisch", sagte Holbrooke. Er habe daher Verständnis für die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), mit einer Entscheidung über zusätzliche Truppen bis zur internationalen Afghanistan-Konferenz in London im Januar zu warten. Die deutsche Präsenz im Norden Afghanistans sei aber extrem wichtig.
Auch von einem Treffen der Nato-Außenminister am Freitag in Brüssel erwartet Holbrooke keine konkreten Zahlen. Die US-Regierung erwarte von ihren Verbündeten vor allem politische Zusagen. Wenn das westliche Bündnis allerdings keinen Erfolg in Afghanistan habe, sei mit einem "sehr ernsten Anstieg der Gewalt" zu rechnen. Afghanistan sei der "ultimative Test" für die Nato und das gesamte westliche Bündnis, sagte Holbrooke dem "Handelsblatt".
Zahlen sollen aus Deutschland kommen
Die Pentagon-Mitarbeiterin Julianne Smith sagte der "Financial Times Deutschland", mit der Bundesregierung werde nur über Zahlen gesprochen, die aus Berlin genannt worden seien. Die Zahlen beruhten auf Schätzungen von Militärexperten der Bundesregierung, erklärte die Direktorin in der Abteilung für Europa- und Nato-Angelegenheiten des US-Verteidigungsministeriums. Danach wären 1000 bis 2500 zusätzliche Bundeswehrsoldaten einsatzfähig. Bei den Gesprächen zwischen Washington und Berlin gehe es jetzt lediglich um einen "Realitätscheck".
Medienberichten zufolge drängen die USA auf die Entsendung von 2000 zusätzlichen deutschen Soldaten nach Afghanistan sowie auf eine stärkere Beteiligung der Bundeswehr auch an Kampfeinsätzen im umkämpften Süden und Osten des Landes. US-Präsident Barack Obama hatte zuvor angekündigt, dass er in der ersten Jahreshälfte 2010 die US-Truppen in Afghanistan um 30.000 auf knapp 100.000 Soldaten aufstocken werde.
Der Bundestag entscheidet am Nachmittag über die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan. Das Mandat der Bundeswehr in der Nato-Truppe Isaf in Afghanistan soll um ein weiteres Jahr verlängert werden. Die Obergrenze bleibt bei 4500 Soldaten.
Bayern will mehr Polizei nach Afghanistan schicken
Bayern erklärte unterdessen, man unterstütze den Vorschlag der Bundesregierung, deutlich mehr Polizeiausbilder nach Afghanistan zu schicken. "Wir brauchen mehr Polizei in Afghanistan", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor Beginn der Innenministerkonferenz in Bremen dem ZDF. "Wir werden darüber heute sprechen". "Ich bin grundsätzlich bereit, aus Bayern noch mehr zu schicken." Es gebe auch genügend Freiwillige. 100 Meldungen lägen vor.
Möglich wäre die Aufstockung, weil die deutschen Polizeikräfte im Kosovo eher reduziert werden könnten, sagte Herrmann. Dort sei die Lage erfreulich stabil. Es sei wichtig, in den nächsten Jahren eine leistungsfähige Polizei in Afghanistan aufzubauen. Das diene der Sicherheit vor Terror in Deutschland. Bisher hat sich Bayern an der Polizeiausbildung in Afghanistan nicht beteiligt. Erst vor einigen Tagen trafen die ersten sechs Ausbilder aus dem Freistaat dort ein.
Der Bund sieht die Entsendung zusätzlicher Polizeikräfte als Alternative zur Verstärkung der Bundeswehrtruppen in Afghanistan.