Vor noch gar nicht einmal so vielen Jahren wäre eine Reise wie die des demokratischen Präsidentschaftsanwärters Barack Obama mitten im Wahlkampf glatter politischer Selbstmord gewesen. Daheim gehen die Banken in die Knie, kämpfen die Leute um ihre Häuser und ihre Arbeitsplätze, sind geschockt von den hohen Benzinpreisen und der Rechnung im Supermarkt. Doch Obama treibt sich in Afghanistan rum. Im Nahen Osten und in Europa.
James Carville, der Mann, der mit seinem sicheren Gespür für die Gemütslage des Volkes Bill Clinton entgegen allen Vorhersagen 1992 zum Präsidenten machte, schrieb es einmal mit großen krakeligen Buchstaben an eine Tafel: "It's the economy, stupid!" Die Wirtschaft, du Blödmann, die Wirtschaft entscheidet US-Wahlen. Die Wahrnehmung des Präsidentschaftskandidaten in irgendeinem Land in Übersee, das ein Drittel der Amerikaner eh nicht auf der Landkarte finden würde, sei der Mehrheit des Wahlvolkes egal.
Carville hat sich aus dem aktuellen Wettstreit ums Weiße Haus - bis auf ein paar Ratschläge für Obamas ärgste Vorwahl-Konkurrentin Hillary Clinton - herausgehalten, aber sein alter Slogan wäre ohnehin nicht zu recyceln gewesen. Wie es steht, wird das erste Mal seit dem Vietnamkrieg die Außenpolitik bei der US-Präsidentenwahl eine entscheidende Rolle spielen. Das hat mit dem Schock zu tun, den die Anschläge vom 11. September 2001 auslösten. Mit der Erkenntnis, dass es irgendwo in der Welt Menschen gibt, die Amerika so sehr hassen, dass sie 3000 Unschuldige töten.
Ressourcenknappheit und Einwanderung
Zudem beginnen die Kriege im Irak und in Afghanistan, an den knapper werdenden ökonomischen Ressourcen zu zerren. Seit der Ölpreis in die Höhe schnellte, drängt die Idee der Endlichkeit der natürlichen Rohstoffe in die Öffentlichkeit. Außerdem erwarten mindestens zwölf Millionen Menschen ohne legale Papiere im Land eine Neuregelung der Einwanderungspolitik, und die Jobs wandern nicht mehr nur aus den ländlichen Gebieten ab nach Asien.
Obama reagierte darauf, indem er an seiner größten Schwäche arbeitet, seine fehlende Erfahrung in den großen weltpolitischen Fragen. Die Rolle des Commander-in-Chief, des Oberbefehlshabers über die Streitkräfte, die er als Präsident automatisch übernähme, trauen die Wähler zudem mehrheitlich eher seinem republikanischen Herausforderer John McCain zu, ein Spross aus einer ahnenreichen Militärfamilie und Vietnam-Veteran.
Diesen Nachteil zu verringern, ist das Hauptziel von Obamas Reise um die Welt, während daheim der Haussegen schief hängt. Zudem versucht er jene Anhängerschaft zu befriedigen, die endlich wieder geliebt werden will von der Welt. Obama weiß auch schon, wie das gehen soll. Die Kurzfassung: Frieden im Mittleren Osten stiften, dem Klimawandel entgegensteuern, Terroristen besiegen, Hilfe in die vergessen Ecken der Welt bringen, Einwanderung regeln. Und sich von begeisterten Deutschen in Sichtweite des Brandenburger Tores bejubeln lassen.
Obama tritt mit hohen Ansprüchen an
In Obamas eigenen Worten: "Wir können wieder dieses Amerika werden. Dies ist der Moment, das Vertrauen und den Glauben unseres Volkes, aller Völker, in ein Amerika zu erneuern, das das unmittelbare Böse bekämpft, das ultimative Gute fördert und einmal mehr die Welt führt." Bescheiden sind die Ansprüche also nicht, mit denen Obama antritt. Und einen Fehler wird er auf seiner Reise bestimmt nicht machen: Versprechen abgeben, die ihn schwach aussehen lassen.
Im Gegenteil, seine Beraterin Susan Rice hat schon einmal durchblicken lassen, was er in Berlin, Paris und London fordern wird: Mehr Soldaten für Afghanistan und weniger Beschränkungen für jene, die schon da sind. Damit seine Botschaft stets auf Linie bleibt, hat er sich mit einer Heerschar von Beratern umgeben, die sich auf die Außenpolitik konzentrieren. Mehr als 300 sollen es sein, aufgeteilt in 20 Gruppen, die auf verschiedene Teile der Welt spezialisiert sind, berichtet die "New York Times". Sie seien organisiert wie ein kleines Außenministerium. Jeden Morgen bekommt Obama ein umfassendes Briefing zur Lage der Welt auf den Tisch. Und eine Liste von potentiellen Fragen und den dazugehörigen Antworten, denen er im Laufe des Tages begegnen könnte.
"Das ist alles ein wenig unhandlich, keine Frage", sagt Denis McDonough, einer von Obamas Top-Beratern, "aber eine Regierung ist das ebenfalls. Und wir wissen auch, dass es schlimmer wäre, wenn wir nicht so viele Informationen bekämen, wie wir nur kriegen können." John Kerry hatte 2004 im Wahlkampf eine ähnlich umfangreiche außenpolitische Abteilung, trotzdem ließ sich die Wiederwahl von George W. Bush nicht stoppen.
McCain, notorisch knapp bei Kasse, setzt dagegen bislang auf gerade 75 Berater, alle eher lose organisiert. Zu Obamas Einflüsterern gehören eine ganze Reihe von Leuten, die einst unter Bill Clinton dienten, meistens in der zweiten Reihe. Susan Rice etwa war als stellvertretende Außenministerin für Afrika zuständig. Anthony Lake fungierte als Clintons erster Nationaler Sicherheitsberater. Gregory Craig verteidigte den Präsidenten in seinem Amtsenthebungsverfahren und Richard Danzig war als Staatssekretär für die Marine zuständig.
Clintons Berater müssen hinten anstehen
Zu dieser Kerngruppe stießen nach Hillary Clintons Kapitulation eine ganze Reihe ihrer Berater. Die meisten mussten sich allerdings hinten anstellen, ganz egal, wie bekannt ihr Name ist. Politische Schwergewichte wie die ehemalige Außenministerin unter Bill Clinton, Madeleine Albright, sind ebenso darunter wie Warren Christopher, seit vielen Jahrzehnten der Mann für schwierige Fälle bei den Demokraten.
Um einen hat sich Obama bislang vergeblich bemüht. Auch nach einem persönlichen Gespräch im Juni mochte der Außenminister aus George W. Bushs erster Amtszeit, Colin Powell, nicht zum Team stoßen. Nicht zuletzt aus Loyalität, ist er doch seit vielen Jahren mit McCain befreundet. Der übrigens versucht den vielen schönen Bildern von Obamas einwöchiger Tour das Gerücht entgegen zu setzen, er werde sich in naher Zukunft für einen potentiellen Vizepräsidenten entscheiden. Was soll er auch sonst machen, um wenigstens ab und zu mal im Fernsehen aufzutauchen.