US-Repräsentantenhaus Die Republikaner versündigen sich an Amerika und der Welt

Das Repräsentantenhaus im US-Kapitol. Die Position des Sprechers ist seit über einer Woche vakant, das Land dadurch gelähmt.
Das Repräsentantenhaus im US-Kapitol. Die Position des Sprechers ist seit über einer Woche vakant, das Land dadurch gelähmt.
© J. Scott Applewhite / dpa
Der erste Kandidat hat aufgegeben, nun darf der Trump-Freund Jim Jordan probieren, neuer Sprecher des Repräsentantenhauses zu werden. Die Chancen, dass er ebenfalls scheitert, sind hoch. Die Verantwortung für dieses Debakel tragen die Republikaner.

Das Wort soll Erinnerungen an die dunkelsten Stunden des Landes wecken: "civil war", Bürgerkrieg. In diesen Tagen wird es wieder häufiger verwendet, von Politikerinnen und Politikern im Kongress und von Journalistinnen und Journalisten in den Fernsehnachrichten. Die Republikaner im Repräsentantenhaus befänden sich in einem Bürgerkrieg miteinander, ist zu lesen und hören. Das klingt martialisch und ist rhetorisch vielleicht etwas dick aufgetragen, trifft aber den Kern der Sache.

In der vergangenen Woche hatte eine kleine Gruppe von Ultrakonservativen dafür gesorgt, dass Kevin McCarthy als Sprecher des Repräsentantenhauses gestürzt wird. Der "Speaker" ist mehr als ein Parlamentspräsident mit repräsentativen Aufgaben. Ohne ihn oder sie kann die erste Kammer des Kongresses nicht arbeiten und keine Gesetze beschließen. Kurz gesagt: Amerika ist ohne Speaker gelähmt. Klar, eine Weile kann US-Präsident Joe Biden mit Verordnungen regieren, aber nicht lange. Die Republikaner sind diese Woche über daran gescheitert, einen neuen Sprecher des Repräsentantenhauses zu wählen. Sie bekriegen sich lieber untereinander, anstatt eine Lösung zu finden.

Die USA stehen vor der nächsten Krise

Das könnte schwerwiegende Folgen haben: Mitte November läuft die Finanzierung der Bundesregierung aus. Wenn bis dahin nicht diverse Budgetgesetze durchs Parlament kommen, droht ein sogenannter "Shutdown" – viele Bundesbehörden und Ministerien müssten dann schließen beziehungsweise dürften nur noch mit kleinen Not-Teams arbeiten. Wenn es so weit kommen sollte, wäre das nicht nur ein Problem für die Bundesbeamten in Washington. Nach einer gewissen Zeit könnten beispielsweise bestimmte Sozialleistungen nicht mehr ausgezahlt und Flughafenpersonal nicht mehr bezahlt werden.

Auch der außenpolitische Schaden ist potenziell immens. Im Überbrückungshaushalt bis zum 17. November sind keine neuen Gelder für die Ukraine vorgesehen. Besonders der sogenannte "Freedom Caucus" vom rechten Rand findet das gut. Sie wollen nicht, dass weitere Gelder oder Waffen bereitgestellt werden, Amerika müsse sich um seine eigenen Probleme kümmern. Noch kann Joe Biden seine Zusagen an die Ukraine einhalten. Und tatsächlich gibt es bei den Republikanern noch viele Gemäßigte, die die Ukraine gemeinsam mit vielen Demokraten weiter unterstützen wollen. Doch im Moment verhindert die republikanische Selbstblockade, dass irgendwas passiert.

Auch der Kandidat Jim Jordan droht zu scheitern

Unter dieser Lähmung könnte auch Israel leiden. Biden hat die Unterstützung der USA für Israel nach den Angriffen der Hamas wieder und wieder betont. Israel könnte schon bald um signifikante Artillerie-Lieferungen aus den Vereinigten Staaten bitten. Auch Finanzhilfen sind im Gespräch, um neue Abwehrraketen für die Schutzsysteme Israels bauen zu können. Gerade die ultrarechten Republikaner, die stets mit ihrer Solidarität für das Partnerland im Nahen Osten für sich werben, riskieren nun dessen Sicherheit. Die "Grand Old Party" des Jahres 2023 versündigt sich an ihrem eigenen Land und womöglich bald auch an internationalen Partnern.

Eine Lösung für das Debakel ist im Moment nicht in Sicht. In der zurückliegenden Woche hatten Steve Scalise und Jim Jordan um die Nominierung ihrer Fraktion gekämpft. Scalise gilt als überaus konservativ, aber kompromissbereit. Jordan ist ein Anhänger von Trump, dem das Spektakel wichtiger ist als inhaltliche Arbeit. Scalise setzte sich in einer Kampfabstimmung zwar durch, merkte aber schnell, dass er die Fraktion nicht hinter sich versammeln kann, um auch tatsächlich von einer Mehrheit des Repräsentantenhauses ins Amt gewählt zu werden. Bei der Wahl des Sprechers braucht ein Kandidat 218 Stimmen, die Republikaner verfügen über 222 Mandate. Die Zahlen können leicht variieren, wenn Parlamentarier fehlen. Scalise zog wegen des mangelnden Rückhalts zurück. Er sah keine Chance, die nötige Mehrheit zu erringen.

Nun haben die Republikaner Jim Jordan aufgestellt, der allerdings für viele Gemäßigte als unwählbar gilt. Entweder stimmen die entgegen ihren Überzeugungen doch für Jordan oder der nächste Kandidat dürfte bald scheitern.

Die Demokraten denken indes darüber nach, einen überparteilichen Sprecher zu finden. Dies würde bedeuten, dass ein Demokrat antritt und mit Hilfe weniger republikanischer Stimmen ins Amt kommen soll. Allerdings müssten jene gemäßigten Republikaner fürchten, dass sie als Verräter gebrandmarkt und in ihren Wahlbezirken von konservativeren Kandidaten herausgefordert werden würden. Wer sich gegen die Partei stellt, verliert sein Amt. Diese Disziplin haben die Republikaner verinnerlicht.

Aus Sicht der Demokraten könnte es sich schon bald als Fehler rausgestellt haben, dass nicht ein kleiner Teil von ihnen vergangene Woche Kevin McCarthy gestützt hatte. Natürlich ist es nicht Aufgabe der Minderheitsfraktion, die Probleme der Mehrheit zu lösen. Doch nun droht Amerika eine nie dagewesene Staatskrise.

Bei den Republikanern indes gibt es Überlegungen, den Interims-Sprecher einfach mit mehr Rechten auszustatten, damit das Parlament arbeiten kann. Patrick McHenry hat den Job derzeit inne. Demokratisch legitimiert ist er nicht. Jahrhunderte alte, demokratische Spielregeln könnten geopfert werden, weil eine Fraktion lieber gegeneinander kämpft als Kompromisse zu machen. In diesem Zustand sind die Republikaner eine Gefahr für die Vereinigten Staaten von Amerika und die Welt.