US-Haushaltsstreit Der Anti-Kevin: Hardliner Matt Gaetz meutert gegen Sprecher McCarthy – und sei es bis zum Shutdown

Matt Gaetz zeigt auf seinen Bizeps
Lässt die Muskeln spielen, koste es, was es wolle: der Rechtsaußen-Republikaner Matt Gaetz (Archivbild)
© Win McNamee / Getty Images / AFP
Den USA droht ein Regierungsstillstand mit katastrophalen Ausmaßen. Während Kammer-Sprecher Kevin McCarthy seine Republikaner kurz vor knapp verzweifelt auf Linie zu bringen versucht, meutert Rechtsaußen. Der Chaosstifter und Rädelsführer: Matt Gaetz. Wieder einmal.

Im Januar 2023 erschacherte sich Kevin Owen McCarthy das drittmächtigste politische Amt der USA, das des Sprechers des Repräsentantenhauses. Es war ein teurer Kauf in Raten. Jetzt heißt es zahlen. "Ich weiß, dass Washington nicht dafür bekannt ist, dass man sein Wort hält. Sprecher McCarthy, ich bin hier, um Sie an Ihr Wort zu erinnern", sagt Rechtsaußen-Abgeordnete Matt Gaetz neun Monate später.

Während der US-Regierung der Shutdown und damit Hunderttausenden Staatsbediensteten der unbezahlte Zwangsurlaub droht, droht der 41-jährige Trumpist aus Florida seinem "Klassensprecher" offen mit Rebellion. Zum zweiten Mal diese Woche. Es ist kein zahnloses Knurren. Denn die Stimme eines einzigen Abgeordneten reicht theoretisch für ein Misstrauensvotum gegen McCarthy. Und Gaetz ist nicht allein.

Und so ist Basar eröffnet. Wieder einmal. 

Matt Gaetz und die dreisten Sieben

Januar 2023. Aus McCarthys Ringen um das Amt des Sprechers wird ein Feilschen, schließlich ein Betteln. Matt Gaetz, der mit Abstand lautstärkste der "Never-Kevins", sorgt am dritten Abstimmungstag für einen absurden Höhepunkt, als er Ex-Präsident Donald Trump für den Sprecherposten vorschlägt.

Um die Meuterei des rechten Parteiflügels zu beenden, ist McCarthy zu allerlei Zugeständnissen gezwungen. Er geht vor Rechtsaußen auf die Knie, sägt an seinem Thron, um ihn überhaupt besteigen zu können. 15 Wahlgänge sind am Ende nötig, bis McCarthy die streitwilligen Hardliner seiner Partei nicht zufrieden-, aber ruhiggestellt hat. Blamiert hat sich am Ende die ganze Partei.

Gaetz stimmt am Ende nicht für, aber eben auch nicht gegen McCarthy. Er ist einer von nur sechs Abgeordneten, die ihm bis zum Ende die kalte Schulter zeigen. "Wenn man den Sumpf trockenlegen will, kann man nicht den größten Alligator mit der Aufgabe betrauen", hatte er argumentiert.

Gaetz hält nicht lange die Füße still. In den folgenden Monaten schmeißt er dem neuen Sprecher des Repräsentantenhauses wann und wie immer er kann Steine in den Weg – als wollte er McCarthy daran erinnern, dass der Wind von rechts immer noch am stärksten weht. Ende September zeigt sich schließlich, was McCarthy der Pyrrhussieg gegen Rechtsaußen gekostet hat. In seinem verzweifelten Bestreben, im Haushaltsstreit die Partei doch noch irgendwie auf Linie zu bringen und gleichzeitig die Hardliner bei Laune zu halten, kann er selbst nur verlieren. Für ein Machtwort fehlt ihm die Macht. Die Blamage, so scheint es, ist vorprogrammiert. Und Gaetz setzt alles daran, dass es keine Programmänderung gibt. 

Kaum ein Parteikollege hasst McCarthy so offen, so leidenschaftlich. Einem Bericht der "New York Times" zufolge soll Gaetz vor McCarthy am Mittwoch hinter verschlossenen Türen damit geprahlt haben, dass er sieben Abgeordnete "unverrückbar" auf seiner Seite habe. Gemeinsam würden sie jeden Kompromiss torpedieren – auch wenn es sich nur um eine Zwischenlösung handle. Gaetz will den Shutdown, zumindest für ein paar Tage. 

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Wer ist der Mann, der das Chaos herbeisehnt?

Der Verwandlungskünstler aus dem Süden

Rechts von Matt Gaetz ist nur noch die Wand. Wenn er sich in seinen wutschnaubenden Reden verliert, wirkt beizeiten wie ein Highschool-Bully im Maßanzug. Wie ein Typ, der sich schon immer gern gestritten hat, sei es auch nur um des Streitens Willen. Gaetz sieht jeden Versuch, einen parteiübergreifenden Kompromiss zu finden – und sei es auch nur, um einen Regierungsstopp zu verhindern – als Verrat an seinen konservativen Werten. 

Das heißt nicht, dass er ein einsamer Wolf ist. Trotz ideologischer Überschneidungen und einer Menge gemeinsamer Feinde ist er eigenen Angaben nach kein Mitglied der parteiinternen, stetig an Einfluss gewinnenden ultrarechten Vereinigung "Freedom Caucus". Gaetz hetzt auch gut ohne Gruppenlabel. Neben Marjorie Taylor Greene hat er mit die lauteste Stimme in der rechten Ecke des Repräsentantenhauses. Genau wie die Abgeordnete aus Georgia ist er ein glühender Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump. 

Obwohl er selbst in dessen Kielwasser aufgestiegen ist, prangert er den politischen Opportunismus, den vergleichsweise gemäßigte Kollegen wie McCarthy ausüben, aufs Schärfste an. Die Ironie: Kaum jemand hat sich so oft neu erfunden wie Gaetz. Als Abgeordneter in Florida galt er als jemand, der den Kompromiss wenn nötig Parteiinteressen und Machtgeplänkel stellte. Mit seinem Umzug nach Washington 2017 änderte sich das. Im Handumdrehen wurde er einer von Trumps wohl verbal bissigsten Kettenhunden.

Der nächste Ron DeSantis?

Gaetz Anti-Kevin-Attitüde ist in den vergangenen Wochen in offen zur Schau gestellten Hass umgeschwenkt. Er warf McCarty mehrmals vor, wortbrüchig, ein Lügner zu sein, nannte ihn sogar "erbärmlich". Parteikollegen erklärten gegenüber dem US-Magazin "Politico", dass Gaetz' Feldzug vermutlich auf persönlicher Abneigung beruht – obwohl sie nicht wüssten, wie der Kammer-Sprecher den Abgeordneten aus Florida verärgert haben könnte. Einen traurigen Höhepunkt in ihrer öffentlichen Fehde erreichten die beiden am Donnerstag, als McCarthy und Gaetz sich in einer ohnehin schon hitzigen Debatte verbal an den Kragen gingen. Der Floridianer warf dem Sprecher vor, Influencer zu bezahlen, um ihn gezielt in sozialen Medien anzugreifen. McCarthy konterte, dass er "weder seine Zeit noch sein Geld an ihn verschwenden würde".

Dass ein Abgeordneter gegenüber dem eigenen Mehrheitsführer einen solchen Ton anschlägt, spricht Bände. Es ist Zeugnis für die tiefe Spaltung der Grand Old Party, für ein gemeinhin toxisches politisches Klima und vor allem: für die Hilflosigkeit des per Definition drittmächtigsten Mannes der USA. Gaetz spricht aus, was viele denken: Dass McCarthys Amtswürde allein auf dem Gnadentum der Hardliner ruht. 

Bleibt dennoch die Frage, was sich Gaetz von seiner teils völlig unverhältnismäßigen Bockigkeit verspricht. Denn ideologische Geradlinigkeit ist zwar sicherlich ein, aber nicht der einzige Beweggrund. Experten und Parteikollegen vermuten, dass es Gaetz vor allem um das Scheinwerferlicht als solches geht. Mit seiner Prügelrhetorik könnte er sich zum Beispiel für die Zukunft als rechter TV-Kommentator ins Spiel bringen (Tucker Carlson lässt grüßen). Was allerdings wahrscheinlicher ist: Gaetz könnte auf das Amt des Gouverneurs von Florida schielen – auch wenn er selbst in dem Fall jegliche Ambitionen von sich weist. Wie auch immer das bislang lahme Rennen von Ron DeSantis um die republikanische Präsidentschaftskandidatur ausgeht: Bis 2026 bleibt er wohl Floridas Landesfürst. Danach muss DeSantis die Gouverneursvilla allerdings definitiv verlassen. Es wäre die Gelegenheit für Gaetz, der logische nächste Schritt – wenn er denn bis dahin seine Rolle als Rebell festigen kann. Eine Rolle, mit der sich in der modernen GOP Karriere machen lässt.

Was auch immer sich Matt Gaetz vorgenommen hat – seine Karten könnten schlechter sein. Oder wie er es selbst diese Woche formulierte: "Wenn man sich die Ereignisse der letzten zwei Wochen ansieht, scheinen die Dinge irgendwie in meine Richtung zu laufen".