Prinz der Dunkelheit wurde er genannt, und Peter Mandelson hatte sich diesen Titel redlich verdient. Er war einer der Architekten des grandiosen Wahlsieges von Labour im Jahr 1997, als ein junger Tony Blair winkend und strahlend in die Downing Street einzog. Jahrelang hatte Mandelson für diesen Tag gekämpft. Er hatte alte Parteihaudegen gegeneinander ausgespielt, neue Allianzen geschmiedet und mitgeholfen, dass aus einer Labour-Partei, die damals noch die Verstaatlichung wichtiger Industrie-Zweige im Statut stehen hatte, New Labour wurde, die Partei, die nichts mehr dabei fand, dass Leute stinkreich werden.
Mandelson ist über politische Leichen gegangen damals, sagt man, und eine dieser Leichen war Gordon Brown. Schon 1994 entschied sich Mandelson gegen seinen alten Freund und politischen Weggefährten Brown und für Tony Blair, weil er Blair als Premierminister-Kandidat bessere Chancen einräumte.
Brown haderte jahrelang mit seinem Schicksal
Vierzehn Jahre lang hat Brown nach diesem Vertrauens-Verrat kaum ein Wort mit dem Mann gesprochen, der damals seine politischen Träume zerstörte. Jahrelang brütete er im Finanzministerium über der Tatsache, dass er nicht Premierminister geworden war. Und böse Zungen behaupten, dass er und seine Getreuen nicht unschuldig daran waren, dass auch Mandelsons politische Karriere zumindest in London ein jähes Ende nahm: Zeitungen wurden Informationen zugespielt, dass er einen Hauskredit über seltsame Wege erhalten habe. Er trat daraufhin von allen Regierungsämtern zurück.
Mandelson ging nach Brüssel und ließ den Klein-Krieg zwischen ihm und Brown in London zurück. Dann wurde Brown im Sommer 2006 Premierminister. Und als die Probleme im vergangenen Herbst einfach zu groß wurden, erinnerte sich Brown an den machiavellischen Meister Mandelson. Er holte ihn als Handelsminister zurück an den Kabinettstisch. Diese Versöhnung scheint ihm nun das politische Überleben gesichert zu haben.
Cornelia Fuchs
London ist der Nabel der Welt und Europa immer noch "der Kontinent". stern-Korrespondentin Cornelia Fuchs beschreibt in ihrer wöchentlichen stern.de-Kolumne das Leben zwischen Canary Wharf und Buckingham Palace, zwischen Downing Street und Notting Hill.
Mandelson: Wer Brown stürzt, muss mit einem Labour-Absturz rechnen
Mandelson war es, der - ganz in alter New-Labour-Manier - nach dem Rücktritt des Arbeitsministers in der vergangenen Woche andere Putsch-Willige zur Räson rief. Er soll im Namen des Premierministers Treueschwüre von allen Regierungsmitgliedern verlangt haben. Sein Argument: Wer jetzt den Premier stürzt, muss anschließend Neu-Wahlen ausrufen - und die kann Labour nur haushoch verlieren.
Britische Zeitungen berichten auch von einem Giftschrank, den Browns Getreue inzwischen angelegt haben - darin enthalten sind weitere Enthüllungen über überzogene Spesen-Ausgaben. Labour-Parteigängern werde mit Veröffentlichung gedroht, so heißt es, um sie auf Kurs zu zwingen.
Es tauchen Mails auf, die den Premier denunzieren
So etwas würde Peter Mandelson natürlich niemals zugeben. Passend zum Krisenwochenende tauchten E-Mails auf, die er vor mehr als einem Jahr an einen Labour-Mann in London geschrieben hatte. Darin nannte er Gordon Brown unsicher, wütend und einen Verlierer, der sich unwohl in seiner Haut fühle. Aufgeregte Moderatoren fragten daraufhin einen völlig entspannt wirkenden Mandelson nach einer Stellungnahme - und der antwortete freundlich, dass dies ein überaus gut gemeinter Brief gewesen sei: "Der Premierminister kann nur das sein, was er ist." Und: "Niemand sollte ihm einen neuen Charakter überstülpen." Niemand außer Peter Mandelson, meint Peter Mandelson. Als sich Gordon Brown Anfang der Woche in einem stickigen Konferenzzimmer im Unterhaus seiner Fraktion stellte, wirkte er erfrischt, fast euphorisch. Und das nach einem Wochenende, an dem Labour das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten einfuhr - in den EU-Wahlen hatten sie im Südwesten des Landes sogar nur acht Prozent der Stimmen bekommen.
Doch Mandelson hatte Brown schon am Wochenende nach Ostlondon geschickt, in eine der letzten Labour-Hochburgen. Dort sah man einen interessierten Premier, der Hände von jungen, begeisterten Menschen schüttelte. Das erste Mal seit Tagen wirkte Brown nicht mehr wie jemand, der seit fünf Monaten nicht geschlafen hatte vor lauter Sorgen.
Im Unterhaus hörten die wartenden Journalisten schließlich Anfang der Woche anstelle von Proteststürmen der Putschisten Applaus durch die geschlossenen Türen. Peter Mandelson eröffnete zur gleichen Zeit eine Handelsmesse in London. Sein eindeutiges Signal: Ich mache weiter mit den Regierungsgeschäften. Die Frage ist, welche Pläne Mandelson nun hat für seinen Premierminister Gordon Brown.