Die irakische Hauptstadt Bagdad erlebte die 13. Bombennacht in Folge. Dabei kamen nach Angaben von Informationsminister el Sahhaf 24 Menschen ums Leben, landesweit waren es demnach 56 Tote und 268 Verletzte seit Montagabend. Über einem Gebäude im Zentrum sowie in der Umgebung des Alten Palastes stiegen große Rauchwolken auf. Nach tagelangen Angriffen auf Telefonzentralen ist das Telefonnetz für die fünf Millionen Einwohner zusammengebrochen, die Stromversorgung ist jedoch noch intakt. Die britischen und amerikanischen Verbündeten haben ihre Luftangriffe in den vergangenen 48 Stunden deutlich intensiviert.
Alliierte wieder auf dem Vormarsch
Die US-Bodentruppen haben am Dienstag ihren Vormarsch Richtung Norden auf die Hauptstadt Bagdad offenbar fortgesetzt. "Anscheinend ist die operative Pause in unserem Sektor vorbei. Wir sind recht schnell von der Passivität zur Aktivität übergegangen", berichtete Reuters-Korrespondent Sean Maguire, der mit den US-Truppen unterwegs war. Reuters-Korrespondent Luke Baker, der mit einer anderen US-Division unterwegs war, sagte: "Wir sind definitiv in Bewegung. ... In den kommenden Stunden könnte viel passieren."
Der Vormarsch auf die Hauptstadt wird allerdings weiter von heftigen Kämpfen entlang der Nachschublinien verzögert. Dabei seien 130 Kilometer südöstlich von Bagdad, nahe der Stadt Diwanijah, 75 irakische Soldaten ums Leben gekommen und 44 gefangen genommen worden, darunter auch zwei Offiziere der Republikanischen Garde, wie der US-Oberstleutnant B.P. McCoy mitteilte. Bei Nadschaf bemühten sich die US-Truppen weiter darum, die Stadt vollständig zu isolieren, um so die wiederholten Angriffe auf den Nachschub zu stoppen.
Saddam ruft zum Dschihad auf
Unterdessen hat der irakische Staatschef Saddam Hussein am Dienstag zum Heiligen Krieg (Dschihad) gegen die von den USA angeführten Invasionstruppen aufgerufen. In einer von Informationsminister Mohammed Said el Sahhaf im Fernsehen verlesenen Erklärung Saddam Husseins hieß es am Abend: "Die Aggression, die die Aggressoren gegen die Hochburg des Glaubens ausüben, ist eine Aggression gegen die Religion, den Wohlstand, die Ehre und die Seele und eine Aggression gegen das Land des Islams." Deshalb sei es eine Pflicht, den Aggressoren mit dem Heiligen Krieg entgegenzutreten.
US-Präsident George W. Bush hat vor Anschlägen irakischer Terroristen auf die USA gewarnt. "Wir wissen, dass unsere Feinde verzweifelt sind, wir wissen, dass sie gefährlich sind", sagte Bush am Montag in einer Rede vor Angehörigen der Küstenwache in Philadelphia. "Das sterbende irakische Regime könnte versuchen, den Terror an unsere Küsten zu bringen", erklärte der US-Präsident.
USA weiter in Alarmbereitschaft
"Andere Teile des weltweiten Terrornetzwerks könnten dies als den Augenblick sehen, um zuzuschlagen, in der Annahme, wir seien abgelenkt", sagte Bush und fügte hinzu: "Sie täuschen sich." Im Hinblick auf den Kriegsverlauf erklärte Bush: "Viele Gefahren stehen noch bevor. Aber Tag für Tag kommen wir Bagdad näher. Tag für Tag kommen wir dem Sieg näher."
"Wir kommen, um ein besseres Leben zu bringen"
Seit Beginn der Bodenoffensive sei bereits viel erreicht worden, sagte Bush. Die alliierten Truppen hätten die Kontrolle über weite Teile von West- und Südirak übernommen, wichtige Brücken erobert, eine Nordfront eröffnet und fast die gesamte Lufthoheit errungen. An das irakische Volk gewandt, sagte er: "Wir kommen, um Ihnen Essen und Medizin und ein besseres Leben zu bringen."
Schwere Kämpfe als "Test" bezeichnet
In den vergangenen drei Tagen warfen die US-geführten Streitkräfte insgesamt 3000 Bomben über dem Irak ab. Dadurch sei die irakische Armee erheblich geschwächt worden, berichtete CNN unter Berufung auf das Pentagon. Zwischen US-Einheiten und irakischen Elite-Truppen der Republikanischen Garde kam es am Montag südlich Bagdads zu erbitterten Kämpfen. Laut der britischen BBC waren es die "ersten ernsthaften Zusammenstöße" mit den auf 60.000 Mann geschätzten Garde-Truppen. Die US-Armee habe damit "die Stärke der irakischen Einheiten testen" wollen.
Brutale Straßenkämpfe im Süden
Im Südirak erzielten die britischen Streitkräfte im Raum Basra laut BBC ihre "bisher größten Erfolge". Die rund 200.000 Einwohner zählende Stadt As Subayr sei nach "heftigen Gefechten" jetzt unter britischer Kontrolle, berichtete der Sender. Militärsprecher Piers Hankinson sprach von "brutalen Straßenkämpfen". Jetzt aber sei die Herrschaft des irakischen Staatschefs Saddam Hussein in As Subayr "ein für alle Mal vorbei".
Kurden rücken weiter auf "Ölstadt" Kirkuk vor
Im Nordirak rückten kurdische Truppen unterdessen weiter in Gebiete vor, die von der irakischen Armee aufgegeben wurden. Die irakischen Streitkräfte zögen sich weiter in Richtung der "Ölstadt" Kirkuk zurück, sagte der zur Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) gehörende Kommandeur Abdulrahman Kawrini am Montag vor Journalisten in Erbil. KDP-Sprecher Hoschyar Sibari erklärte ohne weitere Details zu nennen, die Nordfront werde bald einsatzbereit sein und im Krieg eine entscheidende Rolle spielen. US-Kampfflugzeuge bombardierten am Montag im Nordirak erneut mutmaßliche Stellungen irakischer Truppen.
Rau kritisiert Bushs religiösen Eifer
Bundespräsident Rau sagte am Montag in der n-tv-Sendung "Maischberger", Bush unterliege einem "grandiosen Missverständnis", wenn er von einer göttlichen Mission spreche, die ihn zu diesem Krieg antreibe. "Das ist eine völlig einseitige Botschaft des George W. Bush. Ich glaube nicht, dass ein Volk einen göttlichen Hinweis erhält, ein anderes Volk zu befreien."
USA: Saddam soll in zwei Monaten 1500 Zivilisten hingerichtet haben
Die USA warfen der irakischen Regierung von Saddam Hussein vor, sie habe im vergangenen Jahr Offiziere, Zivilisten und opponierende Stammesführer ermorden lassen. Allein in den ersten beiden Monaten 2002 habe das Regime 1500 Zivilisten wegen angeblicher Verbrechen gegen Saddam oder seine Baath-Partei hingerichtet, hieß es in dem am Montag vom US-Außenministerium vorgestellten Jahresbericht über die Lage der Menschenrechte in der Welt.
Powell fliegt nach Europa
US-Außenminister Colin Powell wird an diesem Dienstag zu Gesprächen in Ankara erwartet, wo er die türkische Regierung davon überzeugen will, keine Truppen in den Norden des Iraks zu schicken. Im Anschluss will er das Nato-Hauptquartier in Brüssel besuchen.