"Willst du eine Wohnung haben, musst du ein Kopftuch tragen." - "Asylbetrug heißt Heimatflug." -"Deutsch statt nix verstehen." - "Kipferl statt Halbmond." FPÖ-Führer H.C. Strache ließ keinen Zweifel, worauf es ihm ankommt. Seine Slogans gingen den Wählern ins Ohr und von dort direkt in die rechte Gehirnhälfte. Wenn die Zeiten schlechter werden, blüht der Rassenhass auf wie Disteln auf dem Misthaufen. Und die Zeiten waren nicht gut. In den vergangenen 18 Monaten hat sich die Regierung selbst gelähmt. Drinnen im Parlament Eitelkeiten, Streitereien, alles, nur keine Entscheidungen. Draußen auf der Straße Teuerung, Zukunftsangst, alles nur keine guten Aussichten. Dann: Neuwahlen.
Sonntag, 17 Uhr. Die erste Hochrechnung. Es wird leise in den Festzelten und Parteizentralen. Die Balken schießen nach oben. Und zeigen ein völlig neues Bild der österreichischen Innenpolitik. Totenstille bei den Roten und Schwarzen. Die Grafik zeigt das schlechteste Ergebnis in der Geschichte von SPÖ und ÖVP. Die Großparteien sind unter die 30-Prozent-Marke gefallen: SPÖ 29,7, ÖVP 25,6. Früher hatten sie über 40. Jetzt gibt es keine Großparteien mehr.
In den ersten Interviews setzt Werner Faymann sein bestes Lächeln auf
Im rechten Lager der Blauen und Orangen bricht Leben los: Straches FPÖ hat 18 Prozent, um 7 Prozent mehr als bei den vorigen Wahlen; Haiders BZÖ kommt auf 11 Prozent und hat sich damit fast verdreifacht. Früher waren sie der aufmüpfige Gegenpart zur Regierung. Jetzt sind sie die Gewinner dieser Wahl. Die Grünen verwelken: 9,8 Prozent. Der Verlust von 1,2 Prozent schiebt sie von ihrem Wahlziel, endlich Koalitionspartner zu werden, in die politische Bedeutungslosigkeit. Nichts ist so, wie es einmal war. Die starke Hand, von der alle gesprochen haben, ist die eindeutig die rechte.
In den ersten Interviews setzt Werner Faymann sein bestes Lächeln auf. Die SPÖ ist Wahlsieger. Aber was heißt das schon bei diesen Zahlen. Eine Minderheitsregierung komme für ihn nicht in Frage. Und mit H.C. Strache wolle er, dabei bleibe er auch nach der Wahl, nicht einmal verhandeln. "Das Streiten ist abgewählt worden, das Arbeiten ist gewählt worden", sagt er. Die Zukunft sehe er weiterhin in einer Zusammenarbeit mit der ÖVP, also einer rot-schwarzen Koalition.
Hinter den Kulissen spielte sich derweil eine Revolte ab
ÖVP-Chef Wilhelm Molterer ignorierte Faymanns offenes Werben, er hatte rote Nervenflecken im Gesicht und sonst noch keine Ahnung: "Wir haben verloren, wir müssen das erst analysieren. Wissen Sie, das ist kein schöner Abend für mich." Der Tag darauf war nicht besser. Aus der ÖVP-Zentrale wurde Montagabend sein Rücktritt bekannt gegeben. Nachfolger ist Josef Pröll, bisher Landwirtschaftsminister. Und mit dem kann Faymann gut ackern.
Hinter den Kulissen spielte sich derweil eine Revolte ab. Wolfgang Schüssel, Ex-Kanzler und ÖVP-Klubobmann, versuchte insgeheim, seine Fraktion mit den Rechtsparteien zu verkuppeln. Er scheiterte. Und wird, so hört man schon sehr laut, Molterer in die politische Rente folgen. Der Weg für Rot-Schwarz ist wieder frei. Und die einzige Möglichkeit, den Rechtsruck abzufedern. Das Institute for Social Research and Analysis, kurz SORA, erklärt ihn mit "der Enttäuschung über die große Koalition". Das wichtigste Motiv der FPÖ- und BZÖ-Wähler war "der frische Wind", den die Parteien in das Parlament bringen sollen. Es ist ein Sturm draus geworden.
Viele Wähler unter den Teenagern
Den haben die Protestwähler und vor allem die jungen Wähler zu verantworten. Unter den Teenagern - erstmals durfte man schon ab 16 Jahren sein Kreuzchen setzen - machte Strache fette Beute. Bei Männern unter 30 ist die FPÖ die stärkste Partei. Fast jeder dritte junge Mann und jede fünfte junge Frau in Österreich sieht die Zukunft in H.C. Strache. Rechts-zwo-drei-vier. Hintergrund für den Marschbefehl ist die Ungewissheit. Die Bevölkerung eines der reichsten Länder Europas fürchtet um ihre Existenz. Alles ist teurer, dann noch die Finanzkrise in den USA. Man will niemanden, der ehrlich ist. Man will Versprechen und jemanden, von dem man glaubt, dass er sie durchsetzt. Zu welchem Preis auch immer. Man will jemanden, der Ängste schürt und dann Lösungsansätze liefert.
Was macht es da schon, dass der erste Mann der FPÖ in seiner Jugend mit Gewehren durch den Wald gelaufen ist. Kurz geschorene Haare, paramilitärische Truppenübungen, genau das Richtige für stramme Jungs. Die Fotos von einem stürmenden und drängenden Strache tauchten ganz kurz vor der Wahl in den Zeitungen auf, schadeten ihm aber nicht im Geringsten. Für ihn war's eh nur eine Verschwörung der Medien.
Strache kommt aus der Kaderschmiede Jörg Haiders
Es gab auch niemandem zu denken, dass es bei Straches Ansprachen regelmäßig zu Ausschreitungen kommt. In der Öffentlichkeit mimt er dann den Staatsmann, so gut er es eben kann. "Die große Koalition wurde abgestraft", sagt Strache mit einem blauen Augenzwinkern. Es wäre nicht das erste Mal, dass die drittstärkste Partei den Kanzler stellt. Damals war's Wolfgang Schüssel. Und jetzt stünde er so günstig. Dabei ist Strache für seine Kritiker bloß ein Abziehbild. Er kommt aus der Kaderschmiede von Jörg Haider und kopiert sein Vorbild bis in die Haarwurzeln. Spricht wie er, schaut wie er, bewegt sich wie er, jetzt sogar die Massen.
Und auch das Original ist wieder da. Jörg Haider. Sein BZÖ hat sich vor drei Jahren von der FPÖ abgespaltet, mit allem, was an politischen Bomben und Granaten zur Verfügung stand. Als Landeshauptmann von Kärnten führte der Populist Haider dann der Bundesregierung vor, was Volksnähe ist. Nie wird er müde, auf sein Bundesland der Glückseligkeit zu zeigen, in dem billiger Treibstoff aus den Tankstellen fließt, als wär's Milch und Honig, wo Eltern Geld bar auf die Hand bekommen und der Kindergarten gratis ist. Das hat die Wähler überzeugt.
"Zusammenwachsen, was zusammen gehört"
Mittlerweile ist der Lehrling dem Meister über den Kopf gewachsen. Strache hat Haider das Du-Wort entzogen und glaubt, er braucht ihn nicht mehr. Haider buhlt um ihn, als wär' nichts geschehen. Und selbst in Straches FPÖ werden Stimmen laut, die zu einer Einigung raten. Es solle "wieder zusammenwachsen, was zusammen gehört". Denn gemeinsam sind FPÖ und BZÖ so groß wie die stärkste Partei des Landes, die SPÖ.
Werner Faymann wird jetzt mit der Regierungsbildung beauftragt. Sollte es ihm nicht gelingen, die ÖVP auf eine Koalition einzuschwören, wird der Wind mehr als frisch. Dann wird es kalt in dem Land. Das Nachrichten-Magazin "profil" zeigt auf seinem Titelblatt, wie das ausschauen könnte: Ein Bild von Strache und Haider, darüber vier Buchstaben in Runenschrift: "Sieg…!"