Dieses Mal brauchte es keinen Whistleblower. Ohne Umschweife rief US-Präsident Donald Trump am Donnerstag auch noch China vor laufenden Kameras zu Ermittlungen gegen seinen politischen Gegner auf. "China sollte ebenfalls eine Untersuchung der Bidens beginnen", sagte der Präsident.
Das ist aus mehreren Gründen bemerkenswert:
- Trump droht bereits ein Amtsenthebungsverfahren, weil er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einem Telefonat Ende Juli zu Ermittlungen gegen Joe Biden, aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat der Demokraten, und seinen Sohn Hunter ermuntert hatte. Das wurde zunächst durch einen Whistleblower bekannt. Nun ruft Trump öffentlich zu Ermittlungen auf.
- Trump lässt kaum eine Gelegenheit aus, China zu kritisierten und seine harte Haltung gegenüber dem Land zu betonen. Derzeit befinden sich die USA und China in einem milliardenschweren Handelsstreit, der Schritt für Schritt weiter eskaliert. Die Beziehungen sind mindestens angespannt.
- Trump hat bislang keine Belege für seine Anschuldigungen vorgelegt. Der Präsident und seine Berater führten "eine Kampagne mit Falschinformationen und Irreführung", kritisierten die Demokraten.
Was Donald Trump den Bidens (unbelegt) vorwirft
Joe Biden bewirbt sich um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten für die Wahl im November 2020. Trump beschuldigt Biden, sich als US-Vizepräsident um die Entlassung des ukrainischen Generalstaatsanwalts bemüht zu haben, um Bidens Sohn Hunter vor der Justiz zu schützen. Die Aktivitäten der Bidens in China seien "ungefähr genauso schlimm wie das, was in der Ukraine passiert ist", behauptete er.
Biden war als Vizepräsident im Jahr 2013 von seinen Sohn Hunter bei einer China-Reise begleitet worden. Hunter Biden war damals damit beschäftigt, einen chinesischen Aktienfonds zu gründen. Am Rande des offiziellen Besuchs seines Vaters traf er sich mit einem chinesischen Banker. Der Fonds wurde dann zehn Tage nach dem Besuch der Bidens in China gegründet. Nach Trumps Darstellung soll Hunter Biden die Reise seines Vaters dafür genutzt haben, 1,5 Milliarden Dollar (nach heutigem Wert: 1,36 Milliarden Euro) in China für den Fonds zu besorgen.
Für beide Anschuldigungen gibt es bislang keinerlei Belege. In den Augen von Trump habe aber niemand "irgendeinen Zweifel daran, dass sie betrügerisch waren".
Das sagen Joe und Hunter Biden zu den Vorwürfen
Ein Sprecher von Hunter Biden sagte dem Sender NBC News, dass dieser erst Jahre nach der China-Reise selbst in den Aktienfonds investiert habe. Erst 2017 - nach dem Ausscheiden seines Vaters aus dem Amt des Vizepräsidenten - habe Hunter Biden daran Anteile in Höhe von 420.000 Dollar erworben.
Joe Biden hat die Angriffe von Trump in ungewöhnlich scharfer Form zurückgewiesen. "Sie werden mich nicht zerstören", sagte Biden am Mittwoch (Ortszeit) unter Applaus bei einem Wahlkampfauftritt in Reno im Bundesstaat Nevada an die Adresse Trumps. "Und Sie werden meine Familie nicht zerstören. Es ist mir egal, wie viel Geld Sie ausgeben, Herr Präsident, oder wie dreckig Ihre Angriffe werden." Biden sagte, Trump wisse, dass die Vorwürfe unwahr seien. Er habe in der Ukraine die offizielle US-Politik ausgeführt, die darauf abgezielt habe, die Korruption in dem Land auszurotten. Das sei in Abstimmung unter anderem mit den europäischen Verbündeten und dem Internationalen Währungsfonds erfolgt. Gegen den damaligen Generalstaatsanwalt der Ukraine waren Korruptionsvorwürfe erhoben worden.
Und warum macht Trump das dann?
Trump meint, er habe als Präsident "das absolute Recht, sogar die Pflicht", Ermittlungen wegen Korruption anzuordnen. "Das würde beinhalten, andere Länder zu bitten oder anzuhalten, uns auszuhelfen", twitterte Trump am späten Donnerstagabend (Ortszeit). Ungeachtet dessen, dass es für die Korruptionsvorwürfe bislang keine Belege gibt.
Bidens Wahlkampfteam warf Trump Machtmissbrauch vor. Er habe Angst, die Wahl zu verlieren und greife daher zu grotesken Lügen und längst widerlegten Verschwörungstheorien, um seine Haut zu retten.
Nach Ansicht von Nancy Pelosi, Demokratin und Sprecherin des Repräsentantenhauses, fordere Trump erneut eine ausländische Regierung zur Einmischung in den Wahlkampf auf. Sein Vorschlag an China, Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen einzuleiten, zeige, dass Trump "seinen persönlichen politischen Vorteil über die Verteidigung der Integrität unserer Wahlen stellt", erklärte Pelosi am Donnerstag über Twitter.
In den Vorermittlungen zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren erhoben die Vorsitzenden der zuständigen Ausschüsse im US-Repräsentantenhaus schwere Vorwürfe gegen Trump. Der Präsident und seine Berater führten "eine Kampagne mit Falschinformationen und Irreführung", um es normal erscheinen zu lassen, dass man ausländische Kräfte zur Beeinflussung von US-Wahlen anwerbe, heißt es in einem am Donnerstag (Ortszeit) veröffentlichten Schreiben von Eliot Engel, Adam Schiff und Elijah Cummings an Kongressabgeordnete. Zu der Aufforderung an China, ebenfalls Ermittlungen aufzunehmen, schreiben die Abgeordneten: "Das ist nicht normal und auch nicht akzeptabel". Es sei "unethisch, unpatriotisch und falsch."
Derweil erhöhen die US-Demokraten den Druck
Die Demokraten trieben ihre Untersuchungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump unterdessen weiter voran. Am Donnerstag sollte der bisherige Sondergesandte für die Ukraine, Kurt Volker, vor dem Geheimdienstausschuss im Repräsentantenhaus hinter verschlossenen Türen aussagen. Volker hat nach US-Medienberichten seinen Rücktritt eingereicht.
Volker ist der erste von mehreren Mitarbeitern des Außenministeriums, die die Vorsitzenden der drei in der Ukraine-Affäre ermittelnden Ausschüsse im Repräsentantenhaus vorgeladen haben. US-Außenminister Mike Pompeo hatte den Ausschussvorsitzenden vorgeworfen, seine Mitarbeiter einschüchtern zu wollen. Pompeo selber hatte am Mittwoch eingeräumt, dass er an dem umstrittenen Telefonat Trumps mit Selenskyj teilgenommen habe.
Die Vorsitzenden der drei ermittelnden Ausschüsse schrieben, Pompeo stehe in einem Interessenkonflikt und werde selbst als Zeuge vorgeladen werden. Er solle daher "keine Entscheidungen" mehr treffen in Bezug auf die Aussage weiterer Zeugen aus dem Außenministerium oder die Freigabe von Dokumenten, mahnten die Abgeordneten in dem Schreiben an Vizeminister John Sullivan.
Die Demokraten wollen in der Ukraine-Affäre auch das Weiße Haus unter Strafandrohung zur Herausgabe von Dokumenten zwingen. Die drei Ausschussvorsitzenden kündigten an, an diesem Freitag eine sogenannte Subpoena zu erlassen, sollte das Weiße Haus die bereits am 9. September angeforderten Unterlagen nicht übermitteln.