Washington Memo Wie privat darf ein Krieg sein?

  • von Katja Gloger
Private Sicherheitsfirmen im Irak operieren ohne Rechtsgrundlage und führen sich wie Rambos auf. Ins Gerede gekommen ist vor allem Blackwater. Allein das US-Außenministerium gibt der Firma Aufträge im Wert von rund einer Milliarde Dollar. Da ist das Interesse am Kriegsende nicht sehr groß.

Es sind Szenen wie aus einem ganz schlechten Hollywood-Film - doch leider sind sie grausame Realität. Schwerbewaffnete Männer, die MPs im Anschlag, die Gesichter mit dunklen Sonnenbrillen verdeckt. Vorzugsweise rasen sie in Konvois aus schwarzen, gepanzerten Autos durch irakische Städte, gerne auch auf der falschen Straßenseite, "Gegen den Fluss" nennen sie dieses lebensgefährliche Manöver. Und wehe dem, jemand kommt ihnen in die Quere.

"Schlüsselfertige Kriegslösungen"

So wie der unglückliche Fahrer jenes klapprigen, roten Opel, der in al Hillah bei Bagdad am 24. September des vergangenen Jahres gleich vier dieser schwarzen Autos auf sich zurasen sah. Er wollte ausweichen, bremste, verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug, krachte gegen einen Telefonmast. Der Opel ging in einem Feuerball auf, so Augenzeugen. Doch die schwer bewaffneten Männer fuhren weiter, ohne sich um die Insassen zu kümmern. Die Männer waren Bodyguards der privaten US-Sicherheitsfirma Blackwater. Sie beschützen die amerikanischen Diplomaten im Irak. Ihr Auftraggeber: das US- Außenministerium. Es ist ein sehr gefährlicher Job. Und ein gutes Geschäft. Das US-Außenministerium zahlte der Firma Blackwater bislang eine knappe Milliarde Dollar für ihre Dienste.

Man stelle nur patriotische Profis ein, rühmt man sich bei der Firma Blackwater. Kampferfahrene Männer, die "schlüsselfertige Lösungen" für Sicherheitsprobleme aller Art liefern.

Betrunkener Bodyguard erschießt Leibwächter

So wie wohl auch der betrunkene Blackwater-Angestellte, der am 24. Dezember des vergangenen Jahres mitten in der Grünen Zone Bagdads den Leibwächter eines irakischen Vize-Ministerpräsidenten erschoss - nur, weil der sich ihm in den Weg gestellt hatte. Der Todesschütze wurde entlassen und innerhalb von 36 Stunden aus dem Irak in die USA ausgeflogen.

Man schlug vor, 250.000 Dollar Schadensersatz an die Familie zu zahlen - schließlich handelte es sich bei dem Erschossenen um den Bodyguard eines hochrangigen irakischen Politikers. "Viel zu viel", tobten da Beamte des US-Außenministeriums: "Solche absurd hohen Summen könnten Iraker doch dazu verleiten, sich töten zu lassen, um ihre Familien so finanziell abzusichern." Schließlich zahlte man 15.000 Dollar an die Familie des Getöteten.

Katja Gloger

Die US-Hauptstadt ist ein politisches Haifischbecken, in dem getuschelt, geschmiedet, verschworen und gestürzt wird. Mittdendrin: Katja Gloger. Die stern-Korrespondentin beobachtet in ihrer Kolumne "Washington Memo" den Präsidenten und beschreibt die, die es werden wollen. Dazu der neueste Klatsch aus dem Weißen Haus und von den Fluren des Kongresses.

Und der Täter? Er bleibt unbehelligt. Er wird nicht vor Gericht gestellt. Denn nach dem "Dekret Nr. 17" aus dem Sommer 2004 sind Angestellte amerikanischer Sicherheitsfirmen im Irak von Strafverfolgung ausgenommen. Sie genießen faktisch Immunität, ähnlich wie Diplomaten. Anders etwa als die amerikanischen Soldaten im Irak - die können vor ein Militärgericht gestellt werden.

Und offenbar wird auch der letzte bekannte "Zwischenfall" dieser Art keine gerichtlichen Folgen für die Schützen haben. Vor zwei Wochen schossen Blackwater-Sicherheitsmänner auf dem Nisur-Markt in Bagdad in eine angeblich gefährliche Menge, als sie einen hochrangigen Diplomaten zurück in die grüne Zone transportierten. Zuvor war eine Bombe in der Nähe des Marktes explodiert. Nach Augenzeugenberichten schossen die Amerikaner wild um sich, Menschen starben, Fahrer verloren die Kontrolle über ihre Autos. In der ausbrechenden Panik eskalierte die Schießerei. Die Amerikaner schossen noch in die fliehende Menge. Mindestens 17 Menschen starben, darunter ein Kind, 24 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.

Al Maliki sprach von "kaltblütigem Mord"

Als der irakische Ministerpräsident al Maliki daraufhin von "kaltblütigem Mord" sprach, beeilte sich US-Außenministerin Condoleezza Rice, zum Telefonhörer zu greifen und ihr Beileid zu versichern. Sie versprach eine objektive Untersuchung. Ob sie wirklich nicht wusste, dass es in den vergangenen drei Jahren allein bei der Firma Blackwater zu fast 200 so genannten "Zwischenfällen" kam, bei denen Schusswaffen eingesetzt wurden?

Schließlich ist ihr Ministerium der größte Auftraggeber für die Firma Blackwater. Rund 1000 Blackwater-Männer stehen in Diensten des State Department im Irak. Sie beschützen auch die Ministerin, wenn sie mal auf Stippvisite nach Bagdad kommt.

Während sich das Außenministerium um Schadensbegrenzung bemühte, beeilte sich in Washington der US-Kongress, eine Anhörung des Kontrollausschusses zum Thema Blackwater einzuberufen. Ein Untersuchungsbericht lag vor - aus Tausenden Dokumenten und E-Mails akribisch zusammengetragen. Und dieser Bericht fragt auch nach der Aufsichtspflicht des US-Außenministeriums im Falle der Firma Blackwater.

Welche Rolle spielen private Firmen im Krieg?

Jetzt, endlich, beginnen die Abgeordneten, ein lange vernachlässigtes Kapitel des US-Krieges gegen den Terror aufzuarbeiten: die Rolle privater Firmen in diesem weltweiten Krieg. Rund 160.000 so genannter "contractors" beliefern die US-Militärmaschinerie in Afghanistan und im Irak mit Dienstleistungen aller Art: sie waschen Wäsche, reinigen Latrinen, sie fahren Tanklaster durch die gefährlichsten Orte im Irak. Sie verhören Gefangene, liefern Lebensmittel, Büroeinrichtungen. Sie arbeiten in Wiederaufbauprojekten, bohren Brunnen, reparieren Elektrizitätswerke. Es ist eine riesige Armee - ohne sie wäre die US-Armee faktisch kampfunfähig oder müsste Zehntausende Soldaten mehr in den Irak schicken.

So machen Hunderte Firmen ihre Geschäfte, und viele betrachten den Irak dabei wohl als eine Art Selbstbedienungsladen. Ganz Große, wie die Halliburton-Tochter Kellog, Brown & Root, kassieren gleich Milliarden. Chef des Öldienstleiters Halliburton war einst der heutige Vizepräsident Richard Cheney. Gegen Dutzende Firmen laufen Ermittlungsverfahren wegen Korruption, Betruges und überhöhter Preise. "Coalition of the billing" nennt man sie. Die "Koalition der Abrechner."

Viele der "contractors" sollen US-Bürgern Schutz liefern. Angebliche Sicherheit. 50.000 private Sicherheitsleute operieren im Irak. Es sind Söldner, die keinem Militär- oder Rechtssystem unterstehen.

Diese Privatisierung des Krieges ist ein Milliarden-Business. Und in den Mittelpunkt dieses gigantischen Geschäftes rückt die private Sicherheitsfirma Blackwater. Vor zehn Jahren gründete Eric Prince, 38, einst Offizier bei der Elitetruppe der Navy-Seals, die Firma. Nach dem Tod seines Vaters hatte er dessen lukratives Unternehmen verkauft und investierte in seine Vision: "Wir unterstützen Sicherheit und Frieden sowie Freiheit und Demokratie überall in der Welt." Dafür stelle man "Soldaten zur Verfügung, die schlüsselfertige Lösungen liefern".

Eisenharter Unterstützern der Republikaner

Eric Prince hatte gute Kontakte. Die Familie gehört zu den eisenharten Unterstützern der Republikaner, und auch zu den Großspendern im Wahlkampf von George W. Bush. Wie er ist Prince ein wiedergeborener Christ, ein Mann, heißt es, erzkonservativ bis auf die Knochen. Der 11. September 2001 war, wenn man so will, ein Glücksfall für seine junge Firma. Von nun an boomte Blackwater. Von 2001 bis 2006 bis stiegen die Umsätze aus Staatsaufträgen um sagenhafte 80.000 Prozent: von 700.000 Dollar auf knapp 600 Millionen Dollar. Blackwater baute ein neues Hauptquartier in Moyock, North Carolina, Maschinengewehrläufe dienen als Türgriffe. Allein das lokale Ausbildungs- und Übungsgelände ist halb so groß wie Manhattan. Man habe 21.000 Namen kampferprobter Männer in der firmeneigenen Datenbank, heißt es, man könne jederzeit ganze Brigaden für "friedenssichernde Missionen" zur Verfügung stellen. Der offizielle Slogan der Blackwater-Bodyguards lautet: "Wenn Scheitern keine Option ist und Hoffnung allein nicht ausreicht."

Daneben existiert allerdings auch ein inoffizielles Credo des "contractors". Das schicken sich die Leibwächter per E-Mail zu: "Ich mache diesen Job, weil ich die Feinde meines Landes töten und mir endlich die Yacht leisten kann, die ich schon immer haben wollte. Und in jedem Kampfgebiet finde ich den Swimming-Pool, Alkohol und Frauen."

Von Anfang an schützte Blackwater die US-Diplomaten im Irak. Heute ist das US-Außenministerium größter Auftraggeber der Firma. Rund 1000 Blackwater-Leute agieren im Irak. Für die Dienste eines Bodyguards kassiert Blackwater rund 400.000 Dollar im Jahr - ein Vielfaches dessen, was ein US-Offizier kosten würde. "Wenn der Krieg privatisiert wird", sagte der demokratische Präsidentschaftsbewerber und Abgeordnete Dennis Kucinich während der Kongress-Anhörung, "dann haben private Vertragspartner ein Interesse am Andauern des Krieges: Je länger der Krieg ist, desto mehr Geld verdienen sie."

Seine Männer haben sich nichts vorzuwerfen

Erbittert verteidigte der sonst so öffentlichkeitsscheue Blackwater-Chef Eric Prince während der Kongress-Anhörung die Einsätze seiner Männer. Keiner seiner Auftrageber sei bislang zu Schaden gekommen. "Meine Leute haben in einem komplexen Kriegsumfeld angemessen gehandelt", sagte er. "Der Behauptung, sie führen sich wie Cowboys auf, stimme ich nicht zu."

Prince weiß, das Image seiner Firma steht auf dem Spiel - und damit womöglich Millionenaufträge. Schließlich hatte Blackwater schon Anfang dieses Jahres negative Schlagzeilen geliefert: Damals hatten vier Frauen vor dem Kongress ausgesagt. Die Witwen jener vier so grausam geschändeten Amerikaner, die vor drei Jahren in Fallujah ermordet wurden. Es waren Angestellte der Firma Blackwater, die einen Konvoi mit Küchengerät schützen sollten. Man hatte sie nach Fallujah geschickt, trotz Warnungen, ohne hinreichenden Schutz, ohne hinreichende Bewaffnung. Es gab noch nicht einmal eine anständige Straßenkarte. Man wollte Kosten sparen. Die Angehörigen der Ermordeten haben Blackwater wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht verklagt. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Man wolle sich in humanitären Missionen bewähren

Unterdessen denkt man im schmucken Hauptquartier in Moyock an die Zukunft. Man wolle sich vor allem in "humanitären Missionen" bewähren, heißt es. Und der Frontmann für die Beschaffung neuer, lukrativer Aufträge ist in Washington wohl bekannt: Der ehemalige CIA-Mann Cofer Black, bis vor wenigen Jahren noch Leiter der Antiterrorismus-Abteilung des US-Geheimdienstes. Cofer Black leitete zunächst die geheimen Operationen bei der Jagd auf Osama bin Laden. Dessen "Kopf" wolle er sehen, hatte er gefordert, in einer Kiste nach Washington geschickt. Als Blackwater-Mann stimmt er heute mildere Töne an. Man denke an "friedenserhaltende Einsätze", ja, durchaus auch unter Leitung der Vereinten Nationen. Einsatzgebiet? Vor allem in Darfur, Afrika. So machen sich Söldner zum Anwalt der Opfer eines Völkermordes. Die Privatisierung des Krieges kennt keine Grenzen. Schließlich geht es um die Eroberung neuer, profitabler Märkte.