Wesley Clark Ex-US-General befürchtet Iran-Krieg

Droht ein weiterer Krieg am Golf? Die USA und der Iran steuern nach Ansicht des ehemaligen US-Generals Wesley Clark direkt auf einen solchen zu. Denn US-Präsident Bush setze auf Eskalation, sagte Clark im stern.de-Interview. "Ich fürchte, es wird zu einer militärischen Konfrontation mit dem Iran kommen."

General Clark, immer lauter wird der Protest gegen Präsident Bush und seine Irak-Politik. Doch unbeirrt schickt er 20000 zusätzliche Soldaten nach Bagdad. Können die ihm den versprochenen Sieg bringen?

Wie denn? Es handelt sich um ein taktisches Manöver, bestenfalls um einen Versuch, den Konflikt zu ersticken. Das wird nicht gelingen. Wir hatten nie genug Truppen im Irak. Das war schon im Juli 2003 klar, drei Monate nach dem Einmarsch. Doch jetzt ist es viel zu spät für Truppenerhöhungen. Die angeblich „Neue Strategie“ des Präsidenten ist seine alte Position: „Wir halten den Kurs!“ Und das ist, als ob man mitten in der Nacht geradewegs auf einen Eisberg zufährt. Alle rufen, alle warnen - doch der Kapitän kümmert sich nur um die Zahl der Deckstühle.

Doch es heißt, erst müsse Sicherheit hergestellt werden. Irakische und US-Truppen führen gemeinsame Säuberungsaktionen durch, mit Hunderten Toten.

Diese Regierung machte Krieg zu ihrem bevorzugten Instrument. Aber jetzt stehen wir an einem Wendepunkt. Nicht nur im Irak, sondern in der gesamten Region. Die Strategie der USA ist falsch, vollkommen falsch. Was können denn ein paar zusätzliche Brigaden erreichen? Mehr Straßensperren vielleicht, mehr Säuberungsaktionen, ein paar Anfangserfolge. Doch wie lange würde das anhalten? Um Aufständische wirklich zu bekämpfen, müsste man ihr Operationsfeld absperren, ihren Nachschub abschneiden. Geld, Waffen, Agenten, Ausbilder. All das kommt aus dem Iran, aus Syrien, und auch aus Ländern, die mit uns befreundet sind...

Wesley Clark

Der Vier-Sterne-Gerneral Wesley Clark war Nato-Oberbefehlshaber im Kosovo-Krieg. Im Jahr 2004 bewarb sich der Vietnam-Veteran um die Präsidentschaftskandidatur für die demokratische Partei, verlor aber gegen John Kerry. In den vergangenen Jahren arbeitete Clark als Militärexperte für TV-Stationen, half demokratischen Kandidaten im Wahlkampf und unterichtet an der Universität von Kalifornien. Er gilt als ein möglicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2008.

... wie etwa Saudi-Arabien, das sunnitische Aufständische unterstützen soll.

Es ist unmöglich, dieses Einsatzgebiet zu isolieren. Im Kosovo kamen damals 40000 Soldaten auf eine Bevölkerungszahl von zwei Millionen. Diesem Verhältnis zufolge bräuchte man 500000 US-Soldaten im Irak. Die Folge wird sein: noch mehr tote Amerikaner, noch mehr tote Iraker. Und Terroristen, die sich immer mehr ermutigt fühlen. Das Schreckliche ist: wir können diesen Krieg nicht mehr gewinnen.

Politiker der demokratischen Partei, die Sie unterstützen, fordern einen Truppenabzug.

Die Invasion war ein Fehler. Aber es wäre jetzt auch ein Fehler, die Truppen abzuziehen oder ein festes Datum zu setzen. Das würde den Irak ins Chaos stürzen. Oder zur Entstehung eines radikalen islamistischen Staates führen.

Welche Optionen haben die USA dann überhaupt noch?

Wir brauchen keine Verstärkung der Truppen, wir brauchen eine Verstärkung der Diplomatie. Keine Drohungen mehr. Eigentlich müsste jetzt ein Team unserer besten Diplomaten ständig in der Region unterwegs sein. Es müsste dabei auch ein ernsthaftes Bemühen deutlich werden, den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen. Und wir müssen endlich mit Iraks Nachbarn ins Gespräch kommen, bevor es zu spät ist, vor allem mit dem Iran. Wir brauchen direkte Diplomatie, einen Dialog. Dann hätten wir durchaus Chancen, auf Veränderung zu drängen - etwa auch im Iran.

Zum Beispiel?

Der iranischen Wirtschaft geht es schlecht. Dabei besitzt das Land viel Öl. Und amerikanische Konzerne haben die Technologie, dieses Öl zu fördern. Da gäbe es doch viel Spielraum für Gespräche.

Doch Bush und Außenministerin Rice schließen Verhandlungen aus.

Auch der Iran muss seinen Kurs ändern. Dieses Land will Nuklearmacht werden. Einer der Gründe, warum die USA in den Irak einmarschiert sind, ist ja der Versuch, die hegemonialen Bestrebungen des Iran einzudämmen. Und wir wissen, der Iran ist im Irak aktiv. Er profitiert von den Machtkämpfen dort. Und Teheran kann den Druck ständig erhöhen.

Bereits im vergangenen Sommer gab Präsident Bush den geheimen Befehl, iranische Agenten im Irak zu töten. Jetzt gehen US-Truppen dort massiv gegen Iraner vor. Und gerade wurde ein weiterer Flugzeugträger im Persischen Golf stationiert. Wohin führt das?

Der Präsident setzt auf Eskalation. Diese Schlacht beginnt jetzt. So kommen jetzt immer mehr Informationen über iranische Aktivitäten im Irak an die Öffentlichkeit. Dies ist kein Zufall. Diese Regierung bastelt an dem „Fall Iran“. Ich fürchte, es wird zu einer militärischen Konfrontation mit dem Iran kommen. Mit katastrophalen Folgen, für die Region und für uns. Dann würde Diplomatie kaum noch möglich sein.

Bislang jedenfalls unterstützt Bush die UN-Sanktionen gegen den Iran.

Wie lange denn noch? Diese Sanktionen funktionieren doch nur sehr begrenzt. Man muss diesen Präsidenten schon bei seinem Wort nehmen. Und er sagt, dass er einen nuklear bewaffneten Iran nicht akzeptieren wird. Im November 2002 traf ich einen ehemaligen Kollegen im Pentagon. Er sagte mir, in den kommenden fünf Jahren seien sieben Länder dran. Dieser Präsident wird nicht einfach zusehen.

In Afghanistan droht unterdes eine Großoffensive der wiedererstarkten Taliban. Braucht die NATO mehr Truppen?

Zweifellos. Wir brauchen mehr Nato-Soldaten in Afghanistan. Auch dort waren von Anfang an zu wenig Truppen im Einsatz. Und das ist besonders schlimm, denn diese Mission hätten wir gewinnen können. Doch jetzt steigt die Zahl der Aufständischen, während wir jeden Tag weiter zurückfallen. Es ist bereits sehr, sehr spät für uns.

Sollen auch die Deutschen mehr Soldaten schicken und etwa im gefährlichen Süden Afghanistans operieren?

Ja. All das wäre richtig. Denn die Idee der nationalen Beschränkungen ist falsch. Immer noch legt jedes Nato-Land ja eigene Regeln für die Verwendung seiner Truppen fest. Sie sind eine enorme Schwachstelle während militärischer Operationen und müssen endlich aufgehoben werden. Während der Kosovo-Mission 1999 etwa kam es zum Teil zu gewaltigen Abstimmungsproblemen. Ich erlebte, dass Kommandeure jeden Tag ihr Ministerium anrufen und um Erlaubnis für jede Kleinigkeit bitten mussten.

Und warum hat es im Kosovo dann doch funktioniert?

Wir hatten das gewaltige Glück, dass es dort keine wirkliche Opposition gab, keinen Feind, gegen den man ernsthaft militärisch vorgehen musste. Die Erfahrungen in Afghanistan zeigen: Wir brauchen endlich eine wirklich integrierte alliierte Streitmacht und keine Ansammlung nationaler Einheiten wie bislang.

Droht der NATO in Afghanistan eine Niederlage wie einst der Roten Armee?

Das Risiko besteht. Die Taliban sind wie ein Krebs, der rasend schnell wächst. Aber auch in Afghanistan gilt: die NATO allein löst die Probleme nicht. Das Land braucht mehr Wirtschaftshilfe und vor allem Organisationen, die beim Wiederaufbau helfen. Dauerhaft, über viele Jahre.

Vor zwei Jahren bewarben Sie sich um das Präsidentenamt. Damals scheiterten Sie in den Vorwahlen. Wollen Sie jetzt gegen Hillary Clinton antreten?

Ach, ziehen Sie mich doch nicht in diese politischen Spekulationen. Das werde ich demnächst entscheiden. Nur soviel: Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht antreten werde.

Interview: Katja Gloger

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