Krieg in der Ukraine CDU-Experte Kiesewetter will den "Krieg nach Russland" tragen – doch er hat die Rechnung ohne den Trump gemacht

Die Taurus ist eine wirksame Waffe, wird den Krieg aber nicht wenden können.
Die Taurus ist eine wirksame Waffe, wird den Krieg aber nicht wenden können.
© South Korean Defense Ministry
Die Schrecken des Krieges sollen auch Russland treffen. CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter will die Unterstützung für Kiew deutlich erhöhen und spricht davon, dass Deutschland die Rolle der USA übernehmen solle. Ein gefährlicher Traum, bei dem Kiew nur verlieren kann.

Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter ist für markige Worte bekannt. In einem Interview mit der Deutschen Welle nimmt der Major a.D. kein Blatt vor den Mund. Er fordert, dass der Krieg nach Russland kommen müsse. Und damit meint er auch die Taurus-Marschflugkörper, den deutschen Bunkerknacker mit hoher Reichweite. Wörtlich sagt er: "Der Krieg muss nach Russland getragen werden. Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden. Wir müssen alles tun, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsstände."

Stabilisieren der Front

Aus militärischer Perspektive hat Kiesewetter recht. Die Aussage steht jedoch unter einem Vorzeichen, welches er lieber verschweigt. Derzeit verläuft der Krieg am Boden nicht gut für die Ukraine. An mehreren Stellen erschüttern die Russen die ukrainische Frontlinie. Dabei gelingen ihnen nur geringe Geländegewinne. Bislang. Doch das muss nicht so bleiben. Der britische Geheimdienst geht davon aus, dass Putin diese Form der Offensive beliebig lang fortführen kann. Die Russen sind in der Lage, ihre Verluste zu ersetzen. Es ist sogar anzunehmen, dass sie von Monat zu Monat stärker werden. 

Doch was passiert, wenn ukrainische Truppen irgendwann so zermürbt sind, dass sie sich nicht mehr geordnet zurückziehen, sondern Frontabschnitte kollabieren? Eine solche Offensive kann nur gestoppt werden, wenn Ziele im Hinterland getroffen werden. Hinter der Front und auch in Russland. Damit so der Nachschub zum Erliegen kommt und die Kommandostrukturen erschüttert werden. Das könnte den ukrainischen Streitkräften Luft machen und die Kosten des Krieges für Russland deutlich erhöhen. Nicht mehr und nicht weniger.

Nichts geht ohne die USA

Gleichzeitig fordert Kiesewetter dazu auf, die Anstrengungen in Europa zu verstärken und den Wegfall der US-Hilfen zu kompensieren. Ob die Europäer die finanziellen Lasten tragen können oder wollen, kann man noch diskutieren. Doch die Staaten Europas können das militärische Arsenal der USA nicht ersetzen. Die Ukraine kann den Krieg nur mit der Unterstützung der USA weiterführen. Kiew und Westeuropa müssen dafür sorgen, dass diese Unterstützung weiter gewährt wird. Auch im Wahlkampf und unabhängig davon, wer der nächste Präsident wird. Trump-Bashing ist verständlich und liegt vielen auf der Zunge. Doch ohne die USA geht es nicht und es ist unverantwortlich, das Gegenteil zu suggerieren.

Großgerät, welches Kiew 2024 und teils auch 2025 bekommen soll, muss jetzt schon im Magazin stehen oder in der Produktion eingetaktet sein. Gerade bei Präzisionswaffen großer Reichweite geht kein Weg an den Vorräten der USA vorbei. Die Schläge, die Kiesewetter sich vorstellt, können allein von Waffen wie den GLSDB-Gleitbomben und den Atacams-Raketen der Amerikaner durchgeführt werden. Der Krieg in der Ukraine schreit nach Stückzahlen. Die Taurus ist keine Wunderwaffe, die in homöopathischer Dosierung den Krieg wenden kann. Es ist eine qualitativ hochwertige Waffe, die besondere Ziele ausschalten kann. Aber den Krieg nach ganz Russland tragen, kann sie nicht. Um die Dimension zu verstehen: Die Russen werfen in einem Monat über 1000 Gleitbomben auf die ukrainischen Stellungen. 

Steilvorlage für Donald Trump

Weiterhin wird übersehen, dass Kiew ohne die USA blind und taub wird. Ohne die Spionage-Satelliten, die Global-Hawks und die Luftraumüberwachung fehlt Kiew die nötige Zielaufklärung, um Präzisionswaffen sinnvoll einsetzen zu können. Ohne das private, aber eben doch amerikanische Starlink-System bricht die Kommunikation der ukrainischen Streitkräfte zusammen. Selbst um statische Objekte wie eine Fabrik angreifen zu können, muss die russische Luftabwehr bekannt sein, um die Route festlegen zu können. 

Trump allein ist nicht das Problem, er treibt eine verbreitete Stimmung nur auf die Spitze. Angesichts der Probleme im eigenen Land von Obdachlosigkeit, bröckelnder Infrastruktur und Drogenepidemien sind Ausgaben für langwierige Kriege unpopulär. Viele Amerikaner fragen sich, was die ungeheuren Kosten für die Kriege im Irak und Afghanistan ihnen gebracht haben. Damit die Hilfen der USA im Wahljahr nicht versiegen, ist Fingerspitzengefühl und kein Polterstil gefragt. Kiesewetters trotziges "Wir schaffen das allein" ist eine Steilvorlage für Donald Trump. Der würde antworten: "Großartig! Wunderbar, Roderich! Dann macht es doch selbst!" 

Quelle: Deutsche Welle

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