Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), fühlt sich nach eigenen Angaben von der scharfen Attacke des AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland schwer getroffen. "Im ersten Moment ist man schwer schockiert", sagte Özoguz in der ARD-Talksendung "Maischberger". Die Integrationsbeauftragte äußerte sich erstmals ausführlich zu der Äußerung Gaulands, sie in Anatolien "entsorgen" zu wollen.
"Diese Äußerung von Herrn Gauland hat mich getroffen, weil ich zunächst diese Verbindung nicht herausarbeiten konnte - warum in Anatolien, warum ich?", fragte Özoguz. "Dieses Ausmaß wurde mir dann erst richtig bewusst im Laufe des Tages - ich habe mir gedacht, Mensch, was darf man alles in Deutschland sagen?"
Mehrere Strafanzeigen gegen Alexander Gauland
Gauland hatte Ende August bei einer Wahlkampfveranstaltung im thüringischen Eichsfeld Äußerungen von Özoguz kommentiert, wonach eine spezifisch deutsche Kultur jenseits der Sprache nicht auszumachen sei. Er sagte laut Medienberichten: "Das sagt eine Deutschtürkin - ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist, danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können."
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft im thüringischen Mühlhausen gingen mehrere Strafanzeigen gegen Gauland wegen der Äußerungen ein. Die Staatsanwaltschaft prüft eine mögliche strafrechtliche Relevanz. Ermittlungen sind aber nicht möglich, solange Gauland als Abgeordneter im brandenburgischen Landtag Immunität genießt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und andere Spitzenpolitiker hatten Gaulands Äußerung als "rassistisch" verurteilt.
AfD-Politiker legten in Pforzheim nach
Özoguz relativierte bei "Maischberger" ihre Aussagen zur deutschen Kultur. "Ich hätte an dieser Stelle nochmal sagen müssen: Was soll eigentlich die spezifisch deutsche 'Leitkultur', nicht nur deutsche 'Kultur' an sich"? Es wäre "völlig absurd zu sagen, es gäbe keine deutsche Kultur", sagte sie.
Derweil legten AfD-Politiker noch einmal mit Verbalattacken gegen missliebige Konkurrenten und Journalisten nach und verstiegen sich dabei in platte Wortspiele: Bei einer Wahlkampfveranstaltung im baden-württembergischen Pforzheim bezeichnete Parteichef Jörg Meuthen ZDF-Moderatorin Marietta Slomka einem Bericht der "Welt" zufolge als "Marionetta", Spitzenkandidatin Alice Weidel ließ demnach wissen, dass es unerheblich sei, ob der CSU-Generalsekretär nun Andreas Scheuer oder Andreas Scheurer heiße ("Daran sieht man, wie wichtig er ist.“) und Alexander Gauland griff seine umstrittene Anatolien-Äußerung auf.

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Seine Worte zeigten, wie wenig die Kritik bei ihm angekommen ist: "Ich habe eigentlich nur Frau Özoguz einen längeren Urlaub in einem Land empfohlen, wo sie offenbar mehr von der Kultur versteht", zitiert ihn die Zeitung. Gelächter im Publikum. Ins selbe Horn bließ laut "Welt" auch Erika Steinbach, Ex-CDU-Abgeordnete und inzwischen offene Unterstützerin der AfD. Sie trat als Wahlkampfhelferin für die Rechtspopulisten auf und sprang dem Spitzenkandidaten zur Seite: "Sich zu empören, wenn Alexander Gauland sagt, wir wollen sie entsorgen in eines der beliebtesten Urlaubsgebiete der Deutschen, nach Anatolien - das ist schon abenteuerlich."
