Was soll ich wählen? Welche Partei steht für was? Diese Fragen treiben auch am Wahlsonntag noch immer unzählige Deutsche um. Denn es gibt viele Themen, über die in Deutschland gestritten und diskutiert wird: Die Höhe des Renteneintrittsalters, innere Sicherheit, Flüchtlingspolitik und Umweltschutz sind nur einige davon. Wer sich in den kommenden Jahren um Lösungen kümmern soll, entscheiden die Deutschen an diesem Sonntag. Dann stellen sich mehr als 40 Parteien und politische Vereinigungen zur Bundestagswahl 2017.Welche Positionen die einzelnen Parteien vertreten, steht zum einen in ihren Programmen. Verknappt auf 38 Thesen finden sich Antworten auf die drängenden Fragen aber auch im Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung, der die Wahlentscheidung erleichtern soll. Die Anwendung gibt es als App, Sie können aber auch einfach auf das Bild oben in diesem Artikel klicken. Sollten Sie diesen Artikel in der stern-App lesen, klicken Sie bitte auf diesen Link, um zum Wahl-O-Mat zu kommen.
Wie funktioniert der Wahl-O-Mat 2017?
Dem Nutzer werden verschiedene Positionen zu aktuellen Themen präsentiert, die mit "Stimme zu", "Stimme nicht zu" oder "Neutral" beantwortet werden. Auch Überspringen ist möglich. Themen, die dem Nutzer besonders wichtig erscheinen, können mit einem Stern markiert werden. Diese werden doppelt bewertet. Im letzten Schritt entscheiden Sie sich für maximal acht Parteien, die bei der Auswertung berücksichtigt werden sollen.
Anhand der Antworten und der gewählten Schwerpunkte ermittelt der Wahl-O-Mat schließlich, welche Partei am besten passt. Bei Entscheidungsschwierigkeiten können im Nachhinein die jeweiligen Stellungnahmen der Parteien zu den einzelnen Thesen helfen.
Das sind die Tücken des Wahl-O-Mat
Themenkomplexe werden oft auf eine einzige These reduziert. Zu Digital- und Online-Politik taucht etwa nur die Frage nach Fake-News in Social-Media-Angeboten auf. Das wird dem breiten Thema nicht gerecht. Ähnlich verhält es sich beispielsweise bei Gesundheits- oder Sozial-Fragen.
Dazu kommt: Gerade die kleinen Parteien konzentrieren sich möglicherweise auf ein oder zwei Kernthemen. Sind dem Wähler genau diese Themen wichtig, gibt es eine Übereinstimmung. Andere - ebenfalls bedeutsame - Themen, bleiben dann aber außer Acht, weil die Parteien im Wahl-O-Mat eine offiziell neutrale Position einnehmen.
Alternative Apps zur Entscheidungsfindung
Dass besonders junge Wähler in der Wahlkabine oft ins Schwitzen geraten, haben auch private Entwickler sich zu nutzen gemacht. So gibt es neben dem "Wahl-O-Mat" noch weitere Apps und Internetseiten, auf denen die eigenen Antworten mit den Positionen der verschiedenen Parteien abgeglichen werden.
WahlSwiper
Im Stil der berühmten Dating-App "Tinder" entwickelte die Berliner Agentur "movact" eine Anwendung, bei der Nutzer ihre Meinung zu verschiedenen Thesen per Wischbewegungen kundtun. Der Unterschied zum BPB-Original: Es sind nicht alle Parteien in der Auswertung vertreten, die bei der Bundestagswahl auf Stimmenfang gehen. Außerdem muss der Nutzer des "WahlSwipers" ohne die Antwortmöglichkeit "Neutral" auskommen.
Mehr zu der "Wahl-O-Mat"-Alternative im Tinder-Kleid finden Sie hier.
DeinWal.de
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt die Webseite "DeinWal.de". Aus 200 realen Abstimmungen im Bundestag haben die Programmierer Martin Scharm und Tom Theile 42 Fragen zu unterschiedlichen Themengebieten gegliedert, die der Nutzer mit "Ja" oder "Nein" beantwortet. Auch eine Enthaltung ist möglich. Die anschließende Auswertung zeigt, welche Partei in den meisten Fällen wie man selbst abgestimmt hat. Tatsächliche Entscheidungen also, statt unverbindliche Wahlversprechen. Der einzige Haken: Die Positionen der FDP, AfD und anderen kleinen Parteien fehlen, da sie in der letzten Legislaturperiode nicht im Parlament vertreten waren.
Digital-Thesen-Check
Der Digital-Thesen-Check des SPD-nahen Digitalvereins D64 setzt den Schwerpunkt auf Netzthemen. Anfang Juli schickten die Entwickler 41 Thesen an alle im Bundestag vertretenen Parteien, sowie an die FDP und AfD. Dabei ging es ausschließlich um die künftige Rolle der Digitalisierung in Deutschland. Die Positionen der Parteien sowie deren ausführliche Antworten werden im Digital-Thesen-Check zusammengefasst - der zwar nicht so interaktiv ist, dafür aber einen guten Überblick verspricht. Was allerdings fehlt: Die Positionen der AfD, die sich zu den Thesen nicht geäußert haben.
Sozial-O-Mat
Auch die Diakonie Deutschland versucht Menschen mit Entscheidungshilfen an die Wahlurnen zu holen. Dafür schickt der Bundesverband den "Sozial-O-Mat" ins Rennen, der die Standpunkte des Nutzers zu ausschließlich sozialen Themen abfragt und ihre Antworten mit den Positionen der sechs großen Parteien abgleicht. Der Unterschied zum "Wahl-O-Mat": Statt eine klare Wahlempfehlung zu geben, möchte die Diakonie den Wähler über die Folgen seiner politischen Entscheidungen informieren. So werden zunächst die Probleme der einzelnen politischen Kernbereiche wie Familie, Pflege und Armut erklärt, bevor es im nächsten Schritt zu den Fragen geht. Die Auswertung zeigt eine Auflistung der Parteien und ihre Übereinstimmung mit den eigenen Antworten in Prozent. Auf der nächsten Seite werden mögliche Auswirkungen der eigenen Positionen gezeigt.
Science-O-Mat
Wer seine Wahlentscheidung von Themen wie Embryonenforschung, Tierversuche und genetisch veränderte Pflanzen abhängig machen will, könnte beim "Science-O-Mat" fündig werden. In 15 Thesen wird hier die Meinung über Wissenschaftsthemen abgefragt. Unter anderem: "Die Forschung an menschlichen Embryonen soll in Deutschland erlaubt werden." oder "Eine verpflichtende Masernimpfung für Kinder und Erwachsene sollte eingeführt werden." Als Nutzer hat man die Wahl zwischen "Stimme zu", "Neutral" oder "Stimme nicht zu" - insofern alles beim Alten. Neu ist tatsächlich nur das Themenspektrum, das im Wahlkampf bisher weniger Beachtung fand. In der Gesamtübersicht finden sich auch sämtliche Stellungnahmen der Parteien zu den jeweiligen Thesen. Nur die AfD bleibt hier außen vor, weil sie sich zu den Anfragen nicht geäußert hat. Der Science-O-Mat wurde vor ehrenamtlichen Mitarbeitern organisiert, die im Umfeld des Berliner "March for Science" aktiv sind.
Meine erste Wahl
"Meine erste Wahl" funktioniert ebenfalls per Swipe im Tinder-Stil. Die App, die für iOS und Android verfügbar ist, richtet sich nach Angaben der Entwickler an junge Wähler. Diese können sich für und gegen Aussagen, Politiker und deren Zitate entscheiden. Das Ergebnis wird währenddessen in Echtzeit auf dem Display angezeigt. Die Ergebnisse der Nutzerentscheidungen werden auf der Webseite des Entwicklers präsentiert.
Wahl-Navi
Auf wahlnavi.de können Wähler ab sofort in einem personalisierten Test die politischen Positionen der jeweiligen Parteien mit den eigenen politischen Ansichten abgleichen. Das Angebot wurde von der RTL-Gruppe konzipiert und erstellt.
Im Wahl-Navi sind 30 Thesen und Fragen aufgeführt, die jeweils für ein großes Thema im Wahlkampf und für die Programmpunkte der Parteien stehen. "Die Nutzer können ihnen bei der Bewertung zustimmen, sie ablehnen oder als irrelevant einstufen", heißt es in einer RTL-Mitteilung. Anders als zum Beispiel der Wahl-O-Mat frage das Wahl-Navi aber auch nach der persönlichen Meinung über die Kompetenz führender Politiker und ihrer Parteien. Darüber hinaus verwende es Algorithmen, um die inhaltlicher Nähe zwischen Usern und Parteien zu messen.
Am Ende bekommt der Nutzer einen Überblick darüber, welcher Partei er mit seinen Antworten am nächsten kommt und wo er in der Parteienlandschaft steht.
Agrar-O-Mat
Dieser Wahlhelfer legt den Fokus auf landwirtschaftliche Themen. Viele davon sind aber auch für normale Verbraucher interessant, da es sich um Fragen zu Nahrungsmittelproduktion und Tierschutz handelt. Daher lohnt sich eventuell auch für Nicht-Bauern ein Blick auf den Agrar-O-Mat. Das Fachportal "Agrarheute" schreibt zum Hintergrund: "Auf Grundlage einer Umfrage unter Landwirten haben wir 22 Thesen zur deutschen Agrarpolitik hinsichtlich der Bundestagswahl 2017 erstellt. Fünf Parteien haben ihre Position zu den agrarpolitischen Thesen abgegeben (CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Die Linke). Die AfD hat auf unsere Nachfrage keine Antworten geliefert."
Die Wahlprogramme der großen Parteien im Überblick
Wenn Sie Ihre Wahlentscheidung nur ungerne in die Hände einer App oder Website legen, können Sie sich auch über die Wahlprogramme der Parteien informieren. Wir haben die wichtigsten Punkte für Sie zusammengefasst.
CDU/CSU
Die aktuelle Kanzlerin und Spitzenkandidatin Angela Merkel wirbt mit dem Spruch "Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben" für die CDU und CSU. Ganz in diesem Sinne erklären beide Parteien hohe Beschäftigungszahlen zu ihrem zentralen Ziel. Mit zusätzlichen 15.000 neuen Polizeibeamten soll außerdem die innere Sicherheit gewährleistet werden. In Fragen zur Flüchtlingspolitik konnten sich CDU und CSU im Vorfeld nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Beide Parteien wollen den Zustrom neuer Flüchtlinge im handhabbaren Bereich halten, eine Obergrenze ist im Wahlprogramm jedoch nicht vorgesehen.
Zum vollständigen Wahlprogramm der CDU/CSU geht es hier.
SPD
Die SPD geht mit Martin Schulz als Kanzlerkandidat ins Rennen. Etwa 30 Milliarden Euro wollen die Sozialdemokraten in kostenlose Kita-Plätze und eine Steigerung der Bildungsqualität investieren. Der Spitzensteuersatz soll erst ab einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro erhoben werden, außerdem ist eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags für untere und mittlere Einkommen geplant. Die SPD setzt sich für humanitäre Flüchtlingspolitik ein und diskutierte in letzter Zeit verstärkt über die Gründung einer Europäischen Verteidigungsunion.
Zum vollständigen Wahlprogramm der SPD geht es hier.
Die Linke
Die Links-Partei will Geringverdiener entlasten und höhere Einkommensklassen stärker belangen. Dafür soll das Hartz-IV-System abgeschafft werden und jeder Deutsche einen Grundbetrag von 1050 Euro erhalten. Ein Mindestlohn von zwölf Euro wird gefordert. Auch für das Gesundheitssystem haben die Linken große Pläne: Eine gemeinsame "solidarische Gesundheitsversicherung" soll private und gesetzliche Krankenkassen ablösen. In Sachen Flüchtlingspolitik engagiert sich die Partei für einen sofortigen Abschiebestopp der Kriegsflüchtigen.
Zum vollständigen Wahlprogramm der Linken geht es hier.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen bleiben sich treu und erklären den Umweltschutz zum zentralen Wahlkampfthema. Bis 2030 soll der komplette Strom in Deutschland aus erneuerbaren Energien kommen, ein sofortiger Kohleausstieg inbegriffen. Um dem Bienensterben entgegenzuwirken, engagiert sich die Partei gegen den Einsatz von Gift in der Landwirtschaft. Auch ein Ausstieg aus der Massentierhaltung ist geplant. Aber die Grünen wollen auch außerhalb des Umweltschutzes Stellung beziehen: Sie fordern die gleiche Bezahlung für Männer und Frauen und eine Auflösung der traditionellen Rollenverteilung.
Zum vollständigen Wahlprogramm der Grünen geht es hier.
FDP
Bei der FDP setzt man den Schwerpunkt auf Bildungspolitik. Dabei haben die Freien Demokraten hohe Ziele: Mit einheitlichen Bildungsstandards und einer schnelleren Digitalisierung innerhalb der Einrichtungen wollen sie Deutschlands Schülern und Studenten die "weltbeste Bildung" ermöglichen. Außerdem soll das Rentenalter abgeschafft werden, sodass jeder Deutsche ab 60 Jahren selbst entscheiden kann, wann er in den Ruhestand geht. Die FDP setzt sich in der Flüchtlingsfrage für eine klare Unterscheidung zwischen Kriegsflüchtigen und dauerhaften Einwanderern ein - und pocht auf die Unantastbarkeit des Asylrechts.
Zum vollständigen Wahlprogramm der FDP geht es hier.
Alternative für Deutschland (AfD)
Die AfD hat in letzter Zeit vor allem mit ihrer Flüchtlingspolitik von sich aufmerksam gemacht. Sie fordern die Schließung der Grenzen, Neuverhandlungen einiger wichtiger Flüchtlingsabkommen und eine Asylbegrenzung. Weiteres Leitthema der AfD ist die Familienpolitik. Mit einem konservativ und national geprägten Familienbild soll der "Schrumpfung unserer angestammten Bevölkerung" entgegen gewirkt werden. Der "Erhalt des eigenen Staatsvolkes" hat für die rechtspopulistische Partei höchste Priorität. Sie spricht sich gegen Abtreibungen aus und lehnt moderne Lebenformen wie die gleichgeschlechtliche Ehe ab.
Zum vollständigen Wahlprogramm der AfD geht es hier.
Nichts dabei? Es gibt ja auch noch die Kleinparteien
Insgesamt 42 Parteien treten bei der Bundestagswahl 2017 an. Darunter dürften viele sein, die den meisten Wählern gänzlich unbekannt sind. Der stern stellt eine Auswahl aus dem Spektrum vor: