Er hat die Abstimmung doch gewagt - und verloren. Aber die Konsequenzen daraus gezogen.
Am Nachmittag erklärte AfD-Co-Chef Jörg Meuthen, dass er mit zwölf weiteren Abgeordneten seine Fraktion im baden-württembergischen Landtag verlasse. Grund dafür sind die anhaltenden Streitigkeiten um den Abgeordneten Wolfgang Gedeon, der in seinen Schriften den Holocaust als "gewisse Schandtaten" verharmlost und Holocaust-Leugner als "Dissidenten" bezeichnet hatte. Meuthen wollte Gedeon deswegen aus der Fraktion ausschließen, bekam aber bei einer Abstimmung nicht die dafür nötige Zweidrittel-Mehrheit. Meuthen zog daraufhin die Reißleine und erklärte den Austritt.
Erklärungen Meuthens und des Bundesvorstandes
Auf einer Pressekonferenz in Stuttgart und auf seiner persönlichen Facebook-Seite erklärte er:
"Wir bedauern diese Trennung vollziehen zu müssen. Wer nicht in der Lage ist, rassistische oder antisemitische Äußerungen zu erkennen und zu unterlassen, schädigt seine Partei und gehört schon gar nicht auf Führungspositionen einer staatstragenden Partei."
In einer eilig einberufenen Telefonkonferenz billigte der AfD-Bundesvorstand am Nachmittag mehrheitlich das Vorgehen Meuthens. In einer öffentlichen Erklärung heißt es, der Bundesvorstand werde künftig nur die Abgeordneten um Meuthen als AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag anerkennen. Insgesamt zählte die ehemalige Fraktion 23 Abgeordnete.
Frauke Petrys Solo in der Affäre
Nach Medien-Informationen trägt AfD-Co-Chefin Frauke Petry die Erklärung des Bundesvorstandes allerdings nicht mit. Sie schrieb auf ihrer Facebook-Seite, nun sei Deeskalation das Gebot der Stunde. Sie reise selbst nach Stuttgart, um mit allen Fraktionsmitgliedern zu sprechen. Petry schrieb auch, dass Antisemitismus keinen Platz in der Partei habe.
Petry, deren Verhältnis zu Meuthen als zerrüttet gilt, hatte sich schon zuvor in den Konflikt eingeschaltet - allerdings eher auf der Seite Gedeons. Sie hatte Meuthen öffentlich Fehler bei der Behebung der Krise unterstellt. Auch auf ihren Druck hin war im Juni ein Kompromiss gefunden worden, den Meuthen eigentlich ablehnte. Demnach sollte Gedeon sein Mandat ruhen lassen, eine Kommission sollte klären, ob Gedeon tatsächlich Antisemitismus anzulasten sei. Meuthen war sich dessen völlig sicher und hatte bereits mit dem Auszug aus der Fraktion gedroht, sollte diese ihm nicht folgen. Da sich aber abzeichnete, dass er keine Zweidrittel-Mehrheit für den Ausschluss Gedeons zusammen bekommen würde, schwenkte Meuthen auf den Kompromiss ein - und unterließ eine Abstimmung. Diese hat er nun nachgeholt und verloren.
Zweiter großer Crash in der AfD
Die Spaltung der baden-württembergischen Fraktion zeigt die anhaltenden Probleme der AfD, sich gegen rassistisches Gedankengut und Personal abzugrenzen - sowie den taktischen Umgang der Führungsspitze mit Deutschnationalen und Rechtsradikalen. Meuthen hatte sich noch vor dem Streit um Gedeon mit dem deutschnationalen Flügel seiner Partei zusammengetan, um Petry als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2017 zu verhindern. Nun nutzte Petry die Gedeon-Krise, um Meuthen zu beschädigen.

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