Petry, Poggenburg, Meuthen Intrigen und Antisemitismus: Die AfD demontiert sich selbst

Darf's ein bisschen radikaler sein? Und wer bestimmt darüber? Die AfD hat darauf keine klare Antwort - und zerlegt sich in internen Streitigkeiten. Petry, Poggenburg und Meuthen sind angezählt.

Aua, aua, aua. Das muss richtig weh getan haben. Da sitzt Jörg Meuthen, Co-Chef der AfD, am Dienstag in Stuttgart alleine am Tisch und gibt eine Pressekonferenz. Hinter ihm stehen drei "Parteifreunde", die ihn mit dazu gezwungen haben, nun brutalstmöglich über seine eigene Kapitulation hinweg zu fabulieren. Also sagt Meuthen, es gäbe doch gar keinen Grund zurückzutreten. Er habe sich doch klar durchgesetzt. Nun werde eine Kommission berufen, die darüber befinden soll, ob der baden-württembergische Abgeordnete Wolfgang Gedeon Antisemit sei. Was für eine verlogene, peinliche Show.

Gedeon ist der Mann, der den Holocaust als "gewisse Schandtaten" verharmlost und Holocaust-Leugner als "Dissidenten" beschrieben hat. Meuthen war sich noch vor wenigen Tagen zu einhundert Prozent sicher, dass Gedeon Antisemit sei. Er hatte seine Schriften geprüft und mit Gedeon gesprochen. Meuthens Konsequenz, die er in einem Video auf seiner Facebookseite ausführlich begründet: Gedeon muss weg. Raus aus der Fraktion. Antisemitismus sei nicht tolerabel. Er werde darüber in seiner Fraktion abstimmen lassen. Und wenn sie ihm nicht folge, werde er selbst austreten.

Frauke Petry übt Rache auf Facebook

Nun: Sie ist ihm nicht gefolgt, Meuthen hat die Abstimmung nicht einmal gewagt, da die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit unsicher schien. Nun ist er der Gelackmeierte, der Blamierte. Ein Parteichef, der nicht einmal seine heimische Fraktion überzeugen kann. Ein Opportunist, der für den Machterhalt sein Wort bricht. Genau das wollte Meuthen nie sein. Dieser Crash rührt an sein Selbstverständnis vom aufrechten "Ich sage, was Sache ist"-Politiker.

Mitleid muss trotzdem niemand haben. Denn Meuthen ist nicht der gemäßigte, rechtskonservative Überzeugungstäter, als der er sich gerne gibt. Er hatte sich zuvor mit dem deutschnationalen Flügel um Alexander Gauland und Björn Höcke eingelassen, um die Spitzenkandidatur von Frauke Petry für die Bundestagswahlen 2017 zu verhindern. Nun hat Petry - die eigentlich mit Meuthen gemeinsam die Partei führen soll - Rache geübt. Sie hat auf ihrer Facebookseite Meuthen öffentlich für seinen Umgang mit Gedeon gemaßregelt und für die Einrichtung der Kommission plädiert.

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Damit hat Petry Meuthens Gegnern in der baden-württembergischen Fraktion Rückendeckung gegeben. Ausgerechnet Petry: Sie, die sich möglichst bald eine Regierungsbeteiligung der AfD wünscht, hat mit den Deutschnationalen und Rechtsextremen eigentlich wenig am Hut. Aber wenn es darum geht, Konkurrenten auszustechen, kann Petry äußerst biegsam sein. Sie benutzte die Deutschnationalen, um die Wirtschaftsliberalen um Bernd Lucke aus der Partei zu spedieren. Nun dient sie sich ihnen an, indem sie Rücksicht auf einen Mann wie Gedeon einfordert. Die AfD, ein hinterfotziger, intriganter Haufen.

Die AfD und der Rechtsradikalismus

Das wirft ein Licht auf den Umgang der AfD mit Deutschnationalen und Rechtsextremen generell. Über Monate hinweg dominierte der falsche Eindruck, als verfolge die AfD eine sehr clevere Strategie. Brutalstmöglich provozieren, die mediale Empörung genießen, sich mit den Schlagzeilen zum Scheinriesen der deutschen Innenpolitik aufbauen - und dann von Missverständnissen, Fehldeutungen oder (darauf muss man erst mal kommen:) Ausrutschern mit der Computermaus reden. So war es beim Skandal um den "Schießbefehl" auf Flüchtlinge, so war es bei der Kriminalisierung aller Muslime zu Verfassungsfeinden. Rechtsradikal blinken, konservativ abbiegen, aber Zweideutigkeiten stehen lassen. Dank dieser Zweideutigkeiten konnten sich alle bestätigt fühlen: Rechtsradikale, Rechtspopulisten, Konservative. Eine Strategie zur Maximierung des eigenen Wählerpotentials. Aber spätestens seit Meuthens Pressekonferenz ist klar: Das ist allenfalls ein kleiner Teil der Wahrheit. Die AfD hat sich zwar mit den Dämonen des Rechtsradikalismus eingelassen. Aber sie fürchtet diese Dämonen auch, weil sie bürgerliche Wähler zu verschrecken drohen. Andererseits glauben die maßgeblichen Protagonisten der Führungsspitze, sie könnten die Dämonen kontrollieren, zu Helfershelfern der eigenen Karriere umfunktionieren, mit ihrer Hilfe Konkurrenten ausstechen. Es ist ein bisschen wie in einem schlechten Horrorfilm. Am Ende bleiben nur Blut, Gewürm und Schreie übrig.

Die Auseinandersetzung zwischen Petry und Meuthen ist nur ein Beispiel dafür. Ein anderes ist die anhaltende Auseinandersetzung um den saarländischen Landesverband, der Kontakte ins rechtsextreme Milieu unterhalten hat - weswegen ihn Petry eigentlich auflösen wollte. Ein drittes Beispiel ist die Ablösung von André Poggenburg als Fraktionschef der sachsen-anhaltinischen AfD, weil er seinen eigenen Parteifreunden als zu radikal gilt.
Wo ist die Grenzlinie zum Rechtsradikalismus? Und wer benutzt aus taktischen Gründen welche ideologischen Bausteine, um wen plattzumachen? Die AfD ringt um ihre Fassung. Derzeit sieht es aus, als hätte sie keine Chance, diese jemals zu finden.