In den Augen der AfD scheint "das deutsche Volk" völlig schutzlos dazustehen - während etwa "Ausländer" und "Flüchtlinge" einen exklusiven Schutz genießen würden. Gemeint ist der Paragraf 130 des Strafgesetzbuches (StGB), der Volksverhetzung unter Strafe stellt - und den die AfD-Bundestagsfraktion nun ändern will.
Der sächsische Abgeordnete Jens Maier stellte einen entsprechenden Gesetzentwurf (Drucksache 19/1842) vor, über den diese Woche erstmals im Bundestag beraten werden soll. Mit der Änderung will die AfD erreichen, dass auch "das deutsche Volk" ein "geeignetes Tatobjekt einer Volksverhetzung" sein kann - gemeint sind die Deutschen in ihrer Gesamtheit.
Dabei wirft nicht nur der Absender des Vorstoßes Fragen auf, sondern auch das Vorhaben an sich.
Die Sache mit der "Köterrasse"
Was stellt der Paragraf 130 im StGB unter Strafe? In aller Kürze: Die Störung des "öffentlichen Frieden", indem gegen eine "nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe" oder "gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen" zu Hass oder Gewalt aufgerufen wird.
Für die AfD ist das offenbar zu wenig, wie der Hinweis auf den "Köterrasse"-Fall veranschaulichen soll. Vor rund einem Jahr stellte die Staatsanwaltschaft Hamburg ein Verfahren gegen das ehemalige Vorstandsmitglied des Türkischen Elternbunds Hamburg, Malik Karabulut ein, der die Deutschen in einem Facebook-Beitrag als "Hundeclan" beziehungsweise "Köterrasse" (je nach Übersetzung) beschimpft hatte. Der Grund: Die Staatsanwaltschaft sah den Tatbestand der Volksverhetzung nicht erfüllt, da sich die Bezeichnung "Deutsche" nicht "als unterscheidbarer Teil der Gesamtheit der Bevölkerung abgrenzen" lasse. Eine "Herabsetzung des deutschen Volkes", meint die AfD in ihrem aktuellen Gesetzesvorhaben.
Was fordert also die AfD-Bundestagsfraktion? In dem Gesetzesvorhaben heißt es:
Aber ist das wirklich so?
"Die AfD bezweckt, ihre völkisch-deutsche Anhängerschaft zu schützen"
Zunächst möchte man bei dem Absender des Gesetzesentwurfs schmunzeln: Jens Maier. Der Bundestagsabgeordnete der AfD wurde selbst mehrfach wegen Volksverhetzung angezeigt. Zuletzt sorgte er mit einem Tweet für Schlagzeilen, in dem er Noah Becker als "Halbneger" bezeichnete. Der Kommentar wurde später gelöscht. Maier erklärte, nicht er selbst, sondern ein Mitarbeiter habe die Zeilen verfasst.
Er ist übrigens nicht das einzige AfD-Mitglied, das bereits wegen Volksverhetzung angezeigt oder sogar verurteilt wurde (etwa hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier).
Dabei sorgt weniger die Doppelmoral für Besorgnis, sondern das Vorhaben. "Dieser Antrag versucht, den Wahn eines Abwehrkampfes des deutschen Volkes gegen Migranten in Gesetzesform zu gießen", so die Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk die AfD-Initiative im "Tagesspiegel". Die Juristin vertrat unter anderem die Nebenklage im Dresdner Verfahren gegen die rechtsterroristische Gruppe Freital. "Die AfD bezweckt, ihre völkisch-deutsche Anhängerschaft zu schützen - nicht etwa eingebürgerte Migranten", fügt sie hinzu. Die AfD versuche durch "langsame Aufweichung" den Paragrafen "am Ende ganz zu kippen". Sei diese "Büchse der Pandora" erst einmal geöffnet, stehe auch die Holocaust-Leugnung bald nicht mehr unter Strafe, so Pietrzyks Sorge.
Die CSU hat sich offenbar schon entschieden
"Sinn und Zweck des Paragrafen Abs. 1 StGB ist gerade nicht der exklusive Schutz bestimmter Minderheiten", erklärt die AfD in ihrem Gesetzesentwurf die Notwendigkeit der Regelung. "Da die Deutschen wie jedes andere Volk eine nationale Gruppe darstellen, gebietet es die Rechtsordnung, auch die Deutschen als geeignetes Tatobjekt des Paragrafen 130 Abs. 1 StGB anzusehen."
Das sehen einige Juristen anders, was nicht nur der "Köterrasse"-Fall zeigt. Wie der Medienrechtler Christian Solmecke im "Tagesspiegel" erklärt, müsse es sich bei einem "Teil der Bevölkerung" um eine Gruppe handeln, die sich durch "irgendein festes äußeres oder inneres Unterscheidungsmerkmal" als erkennbare Einheit heraushebe. Das treffe für die Bezeichnung "Deutsche" aber nicht zu, weil sich diese nicht als unterscheidbarer Teil von der Gesamtheit der Bevölkerung abgrenzen lasse. Das unterschreibt im Grunde auch Rechtsanwalt und Strafrechtler Benjamin Grunst im "Tagesspiegel", merkt aber zusätzlich an, dass es höchstrichterlich noch keine Entscheidung dazu gebe und auch gegenteilige Auffassungen.
Zumindest legt der Gesetzesentwurf den Verdacht nahe, dass es der AfD vor allem um Abgrenzung geht. Der Bundestagsfraktion wird für ihren Vorstoß daher vermutlich viel Gegenwind entgegenschlagen, wenn der Bundestag am kommenden Freitag darüber berät. Die CSU hat bereits durchblicken lassen, was sie von dem Vorhaben hält: