Agenda 2010 "Die größten Veränderungen in der Sozialgeschichte"

Das Bundeskabinett hat ein umfassendes Reformpaket verabschiedet. Die Ministerrunde beschloss mehrere Gesetzentwürfe, darunter die umstrittene Gemeindefinanzreform und die damit verbundene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.

Die Bundesregierung hat ein weiteres umfangreiches Reformpaket auf den Weg gebracht und die Opposition zur Zusammenarbeit aufgefordert. Kanzler Gerhard Schröder appellierte an die Union, ein einheitliches Konzept vorzulegen, damit es zu rationalen Gesprächen kommen könne. Bei seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause beschloss das Kabinett am Mittwoch in Berlin das Vorziehen der Steuerreform auf 2004, die Gemeindefinanzreform, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit.

Das Vorziehen der Steuerreform soll eine Entlastungssumme von rund 15 Milliarden Euro bringen und wird größtenteils über den Abbau von Subventionen bezahlt. Dazu zählen der Wegfall der Eigenheimzulage und der Wohnungsbauprämie, Einschnitte bei der Entfernungspauschale, geringere Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld sowie Änderungen bei der Besteuerung von Land- und Forstwirten.

Gewerbesteuer soll grundlegend reformiert werden

Außerdem will die Regierung die Gewerbesteuer grundlegend reformieren. Künftig sollen auch Freiberufler wie Ärzte, Notare und Apotheker bei der Gewerbesteuer zur Kasse gebeten werden. Die Entlastung der Kommunen durch die Gemeindefinanzreform bezifferte Schröder für das Jahr 2004 auf 4,5 Milliarden Euro, für 2005 und die Folgejahre auf jeweils fünf Milliarden Euro. Die Ausdehnung der Gewerbesteuer auf Freiberufler und Selbstständige sei deshalb vertretbar, weil diese die Belastung über die Einkommensteuer größtenteils wieder ausgleichen könnten, sagte der Kanzler. Auf die Besteuerung von Pachten, Mieten und Leasingraten habe man verzichtet, weil sonst die von der Regierung geplanten Steuerreformmaßnahmen konterkariert würden.

Der Umsatzsteueranteil, den die Gemeinden erhalten, soll nach Regierungsplänen von 2,2 Prozent auf 3,6 Prozent erhöht werden. Unternehmen sollen ihre Ausgaben für die Gewerbesteuer nicht mehr als Betriebsausgabe bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer vom zu versteuernden Gewinn abziehen dürfen.

Kanzler sieht Verbesserung der Wirtschaftslage

Der Kanzler zeigte sich zudem überzeugt, dass sich die Wirtschaftslage bessere. Mit den vom Kabinett beschlossenen Reformvorhaben würden diese positiven Tendenzen unterstützt. Er räumte jedoch ein, dass er sich ein höheres Wirtschaftswachstum gewünscht hätte. Eine Änderung der Wachstumsprognose lehnte er jedoch ab.

Kernpunkt der ebenfalls beschlossenen Arbeitsmarktreform ist die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II. Nicht Erwerbsfähige erhalten ein Sozialgeld, das dem Niveau der heutigen Sozialhilfe entsprechen soll. Die Bundesanstalt für Arbeit soll zu einer Bundesagentur umgebaut werden. Damit hofft die Regierung, Arbeitslose effizienter vermittelt zu können und Bürokratie abzubauen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Vermittlung statt Betreuung"

Die Arbeitsmarktmaßnahmen nannte Schröder die größten Veränderungen in der Sozialgeschichte der Bundesrepublik. Bei der Zusammenlegung der Transferleistungen komme man von einem System der Betreuung hin zu einer aktiven Vermittlung.

DPA