Anti-Terror-Streit Schäuble fühlt sich missverstanden

Man habe ihn falsch verstanden, seine Forderungen zur Tötung von Terroristen fehl interpretiert, versucht Innenminister Wolfgang Schäuble die erhitzten Gemüter im Anti-Terror-Streit zu beschwichtigen. Das ist auch dringend nötig, wähnen die ersten doch schon eine ernste Koalitionskrise.

Nach der Kritik von Bundespräsident Horst Köhler hat Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) versucht, im Anti-Terror- Streit die Wogen zu glätten. Am Sonntagabend sprach Schäuble in mehreren Interviews im Zusammenhang mit seinen Äußerungen zur Tötung von Terroristen von Missverständnissen und Fehlinterpretationen. An seiner Forderung nach klaren Rechtsgrundlagen für den Anti-Terror- Kampf hielt er fest. Politiker von Union und SPD warfen sich gegenseitig eine Belastung des Koalitionsklimas vor.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sei inzwischen "eine große Belastung für die Koalition", sagte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz der "Frankfurter Rundschau" (Montag). Jetzt habe Schäuble für seine Vorstöße zur Terrorismusbekämpfung selbst "vom Bundespräsidenten die Rote Karte bekommen". Der Konflikt um die innere Sicherheit schaffe "wechselseitig schwindendes Vertrauen" innerhalb der Koalition. Er frage sich, "wie wir bei dieser Ausgangslage noch vertrauensvoll zusammenarbeiten sollen".

Furcht vor der ernsthaften Koalitionskrise

Unions-Innenexperte Wolfgang Bosbach (CDU) warnte in dem Blatt, der Streit über die innere Sicherheit könne zu einer ernsthaften Koalitionskrise werden. Er warf der SPD vor, sie habe in der Innenpolitik "Abschied genommen von einer Politik, wie (der damalige SPD-Innenminister) Otto Schily sie vertreten hat. Das geht so nicht weiter." Vor allem das SPD-geführte Bundesjustizministerium streue immer wieder "Sand ins Getriebe". Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), sagte der "Passauer Neuen Presse": "Ich habe den Eindruck, man will Herrn Schäuble bewusst missverstehen, um ihn besser kritisieren zu können."

Der niedersächsische Ministerpräsident und CDU-Vize Christian Wulff sagte der "Bild"-Zeitung: "Das gezielte Töten - von wem auch immer - ist mit unserem Rechtsstaat nicht vereinbar und eine Debatte darüber unverantwortlich. Die Menschenwürde ist unverletzlich. An diesem Grundsatz halten wir fest."

Schäuble sagte in Interviews von ARD und ZDF, es sei ihm bei den Äußerungen über die Tötung von Terroristen um den militärischen Kampf gegen die Terrororganisation El Kaida und die rechtliche Stellung der Soldaten im Völkerrecht und im Verteidigungsfall gegangen. Daraus sei das "Missverständnis entstanden, als wolle irgendjemand eine gesetzliche Regelung zum Abschuss von Terrorverdächtigen. Das will niemand, ich schon gar nicht."

Schäuble hält an seinen Forderungen fest

Der Minister warnte aber auch davor, die Debatte über Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus zu tabuisieren: "Die terroristische Bedrohung ist ernst. Die Sicherheitsbehörden brauchen die notwendigen gesetzlichen Instrumente." Auf die Frage, ob er eine andere Republik wolle, betonte Schäuble: "Nein, wirklich nicht." Er wolle "gerade nicht in verfassungsrechtlichen Grauzonen handeln. (...) Ich möchte, dass wir klare Rechtsgrundlagen haben."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Bundespräsident Köhler hatte Schäuble zuvor zu Sensibilität und Augenmaß ermahnt. Zwar habe der Minister die Aufgabe, "sich den Kopf zu zerbrechen" über den Schutz der Bürger, sagte Köhler im ZDF. Man könne aber "darüber nachdenken, ob die Art, wie die Vorschläge kommen, vor allem in einer Art Stakkato, ob das so optimal ist". "Wie sollen das die Leute verkraften?"

Angesprochen auf die Kritik des Bundespräsidenten sagte Wulff: "Jeder weiß, dass es Wolfgang Schäuble um die Sache geht. Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten das Thema vorher innerhalb der CDU anhand einer ausformulierten Vorlage von Wolfgang Schäuble diskutieren können."

Schäuble hatte vor einer Woche in einem "Spiegel"-Interview gesagt, die rechtlichen Probleme beim Anti-Terror-Kampf reichten bis zu Extremfällen wie der gezielten Tötung, etwa im Fall einer Entdeckung von Terroristenführer Osama bin Laden. Er wünsche sich eine "möglichst präzise" verfassungsrechtliche Klärung und Rechtsgrundlagen, "die uns die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten".

DPA
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