Babyboom Kreißsaal Kanzleramt

Von Monika Dunkel, Berlin
Seit Angela Merkel Kanzlerin ist, haben sich die Geburtenzahlen im Kanzleramt mehr als verdoppelt
Seit Angela Merkel Kanzlerin ist, haben sich die Geburtenzahlen im Kanzleramt mehr als verdoppelt
© colourbox
Gramm: 3730. Zentimeter: 51. Der jüngste Nachwuchs des Kanzleramts kam vergangenen Mittwoch um 13.57 Uhr zur Welt. Mutter, Vater, Baby sind wohlauf, die Bundeskanzlerin hat ihren beiden Mitarbeitern gratuliert. Es ist das 49. Baby, das seit Angela Merkels Amtsantritt geboren wurde.

Johannes Geismann, Unterabteilungsleiter Personal in der Regierungszentrale, führt penibel Buch über die Kanzleramtsbabys. Und die Statistik spricht für große Fruchtbarkeit in dem so spröden wie protzigen Betonbau unweit der Reichstagskuppel. Seit Merkel die Regierungsgeschäfte führt, haben sich die Geburtenzahlen im Kanzleramt mehr als verdoppelt. Zwischen Merkel und Vorgänger Gerhard Schröder steht es beim Baby-Spotting 49 zu 19: Kamen während Schröders 35-monatiger Regentschaft - vom Dezember 2002 bis Oktober 2005 - nur 19 Säuglinge zur Welt, kann Merkel schon nach 32 Monaten auf 49 Neugeborene verweisen. Und das bei annähernd gleicher Zahl von Mitarbeitern und ähnlichem Mix von Alter und Geschlecht. Insgesamt kommt das Kanzleramt auf etwa 450 Bedienstete, rund die Hälfte davon sind Frauen, rund die Hälfte unter 40 Jahren.

Über die Gründe für den Babyboom lässt sich trefflich spekulieren. Die Gebärfreude könnte mit der Einführung des Elterngelds Anfang 2007 zu tun haben. Schließlich ist die Transferleistung für die besser verdienenden höheren Beamte und Angestellten besonders attraktiv. Aber auch das Mikroklima im Kanzleramt hat sich offensichtlich gewandelt. Unter Altkanzler Schröder galt es noch als ausgemacht, dass eine Frau, die sich in Elternzeit verabschiedete, nie wiedergesehen wurde; die Regierung versetzte sie in ihr Heimatministerium zurück. Unter Merkel dagegen dürfen frischgebackene Mütter oder Väter wiederkommen. Schwangerschaft sei nicht länger ein Abschiebegrund, sagt ein Vertrauter der Hausspitze. Merkel, so ist zu hören, habe mehr Verständnis für die Sorgen berufstätiger Eltern. Schröder habe dagegen zu Machogehabe geneigt, Familienangelegenheiten gern als "Gedöns" abgetan und auch sonst eher der traditionellen Rollenverteilung zugeneigt.

Deutschland wird kinderfreundlich

So trauten sich denn auch aus Merkels legendärem "Girls-Camp" mehrere in den Mutterschutz: Eva Christiansen, die Medienberaterin der Kanzlerin, ist junge Mutter. Staatssekretärin Hildegard Müller ist seit Januar aus der Elternzeit auf ihren alten Posten zurückgekehrt. "Seit Bestehen der BRD bin ich der erste Fall", sagt Müller. Nun springt die 40-Jährige zwischen Tagesmutter, Krippe und Kanzleramt hin und her. "Deutschland", so Müller, "wandelt sich zu einem kinderfreundlicheren Land, und im Kanzleramt leben wir das vor." Ihr Anspruch sei es, ihre kleine Tochter jeden Tag zumindest einmal "wach zu sehen".

FTD