Die Distanzierung klingt energisch, ist eindeutig formuliert, und kam gerade noch rechtzeitig. Er sage das im Namen des Parteichefs Friedrich Merz, des Vorstandes und aller Christdemokratinnen und Christdemokraten, erklärte CDU-Generalsekretär Mario Czaja: "Wir distanzieren uns mit Nachdruck von der Wortwahl des Bautzener Landrates." Die Union habe eine "zutiefst humane Haltung", die getragen sei von der Würde eines jeden Menschen. Und diese Würde müsse auch in der Sprache unantastbar sein.
Mit anderen Worten: Artikel Eins des Grundgesetzes gilt auch für CDU-Politiker in Sachsen.
Weil das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, normalerweise keinerlei besonderen Nachdrucks bedarf, muss man die Sätze des Anstoßes kurz in ihrer ganzen Menschenverachtung wiederholen – obwohl man sich lieber angewidert abwenden möchte.
CDU-Landrat Udo Witschas empört mit Weihnachtsbotschaft
Es geht um einen Videogruß des Bautzener Landrats Udo Witschas, der am Mittwoch bekannt wurde. Darin verspricht der CDU-Politiker seinen Bürgerinnen und Bürgern, er werde Geflüchtete weder in Turnhallen noch in Mehrfamilienhäusern unterbringen. "Es ist nicht unsere Absicht, den Sport, ob nun den Schul- oder Freizeitsport, jetzt für diese Asylpolitik bluten zu lassen."
Witschas geht noch weiter: "Es ist auch nicht unsere Absicht, Menschen, die zu uns kommen, die unsere Kultur nicht kennen, die unsere Regularien nicht kennen, jetzt hier in Mehrfamilienhäusern und frei stehenden Wohnungen unterzubringen, und dafür die Gefährdung des sozialen Friedens in Kauf zu nehmen."
Dann wünscht der Landrat frohe Weihnachten.
Witschas lässt wenig Zweifel am Kern seiner Aussagen: Für die, die zu uns kommen, verzichten wir nicht. Die, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, gefährden unseren sozialen Frieden. Die. Gegen uns. Es ist die Weihnachtsbotschaft eines Mannes, der die Botschaft der Geburt Christi nicht verstanden hat. Oder nicht verstehen will.
Nun ist die Aufnahme von Geflüchteten selten eine einfache Sache. Und nicht alle, die in Witschas Landkreis aufschlagen, werden tatsächlich Anspruch auf Asyl haben. Für die Bewertung seiner Ansprache allerdings ist das irrelevant. Komplett egal. Das christliche Menschenbild kennt keinen Generalverdacht. Im Gegenteil.

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Was das C in CDU für die Asylpolitik bedeutet
Das christliche Menschenbild, das die Union wie eine Monstranz vor sich herträgt, mal mehr aus Folklore, mal von leibhaftiger politischer Praxis gestützt, leitet sich zuallererst vom Individuum ab. Was das C in CDU für eine angemessene Asylpolitik bedeutet, könnte man so formulieren: "Menschen, die in unserem Land Schutz suchen, verdienen unsere Hilfe, unsere Fürsorge und werden mit Respekt und Anstand behandelt. Wir sind Demokraten und Christen und stehen zu unserer Verantwortung."
Das sind Czajas Sätze. Und der CDU-Generalsekretär, der seine Rolle in dieser Partei im Umbruch noch sucht, hat mit ihnen an Format gewonnen. Das mag übertrieben klingen, aber man kann es kaum anders sagen. Die Latte hing nun mal auf Knöchelhöhe. Zu viel hatte die CDU-Führung zuletzt unwidersprochen laufen lassen, obwohl Friedrich Merz es einst anders angekündigt hatte. Die von ihm versprochene Brandmauer zur AfD bröckelt. Insbesondere in Bautzen, wo die CDU-Fraktion im Kreistag kürzlich gemeinsam mit der AfD Integrationsleistungen für bestimmte Zuwanderer gestrichen hat.
Die "Weihnachtsbotschaft" des Landrats wird nicht der einzige Ausfall ihrer Art bleiben. Und Parteichef Merz wird den Umgang mit den, verharmlosend ausgedrückt, Sonderlichkeiten der CDU im Osten nicht auf Dauer seinem General überlassen können. Er steht schließlich in einer Pflicht, die er sich selbst auferlegt hat.
"Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an", versprach Merz vor einem Jahr. Und zeigte kurz nach seiner Wahl mit dem Rausschmiss von Max Otte, dass er das durchaus ernst meinte. Otte hatte für die AfD als Bundespräsident kandidiert. Mit seinem Statement zu Witschas Weihnachtsabfälligkeiten hat Czaja das Versprechen nun um den Tatbestand der rhetorischen Anbiederung an die AfD erweitert. Es ist nun an ihm, und vor allem an Merz, auch in solchen Fällen zu zeigen, wie ernst es ihnen damit ist.
Friedrich Merz muss klare Kante zeigen
Mit seinem Ansehen im konservativen Flügel der Union und mit seiner Beliebtheit bei ostdeutschen Parteimitgliedern bringt Merz beste Voraussetzungen mit, die Grenze nach Rechtsaußen erfolgreich zu ziehen und zu halten. Als Türsteher am rechten Ausgang des demokratischen Spektrums trägt er die Verantwortung, dass rausfliegt, wer Grenzen überschritten hat.
Wie unzureichend geklärt aber der Umgang mit den Witschas der Partei ist, zeigt einmal mal mehr die Reaktion des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Er hat den Landrat in Schutz genommen, man habe dessen Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen. Als Parteivize ist Kretschmer allerdings auch Teil jenes explizit genannten Vorstands, für den sich Generalsekretär Czaja stellvertretend vom Landrat distanzierte.
Das ist keine Dialektik. Das ist Flucht vor der Verantwortung.
Wenn nach den Weihnachtsbotschaften nun bald die Neujahrvorsätze anstehen, sollte sich die Unionsführung vor allem das vornehmen: Gegen Grenzüberschreitungen reicht nicht klare Kante allein, da helfen nur schnelle Konsequenzen.