4:0 gegen Argentinien – und endlich konnte unsere Kanzlerin wieder mal jubeln, klatschen, Siegerlaune präsentieren. Und stern.de sieht sich in der Lage, ein gut gehütetes Regierungsgeheimnis zu enthüllen. Seit langem steht auf dem Schreibtisch der Kanzlerin ein Poster mit den Porträts unserer Nationalkicker. Und drunter darf man lesen: "Hinter jedem Team steht ein starke Frau." Weil Angela Merkel wegen der Köhler-Krise die Nationalelf nicht in Südtirol hatte besuchen können, hat die Mannschaft die Kanzlerin auf diesem Wege getröstet. Stern.de hätte die sportive Geste gerne schon vor dem Spiel gegen England enthüllt, wurde jedoch von hoher Amtsstelle im Kanzleramt intensiv darum gebeten, doch noch abzuwarten. Zweifel hätten sich breit machen können, wie stark die Frau hinterm Team wirklich ist. Angenommen wir hätten gegen England verloren. Hätte dann ja sein können, dass die Kanzlerin in Kapstadt auf der Tribüne hätte sitzen müssen, als schwache Frau, und ihre Jungs hätten unten gar nicht gespielt.
Jetzt kicken sie auf jeden Fall im Halbfinale und vielleicht sogar im Finale am 11. Juli in Johannesburg. Und die Kanzlerin muss dann noch zwei weitere Male nach Südafrika fliegen. 14.000 Euro kostet die Flugstunde der Kanzlermaschine. 14 Stunden fliegt man. Also teilten die Grünen vergangene Woche der Kanzlerin mit, sie flögen trotz einer Einladung aus dem Kanzleramt nicht mit nach Kapstadt. "Denn wir setzen auf Sieg und nicht auf Niederlage," teilten sie selbstsicher mit. Das Angebot des Mitflugs nach Kapstadt komme zu früh und sei nicht Kosten sparend. Erst ab dem Halbfinale sei man dabei. Die kleinkarierte Rechnerei beeindruckte Merkel nicht. Zum Argentinienspiel sagte sie: "Es war ein Traum." Verständliche Freude nach dem Alptraum der Präsidentenwahl.
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Immer stärker nistet sich der fußballerische Sprachgebrauch in die aktuelle politische Diskussion ein. Bei der Neuwahl des Bundespräsidenten hat die Kanzlerin nach dem zweiten Wahlgang gemurmelt: "Wir haben das Serbien-Spiel gehabt, jetzt kommt das England-Spiel." Gegen die Serben verloren unsere Kicker bekanntlich 0:1, gegen die Briten siegten sie 4:1. Und als die CDU/CSU-Fraktion vor dem dritten Wahlgang reichlich missgelaunt die Situation diskutierte, erteilte Merkel den Delegierten psychologische Aufrüstung mit dem Satz: "Aller guten Dinge sind drei." Redet inzwischen wie der Jogi Löw, unsere Kanzlerin.
Christian Wulff pflegt ebenfalls eine sehr persönliche Fußball-Philosophie. Die Spezialität seiner politischen Karriere sei der dritte Anlauf, sagt er. "Da hat es bei mir oft geklappt." Wie bei der Präsidentenwahl. Neu sei das nicht. Erst nach zwei Niederlagen sei er im dritten Spiel um die Macht in Niedersachsen Ministerpräsident geworden. Und wenige Tage vor der Präsidentenwahl habe er auf eine Torwand geschossen. "Der erste Schuss war knapp daneben, der zweite auch, der dritte war dann drin."
Kleiner Einspruch, Herr Präsident: Die erste Abstimmung bei der Wahl war nicht knapp, sondern meilenweit daneben.
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Die baden-württembergische Landesvertretung in Berlin feierte jetzt eine Art Geburtstag: Es lief die 10. Stallwächterparty im Gebäude am Rande des Tiergartens. Mit gut 1500 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Diplomatie und Medien. Darunter die Bundesminister Wolfgang Schäuble, Karl-Theodor zu Guttenberg und Annette Schavan. Ministerpräsident Stefan Mappus durfte dabei auch die Kanzlerin als Gast im "Schaufenster des Landes in Berlin" begrüßen. Der Fest-Moderator und Kabarettist Christoph Sonntag erklärte ihr, die so gerne von der schwäbischen Hausfrau als ihrem Vorbild redet, worin deren Weisheit tatsächlich besteht: "Reich wird man durch Nicht-Geld-Ausgeben!" Dann fügte er eine politische Warnung vor schwarz-gelben Regierungen für Merkel hinzu: Bei CDU/CSU und FDP sei höchste Vorsicht geboten, denn bei denen sei derzeit "aktive politische Sterbehilfe erlaubt." Die Kanzlerin lachte und antwortete: "Ich dachte, wir sind hier in einem konservativen Land." Und fügte die kluge Erkenntnis hinzu, mit der sie seit der Bundestagwahl schwarz-gelbe Politik macht: "Vorsicht an der Bordsteinkante ist meine Devise."

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Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel war am Tisch der Kanzlerin platziert, als die CDU/CSU-Delegierten am Vorabend der Präsidentenwahl zusammen saßen. Er philosophierte dort lebenskundig vor sich hin. Als er, Waigel, nach dem Scheitern seiner ersten Ehe seine heutige Frau Irene Epple kennen und lieben gelernt habe, sei dies von Stoiber als Waffe gegen ihn im Kampf um den CSU-Vorsitz verwandt worden. Es sei doch schön, sagte er, dass Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber, nur an einem Nebentisch untergebracht, jetzt doch bereit sei, Christian Wulff seine Stimme zu geben. "Der Wulff ist doch auch in zweiter Ehe gebunden." Waigels Erkenntnis: "Man lernt im Leben eben nie aus." Auch ein Stoiber nicht.
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