Wahlwiederholung Drei Gründe, warum die Berlin-Wahl (wieder) spannend ist

Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin von Berlin
Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin von Berlin
© Fabian Sommer / DPA
Berlin wiederholt seine verpatzte Wahl von 2021. Nur dieses Mal scheint der Ausgang alles andere als erwartbar. Der Kurz-Überblick. 

Also: auf ein neues. Nach dem verpatzen Urnengang im September 2021, der vom Landesverfassungsgericht wegen zahlreicher Pannen und "schwerer systematischer Mängel" für ungültig erklärt worden war, hat Berlin wieder die Wahl. Und vielen der rund 2,4 Millionen Wahlberechtigten könnte dieser Sonntag wie ein Déjà-vu vorkommen.

Da es sich um eine Wiederholungs- und keine Neuwahl handelt, ändert sich an den Modalitäten praktisch nichts – die Legislaturperiode endet nach wie vor 2026, also nach fünf Jahren, und die Parteien treten mit denselben Bewerberinnen und Bewerbern an. Einzig Kandidaten, die nicht nochmals antreten wollten oder konnten, wurden durch andere ersetzt.   

Also: Eine Wahl zum Vergessen? 

Mitnichten. Das abermalige Kreuzchenmachen zum Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Bezirksparlamenten könnte mit angeblichen Gewissheiten brechen – und aus mehreren Gründen spannend werden.    

Erstens: Die Umfragen deuten auf ein Duell hin

Aus einem Dreikampf wird ein Duell, und aus diesem Duell ein denkbar knappes – mit einem unverhofften Sieger? Die letzten Umfragen sehen ausgerechnet die CDU vorn, einen Wahlsieg in der Hauptstadt haben die Christdemokraten seit 1999 nicht mehr eingefahren. Bei der Pannenwahl hatte die SPD ihre Dauerregentschaft (seit 2001) noch gegen die Grünen zu verteidigen, zuletzt konkurrierten SPD und Grüne um Platz 2 in den Umfragen – und auch das erscheint überholt.

Die Zahlen: In aktuellen Erhebungen, wie dem ZDF-"Poltibarometer Extra" und einer Civey-Umfrage des "Tagesspiegel", liegt die CDU mit 24 bis 25 Prozent vorn. Die SPD kommt auf 21 bis 22 Prozent und rangiert damit vor den Grünen, die 17 Prozent erreichen. Die Linke liegt bei 11 Prozent, die AfD bei 9 bis 10 und die FDP bei 6 bis 7 Prozent. 

Das könnte also heiter werden. Die CDU macht den ewig-ersten Sozialdemokraten die Spitzenposition streitig, die Grünen sind der auf den Fersen und die FDP bewegt sich gefährlich nah an der Fünf-Prozent-Todeszone. Aber: Umfragen sind immer nur launische Momentaufnahmen und daher mit Vorsicht zu betrachten. Außerdem: Was wäre ein Wahlsieg ohne Regierungsmehrheit wert? 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Zweitens: Franziska Giffey hat viel zu verlieren

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner könnte zwar einen spektakulären Wahlsieg einfahren – seit Klaus Wowereit 2001 Regierender Bürgermeister wurde, hat die SPD ununterbrochen in verschiedenen Koalitionen im Roten Rathaus regiert –, aber trotzdem das Nachsehen haben. 

Rein rechnerisch wäre zwar vieles möglich, aber nicht unbedingt realistisch: So könnte die CDU im Fall eines Wahlsieges versuchen, eine Jamaika-Koalition (Schwarz-Grün-Gelb) zu bilden – allerdings gilt das wegen großer Differenzen zwischen CDU und Grünen in der Verkehrspolitik als unwahrscheinlich. Zumal sich die FDP bereits gegen eine Koalition mit den Grünen aussprach. Also eine sogenannte Deutschland-Koalition (Schwarz-Rot-Gelb)? Wäre den Sozialdemokraten wohl schwer zu vermitteln, die aktuell die Rot-Grün-Rote Koalition anführen – die laut Umfragen weiterhin eine Mehrheit hätte. SPD, Grüne und Linke könnten also zusammen weiterregeren, selbst bei einem Wahlsieg der CDU.

Die gute Nachricht: Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin der Grünen, würde dieses Bündnis gern fortführen. Die schlechte: Sie will die neue-alte Koalition selbst anführen und Franziska Giffey (SPD) als Regierende Bürgermeisterin ablösen. Sollten die Grünen tatsächlich vor der SPD ins Ziel gehen, wenn auch knapp, könnte es ungemütlich für Giffey werden. Die Umfragen legen nahe, dass sie die eineinhalb Jahre im Amt nicht für sich (und die SPD) nutzen konnte – und schon bei der Wahl 2021 sah es für Stunden danach aus, als würde Jaraschs Grüne siegen.  

Drittens: Berlin unter Beobachtung

So viel ist sicher: "So ein Desaster wie 2021 darf es nicht mehr geben", sagt Landeswahlleiter Stephan Bröchler. Dafür soll es mehr Wahlzettel, mehr Wahlhelfer und mehr Wahlkabinen geben. Das sei bei der verpatzten Abstimmung "das große Manko" gewesen, "wir hatten von allem zu wenig davon". Rund 40 Millionen Euro lässt sich die Hauptstadt die Wahl kosten, so viel wie noch nie, um die vorausgegangene Schmach zu tilgen. 

Das beispiellose Fiasko hatte auch international Schlagzeilen geschrieben. Falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, die zeitweise Schließung von Wahllokalen sowie lange Schlangen davor – in rund der Hälfte der Wahllokale stimmten Menschen noch nach 18 Uhr ab.

Entsprechend aufmerksam wird der neuerliche Anlauf nach den "chaotischen Wahlen" ("Financial Times") beobachtet. Nicht zuletzt von Wahlbeobachtern des Europarates, die eingeladen worden sind, um das Zutrauen der Bürger in die demokratischen Abläufe zu stärken. 

Komplett fehlerfrei wird der Urnengang nicht ablaufen, ist Landeswahlleiter Bröchler realistisch, aber auch "zuversichtlich, dass diese Wahl funktionieren wird". Alle Verantwortlichen seien "startklar", das Ziel von "möglichst reibungsarmen Wahlen" ist gesteckt. 

Also: auf ein neues.